Partei in Bayern auf Rang drei, in Hessen auf Rang zwei

Entsetzen nach Landtagswahlen: Kirchenvertreter kritisieren AfD

Veröffentlicht am 09.10.2023 um 17:07 Uhr – Lesedauer: 

München/Wiesbaden ‐ Bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern hat die AfD einen erwartet hohen Stimmenzuwachs erzielt. Kirchenvertreter blicken mit Sorge auf die Ergebnisse – und mahnen die vielbeschworene "Brandmauer" an.

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Der Würzburger Bischof Franz Jung hat den Ausgang der Landtagswahlen in Bayern und Hessen als "einen echten Warnschuss für die Politik" bewertet. "Was mich persönlich umtreibt und was mich auch sehr erschrocken hat, ist das Abschneiden der AfD", sagte Jung am Montag in Würzburg. "Die Ampelregierung in Berlin ist im Grunde abgestraft worden." Landespolitische Themen hätten nicht im Vordergrund gestanden.

"Was in diesem Wahlkampf noch aufgefallen ist und was sehr unschön war, ist die Tendenz, den politischen Gegner persönlich in Misskredit zu bringen und zu desavouieren", fügte der Bischof hinzu. "Das ist zu verurteilen, es vergiftet die Stimmung." Jung sagte, wichtig sei jetzt, "auf die Sachebene zurückzukehren, sich den Fragen der Menschen zu stellen und dann zu zeigen, dass es möglich ist, eine echte Alternative für unser Land zu bieten". Dazu müssten die bekannten Probleme Klima, Migration, Wirtschaftswachstum und Energiesicherheit tatsächlich angegangen werden. Sehr erfreulich, so der Bischof, sei dagegen die höhere Wahlbeteiligung in Bayern im Vergleich zu 2018. "Es ist ein gutes Zeichen, dass sich die Menschen für die Demokratie interessieren".

Sorge vor Wahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen

Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) blickt mit Sorge um die Zukunft der Demokratie auf die Landtagswahlergebnisse. Das Erstarken der AfD in wirtschaftlich erfolgreichen West-Bundesländern zeige, dass Rechtspopulismus kein ostdeutsches, sondern längst ein gesamtdeutsches Problem sei, erklärte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp am Montag.  

Sie sei froh, dass "bislang die vielbeschworene Brandmauer steht und eine Regierungsbeteiligung der AfD nicht infrage kommt", betonte Stetter-Karp. Es sei aber eine besorgniserregende Entwicklung, dass die Partei in beiden Ländern voraussichtlich Oppositionsführerin werde. Mit Sorge blicke sie auf die Wahlen im kommenden Jahr in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. In den drei Ländern drohe die Partei so viele Stimmen zu erreichen, "dass Regierungskoalitionen ohne sie nur noch zustande kommen könnten, wenn es ein breites Regierungsbündnis gibt". Stetter-Karp hatte in den vergangenen Wochen betont, dass eine AfD-Mitgliedschaft und ein Wahlamt in der Kirche unvereinbar seien.

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Auch das Landeskomitee der Katholiken in Bayern wird nach der Landtagswahl keine AfD-Abgeordneten zur Mitarbeit auffordern. Diese Einladung werde sich auf die "demokratischen Parteien" im Parlament beschränken, kündigte der Vorsitzendes des Gremiums, Joachim Unterländer, am Montag im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in München an. Mit der Ausnahme der FDP hätten in der Vergangenheit alle angesprochenen Fraktionen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Wie Stetter-Karp bekannte sich auch Unterländer zur "Brandmauer" gegenüber der AfD. Ein politisches Mandat für diese Partei sei unvereinbar mit einer Mitwirkung in Gremien und Räten der katholischen Kirche. "Da müsste sich erst die AfD ändern", fügte er hinzu. Das könne er sich aber mit Blick auf die Reaktionen aus dieser Partei zum Wahlausgang "derzeit nicht vorstellen". Gleichzeitig verurteile er niemanden, der rechts gewählt habe. Vielmehr gelte es, die Motive hinter solchen Entscheidungen zu verstehen. Offenbar fühlten sich in der aktuellen Politik viele Menschen mit ihren Sorgen nicht verstanden. Bei allen notwendigen Veränderungsprozessen sei eine "größere soziale Ausgewogenheit" erforderlich. Die Menschen müssten dabei "mitgenommen werden, anstatt ihnen etwas zu diktieren".

Caritas: Fremdenfeindliche Partei verschaffe sich Raum

Als eine Gefahr für das demokratische Miteinander hat auch der Deutsche Caritasverband die Erfolge der AfD bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern bezeichnet. Das Erstarken der AfD sei ein Schrecken, sagte Caritaspräsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa am Montag der KNA. "Im Gewand der Sorge um ökonomische und gesellschaftliche Belastungen durch zu viel ungesteuerte Migration schafft sich mit dieser fremdenfeindlichen Partei eine offen antisemitische Kraft Raum." Auch die Caritas sei in der Pflicht, den Einfluss der AfD auf die politischen Themen und die Tonlage in den öffentlichen Debatten "mit aller Kraft zurückzuweisen".

Das katholische Kompetenzzentrum für Demokratie und Menschenwürde bewertet den Ausgang der Bayernwahl als "enttäuschend". Der Projektleiter Nordbayern, Martin Stammler, nannte es auf Anfrage der KNA am Montag "erschreckend", dass die AfD wahrscheinlich die stärkste Oppositionsfraktion im neuen Landtag bilden werde. Seine Einrichtung werde auch künftig "offen darstellen, wo die Partei gegen Grundrechte verstößt und mit dem christlichen Menschenbild unvereinbare Positionen vertritt". Der Wahlkampf habe gezeigt, dass das Thema Menschenwürde bei Migrationsfragen offenbar keine Rolle mehr spiele. "Da ertrinken Menschen auf dem Mittelmeer und wir reden in Deutschland nur über Sicherheitspolitik", bedauerte der Bildungsreferent.

In Bayern wurde die AfD laut vorläufigem Wahlergebnis mit 14,6 Prozent drittstärkste Kraft hinter CSU (37,0 Prozent) und Freien Wählern (15,8 Prozent). In Hessen kam die AfD mit 18,4 Prozent auf Rang zwei hinter der CDU mit 34,6 Prozent. (cbr/KNA)