Mit Beschluss der Synodalversammlung sei "neues Kapitel aufgeschlagen"

Kranemann: In der Kirche derzeit "Momentum" für Segensfeiern

Veröffentlicht am 23.11.2023 um 11:49 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg/Erfurt ‐ Der Synodale Weg hat den Auftrag dafür gegeben, Vorlagen für Segensfeiern für alle sich liebenden Paare zu erarbeiten. Für den Erfurter Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann passt das in die "Dynamik der Liturgiegeschichte".

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Aus Sicht des Erfurter Liturgiewissenschaftlers Benedikt Kranemann gibt es in der Kirche derzeit ein "Momentum" für die Erarbeitung einer Handreichung zu Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare. "Viele Klärungen in der Sache liegen vor. Man kann auf Erfahrungen in vielen Teilen der Weltkirche und verschiedenen Denominationen zurückgreifen", bilanziert Kranemann in einem Gastbeitrag für die "Herder Korrespondenz" (Dezember-Ausgabe). Mit dem Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann habe nun auch ein Bischof die Seelsorgerinnen und Seelsorger seines Bistums zu solchen Feiern ermutigt. "Die Diskussion innerhalb der wissenschaftlichen Theologie zu grundsätzlichen Fragen von Homosexualität hat die Sicht auf die entsprechenden biblischen Referenztexte verändert, zu einer kritischen Sicht auf das entsprechende Handeln der Kirche in der Geschichte beigetragen und die Spannung zwischen humanwissenschaftlichen wie theologischen Erkenntnissen einerseits und kirchenamtlicher Lehre andererseits verdeutlicht."

Für Kranemann liegt die Entwicklung neuer Segensfeiern ohnehin in der "Dynamik der Liturgiegeschichte" begründet. "Das vermeintliche Ausgegrenztsein gleichgeschlechtlicher Paare von der Heilszusage Christi ist theologisch nicht zu halten und wird in Kirche und Theologie in Deutschland weithin nicht mehr geteilt, was auch eine Frage des sensus fidelium ist", schreibt er. "Das Zu- und Ineinander der unterschiedlichen Feiern sollte in der Theologie deutlicher herausgearbeitet werden, statt das Trennende in den Vordergrund zu stellen."

"Liturgie mit Qualität" sei man Paaren schuldig

Kranemann bezieht sich auf den Handlungstext der Synodalversammlung, die mit großer Mehrheit beschlossen hatte, dass Vorlagen für Segensfeiern für alle sich liebenden Paare erarbeitet werden sollten. Folge die Kirche in Deutschland diesem Beschluss, werde "ein neues Kapitel aufgeschlagen", schreibt der Liturgiewissenschaftler. Ein solcher bei einer innerkirchlichen Versammlung beschlossener und von vielen Bischöfen mitgetragener Beschluss sei laut Kranemann noch vor wenigen Jahren unvorstellbar gewesen. "Dahinter liegt ein langer Lernprozess, von mutigen Seelsorgerinnen und Seelsorgern angestoßen, die erhebliche berufliche Risiken auf sich genommen haben." Als Beispiel nennt der Liturgiewissenschaftler unter anderem die Initiative "Out In Church".

Dass der Beschluss der Synodalversammlung vorsehe, dass nur Ordinierte und beauftragte Personen betraut werden könnten, wertet Kranemann als Signal dafür, dass es bei solchen Feiern nicht um eine Privatveranstaltung gehen solle, sondern um eine Liturgie, die die gesamte Kirche betreffe. "Sie birgt Konsequenzen für das Selbstverständnis der Kirche, ihr Leben und ihren Glauben und damit auch für ihre Lehre". Aus dem Verborgenen werde diese Liturgie "in die ekklesiale Öffentlichkeit geholt". Die Kirche stelle sich damit hinter Menschen, die bislang nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Gesellschaft mit Vorurteilen zu tun gehabt hätten. "Liturgie mit Qualität, mit der sich die Kirche positioniert: Das ist man den Paaren angesichts einer langen Geschichte der Unterdrückung zumindest schuldig." Aus seiner Sicht, so Kranemann, wäre es zu begrüßen, wenn nach einer Erarbeitung und Erprobung die Texte und Riten längerfristig in ein liturgisches Buch einflössen, "mit dem sich die Kirche noch mehr und öffentlich auf diese Liturgie verpflichten würde". (cbr)