Neffe: Verliere zunehmend das Vertrauen in die untersuchenden Behörden

Polizei soll Missbrauchsinfos im Fall Dillinger verbrannt haben

Veröffentlicht am 13.07.2023 um 15:19 Uhr – Lesedauer: 

Saarbrücken ‐ "Wir hatten große Hoffnung in das Material gesetzt", sagen die kircheninternen Sonderermittler. Doch offenbar sind die beschlagnahmten Dokumente im Missbrauchsfall Dillinger weitestgehend vernichtet worden. Dessen Neffe spricht von Vertrauensverlust.

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Im Missbrauchsfall um den Trierer Priester Edmund Dillinger hat die saarländische Polizei nach Angaben von dessen Neffen Material wie Tagebücher und Briefe verbrannt. Nur "ein paar Dokumente" seien ihm wieder ausgehändigt worden, sagte der Neffe auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er verliert nach eigenem Bekunden "zunehmend das Vertrauen in die untersuchenden Behörden". Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken kündigte auf Anfrage zeitnah eine Erklärung an.

Der Neffe sagte, er habe einen Teil der beschlagnahmten Dokumente seines Onkels nach Auswertung durch die Polizei wieder abholen wollen – beispielsweise Tagebücher und Briefwechsel. Als er bei der Behörde erschien, sei ihm gesagt worden, dass fast das gesamte Material in der Müllverbrennung vernichtet worden sei.

"Hatten große Hoffnung in das Material gesetzt"

Zusätzlich zu den staatlichen Ermittlungen hat die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung von Missbrauch im Bistum Trier zwei Sonderermittler mit der kircheninternen Aufklärung des mutmaßlichen Falls vielfachen sexuellen Missbrauchs beauftragt. Einer, der frühere Generalstaatsanwalt in Koblenz, Jürgen Brauer, sagte KNA, wenn die Angaben des Neffen zur Vernichtung der Dokumente stimmten, "wäre es für die Aufarbeitung des Falls eine Katastrophe. Wir hatten große Hoffnung in das Material gesetzt."

Dillinger soll mehr als vier Jahrzehnte lang Jugendliche und junge Erwachsene missbraucht, nackt fotografiert, die Bilder gesammelt und darüber Buch geführt haben. Er starb 2022. Sein Neffe fand im Nachlass eigenen Angaben zufolge rund 700 Fotos und Diafilmstreifen mit eindeutigen und – mit den Jahren – immer drastischeren Motiven. Die Fotos sollen Männer und Frauen zeigen, einige mit Dillinger im Bild.

Bild: ©KNA/Anna Fries

Jürgen Brauer (l.) und Ingo Hromada sind die von der diözesanen Aufarbeitungskommission beauftragten Sonderermittler im Missbrauchsfall Dillinger.

Die Trierer Aufarbeitungskommission sprach später von "vagen Hinweisen" auf einen bistumsübergreifenden "Pädosexuellenring", der auf Ausbeutung von Stipendiaten aus Afrika deuten könnte. Das Bistum erreichten demnach auch Informationen über ein Doppelleben des Priesters unter falschem Namen in Afrika.

Trotz Hinweisen aus den 1970ern genoss Dillinger hohes Ansehen. Er war Studentenseelsorger des Cartellverbandes der deutschen katholischen Studentenverbindungen (CV), gründete 1972 den Verein CV Afrika Hilfe und war Mitglied verschiedener konservativer Gruppen. Für sein Afrika-Engagement erhielt er den Verdienstorden der Bundesrepublik und war Ehrendomherr in Kamerun.

Kirchenrechtliche Voruntersuchung

2012 wurde er sanktioniert, durfte keine Messen feiern und keinen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen haben. Damals hatte das Bistum eigenen Angaben zufolge nach weiteren Hinweisen die Personalakte durchgesehen, "Hinweise auf übergriffiges Verhalten" gefunden und eine kirchenrechtliche Voruntersuchung geführt, außerdem die Staatsanwaltschaft informiert. Die stellte Ermittlungen wegen Verjährung ein.

Das Bistum Trier will die verschiedenen Fäden und Schauplätze zusammenzufügen. Koordinator dafür ist Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg. (KNA)