Gehen Gremien in Deutschland und Lateinamerika in eine ähnliche Richtung?

Ein Vorbild? Statuten von Synodalem Rat und CEAMA im Vergleich

Veröffentlicht am 06.02.2024 um 00:01 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

Bonn ‐ Seit Anfang des Jahres geht der Blick Deutschlands immer wieder nach Südamerika: Vertreter des Synodalen Wegs ziehen derzeit Parallelen zwischen der dortigen Kirchenkonferenz CEAMA und dem hierzulande angedachten Synodalen Rat. Doch lassen sich beide Gremien vergleichen? Ein Blick in die Statuten.

  • Teilen:

Es liege auf der Hand, dass den Bischofskonferenzen und den kirchlichen Zusammenschlüssen vor Ort mehr Bedeutung zukommen müsse, schrieb der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, jüngst in einem Gastbeitrag. Darin zitiert er aus dem Zwischenbericht nach der ersten Sitzungsphase der Weltsynode, der die Notwendigkeit zur Förderung von Dezentralisierung und Zwischeninstanzen benennt. "Die Kirchenkonferenz CEAMA ('Conferencia Ecclesial de la Amazonía') in Südamerika ist ein gutes Beispiel für eine solche Zwischeninstanz", so Bätzing. Das 2020 gegründete Gremium, das Bätzing damit erneut in die Debatte einbringt, ist ein Kind der Amazonas-Synode und soll die von Papst Franziskus in "Querida Amazonia" aufgeworfenen Hoffnungen umsetzen. Hierzu beraten und entscheiden Bischöfe, Priester, Ordensleute, Indigene und Laien über die Grenzen von Bischofskonferenz hinaus. "Der Synodale Ausschuss in Deutschland und die noch zu entwickelnde Kirchenkonferenz, die unter der Bezeichnung 'Synodaler Rat' in der Diskussion ist, gehen in eine sehr ähnliche Richtung", so Bätzing.

Der DBK-Vorsitzende ist nicht der erste, der diese Analogie zwischen CEAMA und Synodalem Rat benennt. In einer Reaktion auf ein Interview des deutschen Kurienkardinals Walter Kasper schrieb der Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Söding, der Synodale Ausschuss habe unter anderem die Aufgabe, eine Satzung für eine Synodalversammlung zu entwickeln, die gemeinsame Verantwortung für grundlegende Fragen des Haushalts, der pastoralen Planung und personeller Entscheidungen übernehme. "In Lateinamerika gibt es das schon, mit päpstlichem Segen", so Söding. Aber inwiefern lassen sich die Statuten von CEAMA und dem Synodalen Ausschuss in Deutschland vergleichen?

Erste Aufgabe des Synodalen Ausschusses: der Synodale Rat

Tatsächlich ist der Synodale Rat der Kirche in Deutschland bisher lediglich geplant, als Weiterführung und Verstetigung des Synodalen Wegs, der sich als Reaktion auf zahlreiche Missbrauchsfälle ab 2019 unter anderem mit der priesterlichen Lebensform, der Rolle von Frauen, der Sexualmoral sowie mit der Kirchenhierarchie beschäftigte. Hier entschieden Bischöfe und Laien gemeinsam, wenn auch die Oberhirten eine Sperrminorität zugesprochen bekamen. Der bereits gegründete Synodale Ausschuss hat von der Synodalversammlung die Aufgabe bekommen, bis März 2026 die Einrichtung eines Synodalen Rates vorzubereiten. Diese Aufgabe ist so zentral, dass sie in der Satzung des Synodalen Ausschusses als erste genannt wird. Grundlage soll der Handlungstext "Synodalität nachhaltig stärken: Ein Synodaler Rat für die katholische Kirche in Deutschland" sein, der im September 2022 von der Synodalversammlung verabschiedet wurde. Aber auch Satzung und Geschäftsordnung des Synodalen Ausschusses wurden bisher lediglich von der ZdK-Vollversammlung verabschiedet. Eine Zustimmung durch die DBK steht noch aus. Diese soll bei der anstehenden Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe in Augsburg erfolgen. Die CEAMA ist da schon weiter: Ihre Statuten stehen fest – und das sogar mit römischem Placet. Ein Brief aus dem Bischofsdikasterium vom 3. Oktober 2022 hält fest, dass der Papst die Statuten "mit der Gnade der göttlichen Vorsehung" geprüft und genehmigt habe – für drei Jahre und vorerst versuchsweise.

Ein Mensch blättert im Papst-Schreiben "Querida Amazonia"
Bild: ©KNA/Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani

In seinem nachsynodalen Schreiben "Querida Amazonia" hat Papst Franziskus die Idee der Synode, eine Kirchenkonferenz für den Amazonas einzurichten, aufgegriffen. So wurde die CEAMA eingerichtet.

Die amazonische Kirchenkonferenz geht auf die Amazonassynode 2019 zurück. In seinem nachsynodalen Schreiben "Querida Amazonia" greift Franziskus den Vorschlag auf, ein "bischöfliches Organ zu schaffen, das die Synodalität zwischen den Kirchen der Region voranbringt" und das den Evangelisierungsauftrag weiterverfolge. "Dieses Organ könnte als Bindeglied fungieren, um auf kontinentaler und internationaler Ebene kirchliche und sozialökologische Netzwerke bzw. Initiativen miteinander zu verknüpfen." (QA 115)

CEAMA setzt auf "brüderliche Beziehungen" zu Bischofskonferenzen

Das schlägt sich auch in den CEAMA-Statuten nieder, die katholisch.de vorliegen. In der Präambel wird die "brüderliche Beziehung" zu anderen kirchlichen Institutionen und Einrichtungen betont. Als konkrete Aufgaben der Kirchenkonferenz formulieren die Statuten, die Vorschläge aus "Querida Amazonia" zu sammeln und nutzbar zu machen, Evangelisierungsprojekte vorzuschlagen, zu koordinieren und zu leiten, ein Netzwerk aus kirchlichen und sozial-ökologischen Initiativen aufzubauen und "gemeinsam mit den Teilkirchen die sich abzeichnenden Probleme in dem Gebiet zu untersuchen, um Kriterien und Vorschläge für pastorale Maßnahmen in der gesamten Region zu erarbeiten".

Der Synodale Rat in Deutschland soll laut dem bereits erwähnten Handlungstext dagegen über wesentliche Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft beraten und auf dieser Basis "Grundsatzentscheidungen von überdiözesaner Bedeutung zu pastoralen Planungen, Zukunftsfragen der Kirche und Finanz- und Haushaltsangelegenheiten der Kirche" entscheiden, die nicht auf diözesaner Ebene entschieden werden müssen. Die bereits veröffentlichte Satzung des Synodalen Ausschusses nennt neben der Einrichtung des Synodalen Rates eine Verständigung über den Begriff der Synodalität und die Evaluation, Weiterentwicklung und Entscheidung über die Texte und Initiativen des Synodalen Wegs als Aufgabe. Während die CEAMA sich also vor allem auf Evangelisierung und pastorale Aktionen fokussiert, fokussieren sich Synodaler Ausschuss und Synodaler Rat in Deutschland eher auf strukturelle Fragen. Dabei geht es schnell um Grundsätzliches, wie etwa die Mitbestimmung bei Finanzfragen, aber auch um Reformen mit überdiözesaner oder weltkirchlicher Bedeutung. Gleichzeitig betont die Satzung: "Ergebnisse der Abstimmungen des Synodalen Ausschusses entfalten von sich aus keine Rechtswirkung." Die Vollmachten von Bischofskonferenz und Diözesanbischöfen bleiben rechtlich folglich unberührt.

Synodaler Rat und Synodaler Ausschuss: Was mit den Gremien gemeint ist

Der Synodale Weg ist nicht befugt, einen Synodalen Rat einzurichten. Und die Bischöfe müssen sich nicht an einem Synodalen Ausschuss beteiligen. Das hat der Vatikan mit seinem Brief klargestellt. Aber was hat es mit diesen Gremien auf sich? Katholisch.de erklärt die Hintergründe.

Stichwort Abstimmung: Das Recht auf Mitgliedschaft am Synodalen Ausschuss haben die 27 Mitglieder des Ständigen Rates der DBK (wobei nicht alle Bischöfe dieses Recht auch wahrnehmen), 27 vom ZdK gewählte Mitglieder sowie 20 von der Synodalversammlung gewählte Personen. All diese Mitglieder besitzen auch ein Stimmrecht. Bei Schlussabstimmungen ist eine Zweidrittelmehrheit aller Mitglieder erforderlich. Eine zweite Zweidrittelmehrheit der Bischöfe, die es noch bei den Synodalversammlungen gegeben hat, ist nicht mehr vorgesehen.

Mitglieder der CEAMA sind jeweils ein Vertreter der Laien, der indigenen Völker, der Bischöfe, der Orden sowie ein Priester oder Diakon aus den sieben Bischofskonferenzen des Amazonas-Gebiets. Dazu kommt jeweils ein Delegierter des kirchlichen Amazonas-Netzwerks REPAM, der lateinamerikanischen und karibischen Bischofskonferenz CELAM und der Konföderation der Ordensmänner und -frauen sowie der Caritas. Für Abstimmungen braucht es auch hier eine Zweidrittelmehrheit. Weitere Einschränkungen – etwa eine bischöfliche Sperrminorität – werden in den Statuten nicht konkret erwähnt. Hier gibt es also durchaus eine Analogie zum Synodalen Ausschuss. Auch sonst ähnelt sich die in den Statuten beschriebene Arbeitsweise. Beide Gremien sehen zum Beispiel Kommissionen vor, die zu bestimmten Themen arbeiten und in die Expertinnen und Experten berufen werden können.

Wesentlicher Unterschied schon in der Genese begründet

Auch wenn Abstimmungsbedingungen gleich zu sein scheinen, sollte man allerdings nicht außer Acht lassen, dass der Anteil der abstimmenden Laien beim Synodalen Ausschuss höher ist als bei der CEAMA. Das zeigt sich auch an der hierarchischen Organisation der Kirchenkonferenz. So ist der einzige Präsident an der Spitze der CEAMA ein Bischof. Orden, Presbyterium, Laien und Indigene stellen jeweils einen Vizepräsidenten. Allerdings wählt die Versammlung das Präsidium für eine Amtszeit von vier Jahren, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Als gleichberechtigte Präsidenten des Synodalen Ausschusses sind – wie beim Synodalen Weg bisher – die Vorsitzenden von DBK und ZdK gesetzt. Im Synodalen Ausschuss gewählt werden lediglich die Vizepräsidenten, wobei hier laut Satzung auf Geschlechter- und Generationengerechtigkeit geachtet werden soll.

Ein wesentlicher Unterschied, der auch für die unterschiedliche römische Bewertung von Synodalem Rat und CEAMA verantwortlich sein dürfte, liegt aber nicht allein in den Statuten, sondern schon in der Genese der Gremien begründet: Die Amazonassynode 2019, die den Ursprung für die amazonische Kirchenkonferenz bildet, fand als außerordentliche Bischofssynode in Rom nach den vatikanischen Spielregeln statt. Der Synodale Ausschuss und der Synodale Rat sind dagegen als eine Verstetigung der Synodalversammlung gedacht. Auslöser für den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland ist der Missbrauchsskandal. Die Kirchenvertreter in Deutschland haben sich 2019 bewusst für ein kirchenrechtlich nicht definiertes Format und damit gegen eine Synode entschieden, bei der Thema, Zusammensetzung der Teilnehmenden sowie deren Kompetenzen vom Vatikan (mit-)bestimmt worden wären.

Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani

Nach dem Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe im November 2022 gibt es einen Austausch zwischen hohen Kurienvertretern und deutschen Bischöfen. Laienvertreter sind dabei zumindest öffentlich nicht beteiligt.

Und noch ein weiterer Unterschied wird deutlich, wenn man sich den Umgang der synodalen Gremien mit Briefen aus dem Vatikan anschaut: Das vatikanische Bischofsdikasterium hatte sich von der im Juni 2020 gegründeten CEAMA zunächst verunsichert gefühlt, erzählte der Kirchenkonferenz-Präsident Kardinal Pedro Barreto Jimeno dem "America-Magazine": "Sie wussten nicht, wie sie mit der Kirchenkonferenz des Amazonas umgehen sollten." Dann habe der damalige Bischofspräfekt Kardinal Marc Ouellet allerdings einen Brief an den damaligen Präsidenten, Kardinal Claudio Hummes, geschrieben, "in dem er die kanonische Zustimmung zu CEAMA mitteilte, uns aber gleichzeitig um eine Änderung des Statuts bat". Die CEAMA gehorchte und im überarbeiteten Statut wurde der kirchliche Charakter mehr hervorgehoben – und das Dokument erhielt prompt das dikasterielle und päpstliche Placet.

Kirchenkonferenzen statt Bischofskonferenzen?

Und der Synodale Weg? Eine ganze Reihe von kritischen Briefen aus Rom stießen in Deutschland auf wenig Gegenliebe. Kritiker werfen den Mitgliedern sogar vor, Eingaben aus Rom schlicht übergangen zu haben. So wird trotz vatikanischer Verbote an dem Plan festgehalten, einen Synodalen Rat einzurichten – zum Beispiel mit dem Verweis, dieser werde sich im Rahmen des Kirchenrechts bewegen und der Synodale Ausschuss werde durch Vatikanschreiben nicht verboten. Nach der zwischenzeitigen kommunikativen Eiszeit gibt es seit dem Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe im November 2022 mittlerweile immerhin einen regelmäßigen Austausch zwischen hochrangigen Kurienvertretern und Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz. Zumindest öffentlich sind dabei aber bisher keine Laien eingeladen – obwohl sie den Synodalen Weg gleichberechtigt mittragen.

In seinem Interview sagte Kardinal Barreto bereits voraus, dass Bischofskonferenzen sich in Zukunft in Kirchenkonferenzen verwandeln müssten. Ähnlich äußerte sich auch die in Südamerika lebende Ordensfrau Birgit Weiler jüngst in einem katholisch.de-Interview. "Ich hoffe, dass Kirchenkonferenzen mit der Zeit Bischofskonferenzen ersetzen werden. Das wäre für mich konsequent synodal." Ob das auch in Deutschland passieren wird, wird erst die Zukunft zeigen.

Von Christoph Brüwer