Sakramenten-Papier: Theologe kritisiert "mittelalterliches Denken"
Die am Samstag vom Vatikan veröffentlichte Erklärung über die Gültigkeit der Sakramente "Gestis verbisque" ("Durch Gesten und Worte") beruht nach Ansicht des italienischen Liturgiewissenschaftlers Andrea Grillo auf mittelalterlichem Denken. In einem offenen Brief an den Glaubenspräfekten, Kardinal Víctor Fernández, kritisierte Grillo in der italienischen Zeitschrift "Munera" (Montag) das Beharren auf Formeln bei gleichzeitiger Gleichgültigkeit gegenüber Riten und Kontexten.
Das Konzil von Trient, so der Liturgiewissenschaftler, habe eine Unterscheidung eingeführt, die ihren Ursprung im scholastisch-thomistischen Denken habe und die "Wirklichkeit der Taufe und aller anderen Sakramente in zwei Teile" aufteile, einerseits in den "notwendigen inhaltlichen Kern" und andererseits in die "rituelle und zeremonielle Artikulation". Diese Teilung habe das kirchliche Denken stark geprägt: "Die Art der Feier, die Art des Denkens und Handelns im Katechismus, die Ausbildung der Priester, die Gestaltung von Taufbecken, Beichtstühlen und Kirchen hängen weitgehend von dieser 'großen Teilung' ab", betont Grillo. Er kritisiert unter anderem die Kompetenzverteilung innerhalb der römischen Kurie, die tief von dieser Spaltung geprägt sei. Das Glaubensdikasterium kümmere sich um die "wichtigen Formeln", während die Riten dem Gottesdienstdikasterium unterstehen und "als weniger wichtig angesehen werden".
"Verbale und rituelle Form" bei Sakramenten wichtig
Für den Liturgiewissenschaftler, der seit 1994 Sakramententheologie und Religionsphilosophie am Päpstlichen Athenäum Sant’Anselmo in Rom lehrt, ist die Theorie, dass "Christus allein durch die Formel vermittelt wird", schwach – "sowohl theologisch als auch rechtlich". Neben den Worten der Formel gäbe es bei den Sakramenten noch andere Worte, die gesprochen werden, wie die Schriftworte, das gemeinsame Gebet und die Predigt.
Grillo weist daher auf die Gefahr der Gleichgültigkeit gegenüber dem Kontext hin, die zu "schwerwiegenden Missverständnissen und Absurditäten" führen könne. "Wenn wir unsere ganze Energie auf die Einhaltung der etablierten Formel konzentrieren – und dagegen ist erstmal nichts einzuwenden – besteht die Gefahr, dass wir uns nur noch um die exakte Formel kümmern und in allem anderen extrem nachlässig werden". Und weiter: "Warum um alles in der Welt muss bei einer Taufe die Formel immer gewährleistet sein, wenn das Wasser auf einen einzigen Tropfen reduziert werden kann?" Der italienische Theologe fordert deshalb eine Konzentration auf die gesamte "verbale und rituelle Form" der Taufe und aller Sakramente.
In der am Samstag veröffentlichten Erklärung des Vatikan fordert der Präfekt des Glaubensdikasteriums die strikte Einhaltung der vorgegebenen Formel bei Taufe und allen anderen Sakramenten. Eine Änderung der Formel sei ein "schwerwiegender und unerlaubter Akt". Bei den Gottesdiensten hätten die Geistlichen einen gewissen Spielraum, bei den Sakramenten müssten die Vorschriften eingehalten werden. Als Beispiel wurde die vorgeschriebene Taufformel "Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" genannt. Veränderungen führten zu ungültigen Taufen, die wiederholt werden müssten. (mtr)