Erste Reise führte den Papst vor zehn Jahren auf die "Flüchtlingsinsel"

Franziskus auf Lampedusa: Gegen "Globalisierung der Gleichgültigkeit"

Veröffentlicht am 08.07.2023 um 12:14 Uhr – Von Anita Hirschbeck (KNA) – Lesedauer: 

Rom ‐ Mit seiner ersten Reise als neuer Papst legte Franziskus den Finger in die Wunde: Auf der "Flüchtlingsinsel" Lampedusa erinnerte er an ertrunkene Migranten. Die Lage hat sich seither nicht gebessert – doch der Pontifex hält weiter den Spiegel hoch.

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Für einen kurzen Moment war es so, als würde da einer der Welt den Spiegel vorhalten. Vor fast genau zehn Jahren besuchte Papst Franziskus die italienische Insel Lampedusa und erinnerte an die zahlreichen ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer. Erst wenige Monate war der Argentinier damals im Amt, als er am Südzipfel Europas die "Globalisierung der Gleichgültigkeit" geißelte. "Wir haben uns an das Leiden des anderen gewöhnt, es betrifft uns nicht, es interessiert uns nicht, es ist nicht unsere Sache", kritisierte Franziskus.

Seine Worte passten zu den klaren Gesten dieser ersten Pastoralreise außerhalb Roms. Statt mit Regierungsvertretern sprach der Papst mit jungen Migranten, die teils erst wenige Stunden zuvor in Booten auf Lampedusa angekommen waren. Er feierte einen schlichten Gottesdienst auf einem Sportplatz am Hafen, zu dem 10.000 Inselbewohner und Flüchtlinge kamen. Das Predigtpult war aus dem Holz gekenterter Boote gezimmert.

Blumenkranz in Gedenken an ertrunkene Migranten

Franziskus ließ sich auch hinaus aufs Meer fahren, wo er einen Blumenkranz in Gedenken an ertrunkene Migranten auf die Wasseroberfläche warf und minutenlang im Gebet verharrte. In den drei Jahrzehnten bis zu diesem Zeitpunkt sollen rund 20.000 Flüchtlinge im Mittelmeer gestorben sein, hieß es damals in Medienberichten. Allein in den vergangenen zehn Jahren sind wohl noch einmal mehr als 25.000 Tote und Vermisste hinzugekommen. Die Zahl könne nur geschätzt werden, betont das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR.

Der nur vierstündige Lampedusa-Besuch des Papstes stieß auf viel Zustimmung. Franziskus habe "zu Recht an unsere Pflicht zur Hilfe" erinnert, sagte der damalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Italiens Integrationsministerin Cecile Kyenge vom linken Partito Democratico brachte eine Neuregelung des Einbürgerungsrechts nach deutschem Modell ins Spiel, und in Köln feierte Kardinal Rainer Maria Woelki einen Gottesdienst vor dem Dom mit einem zum Altar umgebauten Flüchtlingsboot.

Papst Franziskus sitzt hinten auf einem Geländewagen. Sechs Sicherheitskräfte gehen neben dem Auto her. Im Hintergrund sieht man das Meer am Hafen der Mittelmeerinsel Lampedusa.
Bild: ©KNA (Archivbild)

Mit seinem ersten Pastoralbesuch nach seinem Amtsantritt auf Lampedusa setze Franziskus ein klares Zeichen.

Dabei ahnte vor zehn Jahren noch kaum jemand – wohl auch Franziskus nicht – welche Dynamik das Thema Migration noch aufnehmen würde. Bis zum Jahresende 2013 kamen laut UNHCR rund 60.000 Menschen über die Mittelmeerroute in Europa an. 2015 stieg diese Zahl auf über eine Million - ein seither nicht mehr erreichter Höchstwert. Nach einem starken Rückgang gehen die Zahlen seit 2020 wieder stetig nach oben. Rund 66.000 Flüchtlinge wurden allein in der ersten Jahreshälfte 2023 in Italien registriert.

Die Regierung in Rom macht Druck in der EU und sucht nach politischen Lösungen. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson, die vor Kurzem auf Lampedusa zu Gast war, betonte, dass Einwanderung eine europäische Herausforderung sei. Italiens Innenminister Matteo Piantedosi erklärte unterdessen, die Insel sei eine "Transitbasis". Angekommene sollen so schnell wie möglich auf andere Standorte verteilt werden, was aber nicht immer klappt. Rund 3.000 Flüchtlinge hielten sich laut italienischen Medienberichten vor einer Woche auf der Insel auf. Das örtliche Aufnahmelager hat nur Platz für 400.

Weitere Zeichen außerhalb Europas

Um die Gestrandeten auf der 20 Quadratkilometer kleinen Insel kümmern sich verschiedene Initiativen vor Ort – darunter die Caritas. Nach dem Papstbesuch weitete das katholische Hilfswerk seine Aktivitäten auf Lampedusa aus und eröffnete ein Hilfszentrum.

Franziskus selbst setzte weiter Zeichen – auch außerhalb Europas. So feierte er 2016 in Mexiko einen Gottesdienst unmittelbar an der Grenze zu den USA, während Präsidentschaftskandidat Donald Trump damit Wahlkampf machte, eine Mauer zum Nachbarland bauen zu wollen.

Immer wieder hat der Papst in den vergangenen zehn Jahren zum Gebet für Migranten aufgerufen. Als er vor Kurzem nach einer Operation aus dem Krankenhaus entlassen wurde, galten seine ersten Worte einem aktuellen Bootsunglück vor Griechenland. Den wartenden Journalisten vor der Klinik sagte er, das Ereignis erfülle ihn mit "viel, viel Schmerz". Franziskus wird nicht müde, den Spiegel hochzuhalten.

Von Anita Hirschbeck (KNA)