Bischof Oster: Liberale Kirche läuft Gefahr, sich aufzulösen
Der Passauer Bischof Stefan Oster hat die Kirche in Deutschland davor gewarnt, die Liberalisierungsprozesse der Gesellschaft mitzugehen. Die Kirche laufe Gefahr sich aufzulösen, wenn sie einem säkularen Verständnis von Freiheit folge, sagte Oster in einem Video-Interview, das am Mittwoch auf seinem privaten YouTube-Kanal veröffentlicht wurde. In Deutschland gebe es starke Bemühungen, die Kirche liberaler zu machen, besonders in moralischen Fragen und mit Blick auf das Geschlechterverhältnis, so der Bischof. "Meine Frage ist: Ist das das Verständnis von Liberalität, von Freiheit, das wir als Kirche wirklich haben?" Es werde oft kritisiert, dass die Kirche zu viele Regeln aufstelle, doch die kirchliche Morallehre sei der Rahmen, in dem Freiheit gelebt werden könne. Das Interview wurde bei der jährlichen Konferenz SEEK der Organisation "Fellowship of Catholic University Students" (FOCUS) aufgenommen, an der Oster teilnahm. Das Treffen mit laut Veranstaltern über 20.000 Teilnehmern fand in diesem Jahr vom 1. bis 5. Januar in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri statt.
"Hier erlebe ich eine Art der Freiheit, die wirklich aus der Begegnung mit Christus kommt", sagte Oster über die SEEK-Konferenz. Daran lasse sich ablesen, dass die an der Kirche kritisierten ethischen Regeln sekundär würden, wenn man zum Glauben gefunden habe. Bei dem Treffen von FOCUS werde deutlich, dass Menschen von Verletzungen und Zwängen befreit würden, wenn sie in die Freiheit hineingefunden hätten, die von Christus stamme. Diese Freiheit sollte die Kirche suchen und nicht die Liberalität der Gesellschaft, so der Bischof. Beeindruckt habe ihn bei der Konferenz vor allem "die Qualität der Beichten der jungen Menschen". Man spüre, dass sie eine echte Sehnsucht hätten und auf der Suche seien: "Das ist wirklich ein Highlight."
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Bei SEEK habe das Thema "Freundschaft mit Christus" im Zentrum gestanden, was in der vom Volkskatholizismus geprägten Kirche in Deutschland nicht so sehr der Fall sei, sagte Oster. "Was erfrischend ist: Hier geht es nie zuerst um Kirchenpolitik." Die Themen, die in der Kirche in Deutschland als "heiße Eisen" bezeichnet würden, seien zwar auch bei der Konferenz vorhanden, jedoch als Nebenthemen. Diese Fragen würden dort in einem tiefen Vertrauen auf den Glauben der Kirche und ihre Überlieferung erörtert. "Deswegen habe ich das Gefühl, hier machen sich nicht so viele Menschen solche Sorgen wie bei uns." Bei dem Treffen sei man "sehr selbstverständlich und sehr gerne katholisch".
Oster nehme große Ermutigung und einen "neuen Spirit" mit nach Deutschland. "Wir erleben in unserer Kirche ganz viel Abbau." Vieles funktioniere nicht mehr und es gebe kaum Berufungen in den deutschen Diözesen und Ordensgemeinschaften. Die Missionare von FOCUS könnten die Kirche hierzulande mit ihrem Ansatz bereichern, die jungen Menschen an den Universitäten in Bibelkreise einzuladen und sie zur Jüngerschaft zu befähigen. Wenn es in Deutschland einen Bibelkreis gebe, sei es nicht selten so, dass die, die ihn vor 30 Jahren gegründet haben, immer noch dabei seien und keine jüngeren Menschen, kritisierte Oster. Er habe vor, in Deutschland von seinen Erfahrungen bei SEEK zu erzählen, hoffe aber vor allem auf das Zeugnis der jungen Menschen, die mit ihm in die USA gereist waren. Laut Angaben des Bistums Passau begleiteten über 20 Studierende, Priester und FOCUS-Missionare Oster bei seiner Reise. Auch der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki war mit einer Delegation aus seinem Erzbistum bei der Konferenz in St. Louis.
FOCUS wurde 1997 mit dem Ziel gegründet, katholische Studierende an den Hochschulen und Universitäten in den USA in ihrem Glaubensleben zu unterstützen und zur Evangelisierung zu befähigen. Nach der Methode "Win, build, send" ("Gewinnen, aufbauen, senden") sollen junge Menschen für den katholischen Glauben begeistert und als Jünger ausgesandt werden. Der Organisation wird von ehemaligen Mitgliedern laut Medienberichten vorgeworfen, den katholischen Glauben zu traditionell und eng auszulegen. Den Teilnehmern der Bibelkurse werde demnach mitunter vermittelt, dass es nur einen einzigen Weg gebe, die eigene Beziehung zu Gott zu leben. In Deutschland sind FOCUS-Missionare derzeit in Passau und Düsseldorf aktiv. (rom)