Kritiker sehen Widerspruch zum Kirchenrecht

Die Selbstbindung der Bischöfe bei synodalen Gremien wirft Fragen auf

Veröffentlicht am 09.03.2023 um 00:01 Uhr – Von Simon Kajan (KNA) – Lesedauer: 

Bonn ‐ Der Synodale Weg möchte kirchliche Leitungsverantwortung in Teilen auf Schultern von Bischöfen und Laien verteilen. Das sorgt für Konflikte mit dem Kirchenrecht, sagen Kritiker. Verfechter synodaler Gremien setzen auf eine bischöfliche Selbstbindung.

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Mitte Januar hatten drei hochrangige Kurienkardinäle den deutschen Bischöfen schriftlich mitgeteilt, die katholische Kirche in Deutschland sei nicht befugt, ein gemeinsames synodales Leitungsorgan von Laien, Klerikern und Bischöfen einzurichten. Das Unverständnis darüber hierzulande war groß, zumal sich Papst Franziskus das Schreiben in "forma specifica" zu eigen gemacht hatte. Eilig verwies man auf ein 'Missverständnis': Der geplante Synodale Rat schränke die Autorität des Bischofsamts nicht ein – weder bei der Leitung der Bistümer noch auf Ebene der Bischofskonferenz. "Selbstbindung" ist das Zauberwort zur "Stärkung des Bischofsamts".

In diesem Sinne betonte zuletzt der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, man wolle an den Plänen festhalten, einen vorbereitenden Synodalen Ausschuss einzurichten. Dieser soll den Reformprozess nach der letzten Vollversammlung fortführen und einen Synodalen Rat dann genauer vorbereiten.

Den Argwohn des Vatikans und wohl auch der Kritiker in der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) dürfte weniger ein gemeinsames Beratungsgremium aus Mitgliedern der DBK und des Zentralkomitees deutscher Katholiken (ZdK) geweckt haben. Auf Bundesebene gibt es ein solches bereits in Gestalt eines "Gemeinsamen Ausschusses". Problematisch dürfte die Einrichtung eines nationalen Synodalen Rats gewesen sein, der als Schlichtungsinstanz für ebenfalls einzurichtende diözesane Synodale Räte fungieren soll. Schon das zeigt: Es ist eine gewisse Bindungswirkung von Beschlüssen vorgesehen, die über bloße "Selbstbindung" hinausgehen muss.

Nur Beratungsgremium

Der Mainzer Kirchenrechtler Matthias Pulte weist gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) darauf hin, dass Synodale Räte in den deutschen Bistümern nur als Beratungsgremien errichtet werden können. Ihre Beschlüsse seien lediglich Voten, aber keine letztverbindlichen Entscheidungen. "Die gestufte Überprüfung der Beschlüsse durch eine Schlichtung, die letztinstanzlich auch den Bischof durch eine supradiözesane Instanz definitiv binden soll, wie bisher von Forum 'Macht und Gewaltenteilung' vorgesehen, widerspricht dem geltenden Kirchenrecht (canon 381 § 1 CIC 1983) und dem 2. Vatikanischen Konzil (Bischofs-Dekret Christus Dominus 11), nachdem dem Bischof 'alle ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Gewalt' bei der Regierung seiner Diözese zukommt. Selbst wenn der Synodale Weg solche synodalen Gremien einrichten würde, wären diese nach geltendem Recht nichtig, da sie gegen gesetzliche Rechtssetzung (vgl. canon 6 § 1) stünden", resümiert Pulte.

Das gelochte Metallkreuz des Synodalen Weges
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht

Kritiker und Verfechter des Synodalen Wegs unterscheiden sich auch in ihrer Interpretation von Synodalität.

Hingegen sieht der Münchner Theologe und Kirchenhistoriker Franz Xaver Bischof im geplanten Synodalen Rat keinen Angriff auf die Autorität der Bischöfe. Deutlicher als in der Satzung des deutschen Reformprojekts könne man nicht sagen, "dass die Beschlüsse des Synodalen Weges die Entscheidungsbefugnis eines Bischofs nicht einschränken", schreibt er in einem gemeinsamen Beitrag mit dem Theologen Dietmar Knopp für die "Herder Korrespondenz" (online).

Das dem Interventionsschreiben aus Rom zugrundeliegende Szenario sei also nicht real, so Bischof. Die beiden Theologen berufen sich dabei auf eine Klarstellung von Bätzing. Dieser habe auf eine Schlüsselvorschrift der Satzung des Synodalen Weges hingewiesen, der auch die Grenze für dessen Befugnisse setze. Demnach entfalteten Beschlüsse der Synodalversammlung von sich aus keine Rechtswirkung. "Die Vollmacht der Bischofskonferenz und der einzelnen Diözesanbischöfe, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit Rechtsnormen zu erlassen und ihr Lehramt auszuüben, bleibt durch die Beschlüsse unberührt", wird die Satzung zitiert.

Schon vorher Irritationen

Irritationen über die Bindungskraft von Beschlüssen des Synodalen Weges gab es indes bereits zuvor. So hatte im November 2022 der Theologe und Vizepräsident des ZdK, Thomas Söding, die Haltung des Bamberger Domkapitels zur Nicht-Beteiligung von Laien bei der Nachfolgeregelung für den zurückgetretenen Erzbischof Ludwig Schick kritisiert. Dabei verwies er auf einen Beschluss des Synodalen Weges zur Beteiligung von Laien bei der Bestellung des Diözesanbischofs, obwohl das nach verbreiteter Rechtsauffassung staatskirchenrechtlich nach Bayern-Konkordat nicht möglich ist.

Ein Richterhammer liegt auf einer Ausgabe des kirchlichen Gesetzbuchs CIC
Bild: ©fxn/katholisch.de

"Eine Selbstbindung der Entscheidungen des Diözesanbischofs ist im Codex Juris Canonici nicht vorgesehen", hält Pulte fest.

Ähnlich problematisch dürfte das Konzept einer "Selbstbindung" des Diözesanbischofs an Beschlüsse synodaler Gremien beurteilt werden. "Eine Selbstbindung der Entscheidungen des Diözesanbischofs ist im Codex Juris Canonici nicht vorgesehen", hält Pulte fest. Aber: "Die Selbstbindung erschiene sinnlos, wenn der Bischof nach Gutdünken von den Beschlüssen der Gremien abweicht, denen er zuvor zugesagt hat, sich an die Beschlüsse zu halten. Sie würde zur Farce."

Auch wenn ein Abweichen von den Beschlüssen – und damit eine singuläre Aufhebung der Selbstbindung – unter diesen Bedingungen nur gerechtfertigt sei, wenn der Bischof dies dem entsprechenden Gremium nachvollziehbar begründen könne, so der Kirchenrechtler, könne diese Selbstbindung des Diözesanbischofs an Beschlüsse von Beratungsgremien keine juristisch erzwingbare Bindungswirkung entfalten. "Grundsätzlich muss ein Abweichen von der Selbstbindung des Bischofs eröffnet bleiben, da ansonsten die Freiheit der Amtsausübung (canon 381 § 1 CIC) konterkariert würde."

Zwei Kirchenbilder prallen aufeinander

Letztlich scheinen zwei Kirchenbilder aufeinanderzuprallen und nicht nur ein anders akzentuiertes Verständnis von 'Synodalität', wie es auch beim Abschluss der kontinentalen Phase der Weltsynode in Prag deutlich geworden sein soll. Repräsentativ für die weltkirchlichen Kritiker am deutschen Synodalen Weg dürfte der deutsche Kurienkardinal Paul Josef Cordes gelten. Er wird in der italienischen Presse mit einem für das "Klerusblatt" (voraussichtlich April 2023) verfassten Beitrag zitiert, nachdem der Vorschlag des Synodalen Rats den "geistlichen Dienst auf eine politisch-empirische Kategorie" reduziere.

Die Philippika Cordes' reiht sich ein in die Kritik des Papstes an einem "elitären" Projekt, das angesichts der anstehenden Bischofssynode zur Synodalität mit Argusaugen beobachtet wird. Da wundert es wenig, dass die Vorstellung, den deutschen Synodalen Weg durch einen Synodalen Rat zu perpetuieren, und ein paritätisch aus Bischöfen und Laien gebildetes Leitungsgremium auf der Ebene der Bischofskonferenz zu etablieren, als ekklesiologisch unhaltbares Abweichen von der päpstlichen Vision "Synodalität" qualifiziert wird.

Wenig ändert daran, dass auch diesseits der Alpen die Bindungskraft von Beschlüssen und Einlassungen der Protagonisten des Synodalen Wegs durchaus als elastisch wahrgenommen wird. So dürfte sich die Synodalversammlung dieser Woche auch zuvorderst mit ihrer eigenen Geschäftsordnung beschäftigen. Denn zuletzt hatte man zur Durchsetzung namentlicher Abstimmungen gegen eine Minorität der Synodalen entgegen der Geschäftsordnung entschieden – und die geheime Abstimmung als "hierarchisch" untergordnet verworfen. Auch das wirft Schatten auf das selbsterklärte "Souverän" des deutschen Synodalen Wegs. Schon ganz ohne kanonistische Fachexpertise.

Von Simon Kajan (KNA)