Zollner kritisiert Papst Franziskus scharf für Umgang mit Missbrauch
Der Jesuit und Kinderschutzexperte Hans Zollner hat Papst Franziskus für seinen Umgang mit Missbrauch kritisiert. "Er hat es leider nicht zu der Priorität Nummer eins seines Pontifikats gemacht. Für ihn stehen die Armutsbekämpfung, die Migration und Ökologie ganz oben", sagte Zollner der taz (Samstag). Missbrauch spiele in seinem Pontifikat eine wichtige Rolle – "aber halt nicht die wichtigste". Er bedauere das sehr, weil das ein Thema sei, "mit dem sich die Weltkirche noch viele Jahre und Jahrzehnte auseinandersetzen wird."
"Wenn es um die Empathie, um die Herzlichkeit und die Nähe zu Menschen geht, denen Leid widerfährt, ist er wirklich ganz glaubwürdig", betonte Zollner. "Das habe ich selber erlebt, das hat er vor einigen Tagen wieder gezeigt, als Betroffene von Missbrauch aus München hier waren." Franziskus sei jemand, der das Thema wachgehalten habe und der im rechtlichen Bereich mehr Verschärfungen eingeführt habe als alle seine Vorgänger zusammen.
Woelki, Marx und Heße
Was den Umgang mit deutschen Bischöfen angeht, denen Fehler im Umgang mit sexueller Gewalt vorgeworfen wird, äußerte Zollner Unverständnis: "Ich wundere mich". Man müsse dabei jedoch bedenken, dass bei den Erzbischöfen Woelki, Marx und Heße das Niveau der rechtlichen Anschuldigungen sehr unterschiedlich sei. "Was aber angepackt werden muss, ist die moralische Verantwortung, die natürlich unabhängig ist von Verjährungsfristen."
Erneut äußerte sich Zollner zu seinem Rücktritt aus der päpstlichen Kinderschutzkommission. Er stellte in Frage, ob deren Präsident, Kardinal O'Malley, der richtige für diesen Posten sei. Es brauche jemanden, der sich nicht vor Konfrontationen scheue und in Konflikte gehe. "Das macht Kardinal O’Malley nicht." O'Malley hätte oder nähme sich nicht die notwendige Zeit, an Dingen dranzubleiben.
Papst müsse bei Kinderschutzkommission eingreifen
Die päpstliche Kommission wende zudem nicht die Prinzipien an, die die Kirche sich offiziell gegeben habe. Darunter fielen "Verantwortungsübernahme, Rechenschaftspflicht und Transparenz". Nachdem seine Versuche, diese Bedenken an die Leitung zu kommunizieren, ungehört verhallt seien, habe er Konsequenz ziehen müssen und sei zurücktreten. Der Papst müsse eingreifen, wenn in der Kommission etwas schief laufe, forderte der Jesuit.
Auch die Missbrauchsaufarbeitung der evangelischen Kirche in Deutschland kritisierte Zollner scharf: "Die Protestanten sind nicht nur etwas hintendran, sondern fast 15 Jahre. Sie haben sich gerne hinter den Katholiken versteckt und bauen jetzt hohe Hürden auf, weil es bald auch an die Aufarbeitung und an Entschädigungszahlungen von Opfern in ihren Reihen geht." (ben)