Gerüchteküche der Weltsynode: Es geht durch Rom ein Geflüster
14:15 Uhr oder manchmal auch etwas später geht sie los: die tägliche Pressekonferenz zur Weltsynode. Dann haben die Pressesprecher des Vatikan ihren großen Auftritt vor der blauen Wand der "Sala Stampa", im Schlepptau: sorgsam ausgewählte Synodenväter und -mütter aus aller Welt. Innerhalb einer Stunde folgen die offiziellen Statements aus der Synodenaula. Journalisten und Zusehende des vatikanischen Livestreams erfahren quasi täglich: Die Atmosphäre sei gut, man habe dem Papst herzlich für seine jüngsten Äußerungen oder Veröffentlichungen gedankt und freudig Geburts-, Weihe- und sonstige Festtage in der Synodenaula gefeiert.
In einem zweiten Akt kommt es dann den von der vatikanischen Kommunikationsbehörde auserwählten Synodalen zu, die hervorragende Atmosphäre in der Synodenaula und das quasi familiäre Verhältnis der mehr als 400 Synodenteilnehmenden zu illustrieren. Die Hervorhebung der friedlichen Eintracht untereinander ist das bestimmende Narrativ dieser Briefings.
Diese Erzählung hat Tradition im Vatikan: Beispielsweise spiritualisierten Konzilsteilnehmer während des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) Streit und Dissens konsequent weg, obwohl Tageszeitungen beinahe täglich über Reden und Gegenreden berichteten und alle Welt nachlesen konnte, dass es in der Konzilsaula durchaus auch einmal hitzig zugehen konnte. Flugblattaktionen, Protestrufe und Wutreden machten schon vor sechzig Jahren keinen Halt vor den vatikanischen Mauern. Doch: imaginierte Einheit zählt der Kirchenleitung mehr als Wahrheit.
Weltsynode habe wichtigere Themen als Diskriminierung
Auf Themen wie LGBTQI und Frauen(-ordination) angesprochen, betonen Pressesprecher und vor allem die ausgewählten Synodalen gebetsmühlenartig, dass es bei der Weltsynode nicht um explizite Themen gehe, denn die Synode habe Synodalität – also sich selbst – zum Thema. Da dieser Fakt der Presse noch immer nicht bewusst zu sein scheint, erklärt das Podium seit einigen Tagen verstärkt, dass es wahrlich wichtigere Themen gebe, als Diskriminierungserfahrungen und systematische Zurücksetzung.
So riet eine der Synodalen vor wenigen Tagen, man solle sich besser fragen, was Frauen wirklich wollten: "Was will ich als berufstätige Frau für meinen Mann und meine Familie?" Manche Menschen seien zu sehr auf die Idee fixiert, Frauen seien in der Kirche erst gleichberechtigt, wenn sie geweiht werden könnten. Anschließend hob sie hervor, wie sie sich freue, dass bei der Synode erstmals Mütter und Väter in den Beratungen säßen: Wenn sie sich kennenlernten, tauschten sie Bilder von ihren Familien aus – wie bei einem Familientreffen.
Weltsynode: Das steht in den Antworten der Kontinente an den Vatikan
Im Vorfeld des römischen Treffens haben sieben Kontinentalversammlungen ihre Wünsche und Vorstellungen an den Vatikan formuliert. Katholisch.de hat einen Blick in die Dokumente geworfen und manche Überraschung gefunden.
Betrachtet man Eingaben einzelner Länder und Kontinente, die der Vatikan in den bisherigen Etappen der Weltsynode eingeholt hat, für sich, mag es stimmen, dass es viele andere Themen als die "heißen Eisen" gibt, doch sind gerade Fragen nach der Rolle der Frau, ernstzunehmender Inklusion und der kirchlichen Sexualmoral ausnahmslos überall genannt wurden – wenn auch mit je unterschiedlichen Bewertungen und Zielrichtungen. Wirtschaftliche, soziale oder beispielsweise infrastrukturelle Fragen unterscheiden sich hingehen massiv innerhalb der einzelnen Weltregionen.
Während der Synodale Weg der Kirche in Deutschland nicht selten dafür kritisiert wurde, sich zu öffentlich und zu kontrovers zu präsentieren, ergibt sich im Dunstkreis der Weltsynode ein anderes Bild. Dabei reicht ein Blick in die Kirchengeschichte, um festzustellen, dass es auf heiligen Synoden und Konzilien seinerzeit durchaus auch handfest zugehen konnte. Eine der populärsten Geschichten ist wohl die Ohrfeige, die Bischof Nikolaus seinem Widersacher Arius auf dem Konzil von Nicäa verpasst haben soll.
"Linksradikale" und "Schwurbler"
Schon die Zusammensetzung der Synodalversammlung zeigt, welches Sprengpotential die einzelnen kirchen- und gesellschaftspolitischen Ansichten bergen. Die Bandbreite reicht von einem "früheren Linksradikalen" bis hin zu rechten Verschwörungstheoretikern. Aufgrund der päpstlichen Direktive, nichts aus der Aula nach draußen zu tragen, ist es jedoch selbst um profilierte Kirchenpolitiker aller Couleur ruhig geworden – jedenfalls öffentlich.
Trotzdem brodelt die römische Gerüchteküche. Einiges dringt schon mit dem Verlassen der Synodalen zur Mittagspause oder nach Feierabend auf die Straßen der Ewigen Stadt, anderes zeitverzögert beim abendlichen Gespräch in überfüllten Trattorien oder kirchlichen Häusern. Auch offizielle und inoffizielle Vernetzungstreffen, Symposien und Empfänge sind in Rom seit jeher beliebte Umschlagplätze für Informationen. Immer wieder berichten bei diesen Ereignissen Synodale von unerwarteten Wortmeldungen zu altbekannten Streitthemen, bei denen es deutliche Zustimmung oder dröhnende Stille in der Halle gebe.
Gerade das Frauenthema werde intensiv in der Aula besprochen, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Dass dabei – wie in den Pressekonferenzen beteuert – lediglich über die Möglichkeit des Diakoninnenamtes gesprochen wird, scheint unglaubwürdig. Das zeigt nicht zuletzt die kursorische Lektüre einiger Wortmeldungen von Synodalen im Vorfeld der Synode. Berichte aus der Aula bestätigen das.
Nicht anders dürfte es bei moraltheologischen und anthropologischen Fragen sein. Vieles lag schon während vergangener Synoden auf dem Tisch, die bekanntermaßen eine ganz andere Arbeitsweise hatten als diese. Mit Blick auf die neue Arbeitsweise der Synode stellt sich jedoch die Frage, ob es dabei zu einem tatsächlichen Austausch der Argumente kommt, oder Meinungen lediglich in den Raum gestellt werden. Der Ablauf der Synode sieht vor, gegensätzliche Positionen nebeneinander stehen zu lassen, wie das auch schon in den vorbereitenden Texten der Versammlung der Fall war.
Ob dieses Nebeneinander einer vom Papst geforderten Unterscheidung zuträglich ist, wird sich zeigen. Schon jetzt äußern Teilnehmende und Beobachter die Sorge, dass am Ende drängende Themen dem vielbeschworenen eigentlichen Thema der Synode – der Synodalität – zum Opfer fallen könnten. Dann hätte das Erwartungsmanagment der Verantwortlichen die Wirklichkeit erfolgreich eingeholt.