Wie die Weltsynode den Synodalen Weg noch retten kann
Ein Schlüsselwort im Konflikt zwischen Rom und Deutschland, zwischen dem Vatikan und dem Synodalen Weg, ist Autorität. Beide Seiten sehen die Frage nach der Autorität im Zentrum. Als die Spitzen von Staatssekretariat, Glaubens- und Bischofsdikasterium, die Kurienkardinäle Pietro Parolin, Luis Ladaria und Marc Ouellet im Januar mit einem vierseitigen Brief den Synodalen Rat in der von der Synodalversammlung gewollten Form untersagten, war ein zentrales Argument das der Autorität der Bischöfe und der Bischofskonferenz: Der Synodale Rat würde eine neue Leitungsstruktur in der Kirche in Deutschland bilden und sich so "über die Autorität der Deutschen Bischofskonferenz” stellen und diese faktisch ersetzen, heißt es im Brief. Synodale Räte auf Diözesanebene würden analog die Autorität der einzelnen Diözesanbischöfe angreifen.
Die Gegenposition formulierte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing. "Niemand stellt die Autorität des Bischofsamtes infrage", betonte er. Im Gegenteil: "Der Heilige Stuhl sieht die Gefahr einer Schwächung des bischöflichen Amtes – ich erlebe synodale Beratung geradezu als eine Stärkung dieses Amtes", führte der Bischof aus, dessen Bistum schon seit Jahrzehnten durch im Vergleich mit anderen Diözesen besonders stark ausgebaute synodale Gremien geprägt ist.
Diese Frage nach dem Verhältnis von Synodalität und Autorität wird auch die Weltsynode im Herbst prägen. Im am Dienstag veröffentlichten Arbeitsdokument (Instrumentum laboris, IL) tauchen an mehreren Stellen Fragen nach einer geeigneten synodalen Struktur in der Kirche auf. So konkret wie die Überlegungen des Synodalen Wegs sind sie allerdings noch nicht: Als vorbereitendes Dokument stellt das "Instrumentum Laboris" Fragen, die die Beratung der Synodalen im Herbst leiten sollen. Gefragt wird nach einer Erneuerung von Verfahren, institutionellen Regelungen und Strukturen, um Frauen stärker einzubinden – auch die Frage nach dem Diakonat für Frauen wird neu aufgeworfen. Die "Beziehung zwischen Taufämtern und Weiheamt" soll der jeweiligen lokalen Mentalität nach und in konkreten Formen der Mitverantwortung fruchtbar werden – bis hin zu einer erneuten Diskussion über Leitungsrollen von Laien in Gemeinden.
Bischofsamt missionarisch und synodal neu gestalten
Ein eigener Abschnitt widmet sich der Frage, wie das Bischofsamt "in missionarisch-synodaler Hinsicht neugestaltet und gefördert" werden kann. Damit zielt das Arbeitsdokument auf das Zentrum des Streits um die Synodalen Räte ab. Synodalität nach vatikanischem Verständnis ist bisher Beratung, Zuhören und Unterscheidung der Geister, an deren Ende die zuständige hierarchische Obrigkeit die Entscheidung trifft. Jede stärkere Beteiligung, zumal von Laien, trifft auf ekklesiologische Hürden: Das Zweite Vatikanum hat die Rolle des Bischofs als Nachfolger der Apostel und Leiter seiner Teilkirche aus eigenem Recht in der dogmatischen Konsitution "Lumen gentium" stark gemacht, einem der wichtigsten Konzilsdokumente. Die Beratung durch Laien wird dagegen nur knapp im Dekret "Apostolicam actuositatem" erwähnt. Nur "nach Möglichkeit" sollen auf den einzelnen kirchlichen Ebenen beratende Gremien eingerichtet werden. Heute beruft sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken in seiner bischöflich approbierten Satzung darauf, ein solches Gremium zu sein.
Der Zugang des Arbeitsdokuments zu dieser Frage ist das Verhältnis zwischen dem geweihten Amt mit den Aufgaben des Lehrens, Leitens und Heiligens einerseits und der Kirche als prophetischen, priesterlichen und königlichen Volkes. Dieses Verhältnis sollen die Synodalen ergründen – mit Fragen, die sehr konkret werden: Grundsätzlich danach, wie die Ausübung des bischöflichen Amts "Beratung, Zusammenarbeit und Teilhabe im Rahmen der Entscheidungsprozesse des Volkes Gottes" fördert. Es wird nach Kriterien gefragt, nach denen sich ein Bischof selbst in seinem synodalen Stil bewerten kann – und bewertet werden kann.
Was, wenn der Bischof nach der Beratung anders entscheidet?
Die kritischste Frage in diesem Paket ist sicherlich die nach den Konfliktfällen: Wenn der Bischof nach einer Beratung doch anders entscheidet: "In welchen Fällen könnte sich ein Bischof veranlasst sehen, eine von den wohl überlegten Ratschlägen der Konsultationsgremien abweichende Entscheidung zu treffen? Auf welche Grundlage würde sich eine solche Entscheidung/Verpflichtung stützen?" In der offiziellen deutschen Übersetzung steht "Verpflichtung", sie folgt damit der italienischen Ursprungsversion, wo von "obbligo" die Rede ist. Die ebenfalls maßgebliche englische Fassung verwendet allerdings "decision", also "Entscheidung". Folgt man mit der deutschen Übersetzung der italienischen Variante, taucht also plötzlich zumindest dem deutschen Wortlaut nach eine weitere zentrale Streitfrage aus Deutschland im Dokument auf, wenn auch etwas kryptisch: die nach einer Verpflichtung von Bischöfen, in Deutschland als Selbstverpflichtung angedacht, sich nach Entscheidungen synodaler Gremien zu richten. Es handelt sich aber lediglich um einen Übersetzungsfehler: In der deutschen Übersetzung wäre wie im Englischen im Anschluss an den vorigen Satz "Entscheidung" folgerichtig. Im Italienischen steht zuvor eine Formulierung mit "muss": "In welchen Fällen könnte ein Bischof verspüren, dass er […] eine abweichende Entscheidung treffen muss." Die gemeinte Verpflichtung ist also eine Verpflichtung des Bischofs auf sein Gewissen und seine eigene, unteilbare Verantwortlichkeit, nicht auf Dritte wie Beratungsgremien.
Später greift das Dokument diese Frage noch einmal auf: "Wie können wir konstruktiv mit Fällen umgehen, in denen die Autorität der Ansicht ist, dass sie die im gemeinschaftlichen Unterscheidungsprozess erreichten Schlussfolgerungen nicht bestätigen kann, und eine Entscheidung in eine andere Richtung trifft? Was sollte die Autorität als Erwiderung denjenigen anbieten, die an dem Prozess teilgenommen haben?"
Erstaunlich viel Raum erhalten Strukturfragen im Arbeitsdokument. Das überrascht angesichts von Klischeebildern, die Synodalität nach Art des Papstes als rein geistlichen und Synodalität nach Art des Synodalen Wegs als rein demokratisch-parlamentarischen Prozess sieht. Aus den bisherigen Synodenberatungen zieht das Arbeitsdokument einen Katalog von Merkmalen der Ausübung von Autorität und Verantwortung: "Eine Haltung des Dienens und nicht der Macht oder Kontrolle, Transparenz, Ermutigung und Förderung von Mitarbeitenden, Kompetenz und die Fähigkeit zur Vision, Unterscheidung, Inklusion, Zusammenarbeit und zum Delegieren".
Besonders Transparenz und Verantwortlichkeit machen die Autoren des Arbeitsdokuments stark – beides Momente, die ein rein absolut-monarchisch interpretiertes hierarchisches Amt gerade nicht prägen und so in einer gewissen Spannung zur Machtfülle und Gewaltenvereinigung von Bischöfen stehen. "Diese Perspektive weckt aber auch Ängste und Widerstände", geben die Autoren zu – und empfehlen, die Erkenntnisse von Management- und Führungswissenschaften zu reflektieren und auf Leitung in der Kirche zu beziehen.
Gleichgewicht zwischen Autoritätsprinzip und Teilhabe herstellen
Deutlich spricht sich das Arbeitsdokument dafür aus, bestehende beratende Gremien wie Pastoralräte und Räte für Wirtschaftsangelegenheiten zu erneuern oder sogar neue Strukturen einzusetzen. "Dazu sind passende institutionelle Bereiche sowie Räume nötig, in denen gemeinschaftliche Unterscheidung regelmäßig praktiziert werden kann. Es geht hier nicht um die Forderung nach Umverteilung von Macht, sondern um den Anspruch, dass faktische Ausübung von Mitverantwortung, wie sie sich aus der Taufe ergibt, möglich sein muss", heißt es dazu weiter – den starken Fokus auf Macht des Synodalen Wegs weist das Synodendokument also zunächst zurück. Angemessene Verfahren für die synodalen Strukturen seien daraufhin auszulegen, dass sie "transparent, auf die Sendung konzentriert, offen für Teilhabe" sind und "Raum für Frauen, junge Menschen, Minderheiten, Arme und Ausgegrenzte" schaffen.
Dabei soll es nicht bei Appellen an eine synodale Einstellung bleiben: Es scheine "zudem auch angebracht, kirchenrechtlich zu intervenieren, indem zwischen dem in den geltenden Vorschriften stark bekräftigten Autoritätsprinzip und dem Prinzip der Teilhabe wieder ein Gleichgewicht hergestellt wird". Bislang sind die Mitverantwortungsstrukturen im Kirchenrecht deutlich allgemeiner und schwächer verankert als die hierarchischen Leitungsstrukturen. Das Kirchenrecht wird daher als zentraler Hebel angesehen, um Synodalität zu stärken. Explizit wird nach notwendigen Änderungen gefragt und Möglichkeiten, bestehende Hindernisse für eine rechtliche Reform zu ergründen.
Auch hier will sich die Synode wieder der Kompetenz von Außen bedienen: Die Strukturen öffentlicher Einrichtungen und das staatliche Recht sollen dahingehend befragt werden, wie im säkularen Bereich Transparenz und Rechenschaftspflichten geregelt werden. Eine beispielhafte Aufzählung in einer Klammer nennt dazu Begriffe, die der kirchlichen Rechtskultur momentan noch verhältnismäßig fremd sind: "Gewaltenteilung, unabhängige Kontrollorgane, Verpflichtung zur Veröffentlichung bestimmter Verfahren, Begrenzung der Amtsdauer usw."
Leben mit der Ungleichzeitigkeit
Mit einer Ausweitung der Kompetenzen auf unteren Ebenen entsteht die Möglichkeit, dass die schon bestehende Verschiedenheit unterschiedlicher Ortskirchen noch deutlicher zu Tage tritt – ein Vorgang, der sich jetzt schon an den teils deutlich ablehnenden, teils zustimmenden Reaktionen zum Synodalen Weg in Deutschland zeigt. Es braucht Modalitäten des Umgangs mit Ungleichzeitigkeiten – bis hin zur Frage, wie der Papst als oberster Garant der Kircheneinheit mit solchen Unterschieden umgehen soll. "Wie soll der dem Bischof von Rom anvertraute Dienst der Einheit ausgeübt werden, wenn die örtlichen Instanzen untereinander abweichende Ausrichtungen vertreten?", fragt das Synodendokument zusammen mit der Frage nach dem Spielraum für eine "Vielfalt von Ausrichtungen unter den verschiedenen Regionen".
Im verfahrenen Streit zwischen Rom und Deutschland könnte die Weltsynode so den gordischen Knoten zerschlagen: Auch wenn eine so umfangreiche und verbindliche Beteiligung wie vom Synodalen Weg gewünscht wohl nicht zu erwarten ist, wendet sich das Abschlussdokument doch deutlich gegen eine Position, die einseitig die hierarchische Vollmacht absolut setzt. Auch wenn der Brief der drei Kardinäle massive Sorge um die Autorität der Bischöfe äußert, ist das synodale Autoritätsverständnis wenn nicht des Vatikans, so doch zumindest der Autoren des Vorbereitungsdokuments deutlich näher an Bätzings Verständnis: synodale Beratung als Stärkung des Amtes. Gerade angesichts des Scheiterns der Finanzierung des Synodalen Ausschusses hat die Synode in Rom so das Potential, im Streit zu vermitteln.
22. Juni 2023, 14 Uhr: Divergierende Übersetzungen ausführlicher erläutert und korrigiert.