Standpunkt

Jede Kirche muss ein Safe Space für Jüdinnen und Juden werden

Veröffentlicht am 20.10.2023 um 00:01 Uhr – Von Volker Resing – Lesedauer: 

Bonn ‐ Menschen jüdischen Glaubens sind in Deutschland nicht mehr sicher. Eine schreckliche Nachricht, kommentiert Volker Resing. Er plädiert für mehr gesellschaftlichen Einsatz gegen Antisemitismus – und sieht auch die Kirche in der Pflicht.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Juden und Jüdinnen sind in Deutschland nicht mehr sicher. Das ist die wohl schrecklichste Nachricht, die sich fast 80 Jahre nach dem Holocaust denken lässt. In der Woche nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel gab es einen sprunghaften Anstieg antisemitischer Vorfälle in Deutschland, das teilt der Verbund "Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus" (Rias) mit. Allein zwischen dem 7. Oktober und 15. Oktober seien 202 Taten dieser Art bekannt geworden, rund dreieinhalb Mal so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Zuletzt wurden eine Synagoge und ein Gemeindezentrum in Berlin angegriffen.

Berlins Erzbischof Heiner Koch verurteilte jeglichen Applaus für den Terror der Hamas und jeden Angriff auf jüdische Einrichtungen. "Wir stehen im Gebet und Solidarität an der Seite unserer jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn." Doch reicht das? Machen wir uns wirklich klar, dass sich fundamental etwas verändert. Die vielen christlich-jüdischen Gesprächskreise, die historischen Aufarbeitungsdiskussionen und Beteuerungen der christlich-jüdischen Aussöhnung haben sich zumeist auf unseren Bewusstseinswandel, auf Antijudaismus und Antisemitismus in unseren eignen Köpfen, Theologien und Organisationen bezogen. Das war und ist richtig und wichtig.

Doch nun muss sich unsere Freundschaft zu unseren "älteren Geschwistern im Glauben" noch mehr und verstärkt durch Taten und Handeln in unserem Alltag erweisen. Juden und Jüdinnen leben in unseren Städten, mitten unter uns. Kennen wir sie, kennen wir ihre Bedrohungslage, ihre Ängste? Wissen sie, dass sie sich auf uns verlassen können, dass wir ihnen beistehen?

Nicht nur die Polizei und die Sicherheitsbehörden, die Gesellschaft allgemein, wir Christen, jede christliche Gemeinschaft, jede Gemeinde, jedes Bistum muss jetzt anfangen zu überlegen, wie Deutschland wieder zu einem sichereren Ort für Juden und Jüdinnen werden kann. Was können wir tun? Jede Kirche in Deutschland muss ein Safe Space für Jüdinnen und Juden werden. Lasst uns das an unsere Türen und Pforten schreiben: Bei uns seid ihr willkommen, bei uns seid ihr sicher!

Von Volker Resing

Der Autor

Volker Resing leitet das Ressort "Berliner Republik" beim Magazin "Cicero".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.