Es lohnt, die alte Geschichte von Weihnachten weiter zu erzählen
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Weihnachtsfeiern haben mit Weihnachten nichts oder fast nichts mehr zu tun. Glühwein trinken, fettig essen und über den Chef lästern. Das muss auch mal sein, nichts dagegen. Manch einer findet sogar für sich in Beisammensein, Säuselmusik und Sternenglitzer doch noch den frommen Bogen zur frohen Botschaft. Gott ist Mensch geworden, wahrer Mensch – alles ganz menschlich.
Weihnachten ist längst umfassend säkularisiert. Krippen verschwinden selbst von den Wintermärkten (früher Adventsmärkte), Engel werden seltener, allein der Stern muss noch in nun weltlicher Funktion für gemütliches Dämmerlicht sorgen. Wegweiser zum Heiland ist er zumeist schon lange nicht mehr.
Die "Bild"-Zeitung empörte sich neulich darüber, dass eine Kindertagesstätte auf den Weihnachtsbaum verzichtet hat. Im Sinne der Religionsfreiheit solle es keine Betonung des Christlichen mehr geben, so der Bildungsträger. Das ist eine doppelte Absurdität. Zum einen versteht kaum einer noch den Weihnachtsbaum als etwas explizit Christliches, zum anderen ist die Empörung des Blattes bigott, denn was weiß die "Bild" schon von Weihnachten.
Die "Weihnachtsfeier" des Boulevardblatts fand neulich über drei Etagen im Axel-Springer-Hochhaus statt, wie auf Social-Media-Kanälen stolz präsentiert wird. Eingeladen wurde zur Kostümparty, Thema: die 20er Jahre. Eine Etage war zur Berghain-Disco umgebaut, ansonsten gab es Flipperautomaten, Lautsprecher und Getränkekühlschränke. Ein leitendes Vorstandsmitglied kam noch mit so was wie einem Zorro-Umhang, wird gemunkelt, und eine der Akteure war als Weihnachtsbaum verkleidet, was in Filmchen zu bewundern ist. Das ist die kulturelle Aneignung der hedonistischen Art. Vielen Dank auch für die Verteidigung des Abendlandes!
Neulich hat die "Letzte Generation" Weihnachtsbäume mit Farbe beschmiert. Das ist dämlich und unerträglich. Auch darüber hat sich "Bild" beschwert. Dabei machen sie mit ihrer selbstverliebten Feier genau das gleiche.
Für Christen und Christinnen gibt es eine doppelte Gefahr, sie können sich in co-zynischer Anpassung selbstverzwergen oder mit selbstgerechtem Kulturpessimismus zum frommen Scheinriesen aufbäumen. Weihnachten ist natürlich was ganz anderes, schon immer, immer wieder. Eine lächerliche, eine absurde Botschaft: die Liebe kommt in die Welt. Es lohnt, die alte Geschichte weiter zu erzählen. Auch wenn es manche nicht mehr hören können oder wollen.
Der Autor
Volker Resing leitet das Ressort "Berliner Republik" beim Magazin "Cicero".
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.