Heilkunst mit langer Tradition
Der Vater des abendländischen Mönchtums rief dazu auf, in den Klöstern eigene Spitäler einzurichten und jeweils einen Mitbruder für die Pflege der Kranken auszubilden.
Das Wissen zur Heilung entnahmen die Mönche meist antiken Werken, die in den Klöstern übersetzt wurden. Zudem forschten und experimentierten sie von Anfang an auch selbst mit Körpersäften und Kräutern, die sie in der Natur sammelten oder in den sich neu entwickelnden Klostergärten anbauten.
Erste bedeutende wissenschaftliche Frucht dieser Forschungen war um das Jahr 795 das "Lorscher Arzneibuch", das erste erhaltene medizinisch-pharmazeutische Handbuch aus einem deutschen Kloster. Die Handschrift enthält rund 500 aus Heilmitteln zusammengestellte Rezepturen, die in den Klostergärten der damaligen Zeit zu finden waren. Das "Lorscher Arzneibuch" war damit eine Art Handbuch für den Mönchsarzt, der gleichzeitig immer auch Apotheker war.
Vorbildlicher Klosterplan
Ebenso bedeutend für die weitere Entwicklung der Klostermedizin wurde wenige Jahre später der heute weltberühmte "St. Galler Klosterplan". Der Klosterplan stellte auf fünf Pergamentstücken idealtypisch den Grundriss einer Abtei dar und wurde zum Maßstab für die Konstruktion und Gestaltung von Klosteranlagen im Mittelalter. Für den Klostergarten sah der Plan eine Untergliederung in einen Kräuter-, einen Gemüse- und einen Obstbaumgarten vor; jede Heilpflanze sollte zudem in einem eigenen Beet angelegt werden.
Wiederum wenige Jahre später war es der Abt des Klosters Reichenau, Wahlafrid Strabo (808-849), der in seinem Gartenbuch "Hortulus" die Beschaffenheit und Wirkung von 24 Heilkräutern beschrieb - darunter Salbei, Fenchel, Liebstöckel, Kerbel, Minze und Rettich - und Tipps für deren richtigen Anbau gab.
Einen ähnlichen Anspruch verfolgte rund 300 Jahre nach Wahlafrid Strabo auch Hildegard von Bingen. Die Ordensfrau aus dem Kloster Rupertsberg bei Bingen verfasste zwischen 1150 und 1160 zwei bedeutende Abhandlungen zur Heilkunde, die unter den Namen "Physica" und "Causae et curae" (Ursachen und Behandlungen) bekannt wurden. Neben der Beschreibung bereits vorher geschilderter Behandlungsmethoden lieferten die beiden Werke zahlreiche neue Erkenntnisse - so zum Beispiel die Darstellung neuerer Heilpflanzen wie der Ringelblume.
Fruchtbarste Epoche
Unbestritten erlebte die Klostermedizin zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert ihre fruchtbarste Epoche, was auch daran lag, dass die medizinische Versorgung der Bevölkerung während dieser Zeit fast ausschließlich in den Händen der Orden und Klöster lag und Medizin als angewandte Theologie galt. Zudem bestand der Vorteil, dass Gelehrte und Praktiker in den Abteien unter einem Dach lebten. Die Mönche in den Schreibstuben konnten die Erfahrungen ihrer für die Kräutergärten und die Krankenpflege verantwortlichen Mitbrüder schriftlich festhalten. Und es gab noch einen weiteren Vorteil: Man hatte Zeit und Muße, auszuprobieren und zu experimentieren.
Erst nachdem die Medizin im Laufe des 14. Jahrhunderts erstmals als Wissenschaft an den Universitäten gelehrt und durch die Erfindung des Buchdrucks das heilkundliche Wissen einer breiten Bevölkerungsschicht zugänglich gemacht wurde, verloren die Klöster als Orte des Heilens und Forschens allmählich an Bedeutung - die Tradition der Kräuterheilkunde geriet in den Abteien allerdings nie ganz in Vergessenheit.
Den Schatz der Klostermedizin versucht seit 1999 eine engagierte Forschergruppe an der Universität Würzburg zu heben. Die Gruppe am Institut für Geschichte der Medizin versucht das überlieferte Wissen der mittelalterlichen Mönchs-Mediziner zu erfassen und für die moderne Medizin nutzbar zu machen. Denn auch wenn die Klostermedizin schon einige Jahrhunderte auf dem Buckel hat - die positive Wirkung zahlreicher Kräuter und klösterlicher Heilmethoden ist heute unbestritten.