Der Wasserdoktor aus dem Allgäu

Veröffentlicht am 06.01.2015 um 23:57 Uhr – Von Saskia Gamradt – Lesedauer: 
Eine Steinbüste von Sebastian Kneipp.
Bild: © KNA
Dossier: Kneipp

Sogar Schauspielerin Marie-Luise Marjan, Fußball-Legende Franz Beckenbauer oder Star-Geiger David Garrett reisen in seine Kurstadt. Im bayerisch-schwäbischen Bad Wörishofen begegnen sich Prominente und Otto-Normalverbraucher auf besondere Weise. Zwischen Kulturprogramm, Wassertreten und Blitzgüssen suchen viele Erholung und Linderung von Krankheiten. Der Kurort hat diese Bekanntheit dem katholischen Pfarrer Sebastian Kneipp zu verdanken.

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Sebastian Kneipp wurde am 17. Mai 1821 in Stephansried bei Ottobeuren geboren. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und verdiente mit Weben und Viehhüten das Geld für die Familie. Nach einem Brand in seinem Elternhaus zog Kneipp zu einem entfernten Verwandten, dem Kaplan Matthias Merkle. Dank ihm lernte Kneipp Latein und konnte auf das Gymnasium gehen. In dieser Zeit machte er in Grönenbach Bekanntschaft mit dem evangelisch-reformierten Ortspfarrer und Botaniker Christoph Ludwig Koeberlin, der ihn in die Pflanzenheilkunde einführte.

Eine Frau bekommt kaltes Wasser über die Waden.
Bild: ©Bad Wörishofen

Ein Wadenguss wie ihn Kneipp empfiehlt, regt die Durchblutung an und stärkt das Immunsystem.

Kneipp heilt sich selbst

Während seines Theologiestudiums in München und Dillingen erkrankte Kneipp an Tuberkulose. Durch Tauchbäder in der eiskalten Donau heilte er sich selbst. Nach diesem Erfolg heilte er auch gleich zwei seiner ebenfalls erkrankten Kommilitonen durch Güsse am Brunnen des Priesterseminars.

Nachdem er als Kaplan in Biberach, Boos und Augsburg tätig gewesen war, versetzte ihn das Bistum Augsburg 1855 in das Bauerndorf Wörishofen. Kneipp zog als Beichtvater bei den Dominikanerinnen ein und machte aus dem heruntergekommenen Kloster einen florierenden Großbetrieb. Erst im Alter von 60 Jahren wurde er Pfarrer von Wörishofen.

Seine Wasserkuren waren populär, aber auch umstritten

Der hünenhafte Geistliche war kein approbierter Arzt, sondern Naturheiler, der ein ganzheitliches Gesundheitskonzept entwickelte. Sein erstes Buch "Meine Wasserkur" wurde schlagartig zum Bestseller, der in 14 Sprachen übersetzt wurde. Seine ersten Anwendungen gab er im Badehaus des Klosters, später in der Waschküche des Pfarrhauses. Kranke kamen in Scharen zu Waschungen, warmen Bädern oder zum Wassertreten.

„Die Natur ist die beste Apotheke.“

—  Zitat: Sebastian Kneipp

Trotz Beschwerden und Vorwürfen nahm die Zahl der Kurgäste nicht ab. Schließlich stellte Kneipp Dr. Bernhuber als ersten ärztlichen Mitarbeiter ein und beide führten gemeinsam die Sprechstunden. Den Blitzguss behielt er sich immer selbst vor. Um neun Uhr unterbrach Kneipp regelmäßig seine Sprechstunde und ging in die Gießräume, wo er wortlos den Wasserstrahl von den Füßen bis zum Herzen des Kranken führte.

Eine Familie macht Wassertreten in einem Kneippbecken in der Natur.
Bild: ©Bad Wörishofen

Viele Kurgäste krempeln sich ihre Hosenbeine hoch und gehen Wassertreten.

Kneipp war ein Segen für das damals kleine Bauerndorf. 1889 zählte Wörishofen bereits 4.000 Heilsuchende – die Dominikanerinnen wussten nicht mehr, wohin mit den Kranken. So ließ Kneipp ein Priesterkurhaus bauen, das spätere "Sebastianeum". Der Ansturm brach nicht ab. Vom Nachbarort Türkheim aus wurde sogar extra eine Eisenbahnlinie gebaut – die erste elektrifizierte Strecke in Bayern.

Vorträge und Europareise

Auch hohe Herrschaften pilgerten von weit her zu dem derben und schlagfertigen "Wasserdoktor", der oft von seinem bissigen Spitz begleitet wurde. Neben seinen Sprechstunden wurden auch seine öffentlichen Gesundheitsvorträge populär, die er vor hunderten von Kurgästen meist im Freien hielt. Kneipp referierte über die Wasserkur, gesunde Ernährung oder natürliche Lebensweise.

All sein Wissen wollte Kneipp europaweit bekannt machen und reiste 1892 durch Deutschland, die Schweiz, Österreich, Ungarn und Frankreich. Unterwegs ging es ihm nicht schnell genug. Für Sehenswürdigkeiten und Kunstschätze hatte er kein Auge. Stets fragte er: "Wo sind die Kranken?"

„Alles was wir brauchen, um gesund zu bleiben, hat uns die Natur reichlich geschenkt.“

—  Zitat: Sebastian Kneipp

Im Heimatort führte indes der neue und nun fest angestellte Badearzt Dr. Alfred Baumgarten den Kurbetrieb fort. Dokumenten zufolge war die Anzahl der Kurgäste auf 33.130 plus "100.000 sonstige Passanten" angestiegen.

Audienz beim Papst und Kneipp-Zentren in Japan

Höhepunkt seines Wirkens war aber seine Ernennung zum Päpstlichen Geheimkämmerer mit dem Titel "Monsignore" von Papst Leo XIII.. Bei mehrwöchigen Audienzen 1894 behandelte Kneipp den Papst mit Waschungen.

Bild: ©Bad Wörishofen

Ein herrlicher Blick über die Dächer des bayerischen Bad Wörishofen.

Monsignore Kneipp war gutgläubig und verteilte sein Geld an Bittsteller. Mittellose Studenten und Priester wurden kostenlos behandelt. Zudem richtete er neben dem "Sebastianeum" Stiftungen ein wie das "Kneippianum" und ein "Kinderasyl", die heutige Kneippsche Kinderheilstätte.

Als ihn ein schnell wachsender Tumor in seinen Aktivitäten einschränkte, verteilte er sein ganzes Geld an Stiftungen und Ordensleute im Ort. Im Alter von 76 Jahren verstarb Kneipp am 17.06.1897, doch sein Heilverfahren erlangte Weltruhm. In Japan wurde Ende der 1990er Jahre das erste Kneipp-Zentrum im Biratori nahe Sapporo errichtet – weitere Zentren in Tokio und Osaka folgten. Eigentlich keine Überraschung, da doch die Badekultur und die traditionellen Badehäuser (Sentõ genannt) eine wichtige Rolle im japanischen Alltag spielen.

Von Saskia Gamradt