Quadratur des Kreises: Vatikanische und deutsche Synodalität
Mit anderthalb Seiten Brief brachte der Vatikan am Wochenende die Tagesordnung der deutschen Bischöfe durcheinander. In einem Brandbrief stoppte Rom die deutschen Synodalitäts-Bestrebungen und verhinderte die Abstimmung über die Statuten des Synodalen Ausschusses. Doch wo liegt das Problem zwischen DBK und Vatikan und bringt die Weltsynode im Oktober eine Lösung?
Mit deutlichen Worten ließ Papst Franziskus am Freitag den deutschen Bischöfen durch drei Kurienkardinäle mitteilen, dass sie die Einrichtung eines Synodalen Ausschusses zu unterlassen haben. In ihrem Brief erinnerten die Kardinäle Parolin, Prevost und Fernandez an das vatikanische "Nein" von 2023. Damals verwies der Vatikan auf die Rolle des Bischofs, die durch die in Deutschland geplante Partizipation von Laien gefährdet würde. Die für diese Woche geplante Abstimmung über die Satzung des Synodalen Ausschusses, zur Vorbereitung dieses Synodalen Rates, wäre folglich ein Widerspruch zur päpstlichen Weisung und würde den Papst "einmal mehr vor vollendete Tatsachen stellen", so die Kirchenfürsten in ihrem neusten Brief. Bischöfe und Laien sollten in diesem Gremium gemeinsam Grundsatzentscheidungen von überdiözesaner Bedeutung treffen – beispielsweise über die pastorale Planung, über Zukunftsfragen oder Haushaltsangelegenheit der Kirche in Deutschland. Der Synodale Ausschuss sollte diesen Rat bis 2026 vorbereiten. Als Grundlage sollte der Handlungstext "Synodalität nachhaltig stärken: Ein Synodaler Rat für die katholische Kirche in Deutschland" dienen, der im September 2022 von der Synodalversammlung verabschiedet wurde. Satzung und Geschäftsordnung wurden im Winter 2023 erarbeitet und schon von der ZdK-Vollversammlung verabschiedet.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken wurde während des Synodalen Weges in Frankfurt und danach nicht müde zu betonen, dass es ihm bei der Kirchenreform um gemeinsame Beratung und Entscheidung gehe. Darunter wollte man es nicht machen. "Ist es etwa göttlichen Rechtes, dass Bischöfe durchregieren?", fragte ZdK-Vize Thomas Söding im Januar 2023. Ein Blick ins geltende Kirchenrecht zeigt: Ja, ist es. "Kraft göttlicher Anordnung" gibt es in der Kirche Kleriker und Laien, steht dort. Die einen leiten und lehren, die anderen haben zu folgen – so will es das Kirchenrecht. Dementsprechend betonen vatikanische Verlautbarungen zur Synodalität immer wieder, welche Rolle wem in der Kirche zukomme. Entscheidungen können nach Kirchenrecht also gemeinsam von Klerikern und Laien gefunden werden, beschlossen werden sie jedoch ausschließlich von Geweihten. Diese standesspezifischen Handlungsoptionen durchziehen jedes Handeln innerhalb der katholischen Kirche. An diese Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils erinnerte der Vatikan im Januar 2023 die deutschen Bischöfe: Durch die Bischofsweihe komme allein den Bischöfen zu, "'in hervorragender und sichtbarer Weise die Aufgabe Christi selbst, des Lehrers, Hirten und Priesters, inne[zu]haben und in seiner Person [zu] handeln'" (LG 21). Die Grenze zwischen Entscheidungsfindung und Entscheiden wird durch die Weihe gezogen.
In gleicher Diktion meldete sich nun der Wiener Kardinal Christoph Schönborn zu Wort. "Das Bischofsamt […] ist mit einer Vollmacht ausgestattet, die mit dem Weihesakrament gegeben ist. Deshalb kann es nicht angehen, dass gemischt besetzte Gremien und deren Mehrheitsvoten über das künftige Geschick der Kirche bestimmen", so Schönborn. Wer den Bischof als ausführendes Organ synodaler Mehrheitsbeschlüsse ansehe, läge einem Irrtum auf. Die freiwillige Selbstbindung der Bischöfe an Beschlüsse von Synodalen Räten sei unvereinbar mit dem Bischofsamt, so Schönborn.
Die synodalen Partizipationsversuche in Deutschland stellten das Grundverständnis von Kirche in Frage, sagt Schönborn. Hier werde ein Kernpunkt der kirchlichen Verfassung berührt. Es bestehe die Gefahr eines Schismas. Seine langjährige Erfahrung als Bischof mache ihm bewusst, dass diese Haltung "etwas kulturell Widerständiges ist". "Hier ragt eine Dimension in das Tagesgeschäft herein, die nicht abgeleitet werden kann von den heute gesellschaftlich bestehenden politischen Machtverhältnissen." Daher mache der Papst gerade nur seinen Job, denn: "Die erste Aufgabe des Papstes ist es ja, den Glauben der Kirche zu lehren und zu schützen." Dabei gehe es nicht um die Macht der römischen Zentrale gegen die Macht der Ortskirchen, sondern um die Einheit im Glauben.
Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing stimmte zum Auftakt der DBK-Vollversammlung in Augsburg seinem Wiener Amtsbruder grundsätzlich zu. Jedoch warnte er: "Es darf doch niemand so tun, als stehe das Bischofsamt unhinterfragt in der Mitte der katholischen Kirche." Ziel der deutschen Synodalitäts-Überlegungen sei es, das Bischofsamt neu zu verwurzeln, so Bätzing. Durch verbindliche Beratungen mit Laien könnten Bischöfe nur gewinnen. Man wolle "in keiner Weise" die Autorität des Bischofs begrenzen: "Wir wollen sie auf einen neuen Boden stellen, denn die Autorität des Bischofs ist angezählt durch den Missbrauchsskandal." Der DBK-Chef verwies auf die Weltsynode, auch dort diskutiere man über decision making und decision taking – also die Entscheidungsfindung (decision-making) und das Fällen von Entscheidungen (decision-taking). Eine einhellige Lösung habe man bei der ersten Versammlung im Oktober 2023 noch nicht gefunden.
Synodalität: Papst, Bischöfe und die Entscheidungskompetenz
Die Bischofssynode zur Synodalität sorgte schon für einigen Wirbel. Nicht zuletzt, weil strittig ist, wer über was entscheiden oder nur beraten soll. Welche Rolle spielen also die Bischöfe? Ein Blick in das vatikanische Synodalitäts-Denken.
Tatsächlich thematisiert das Synthese-Papier der ersten Weltsynoden-Vollversammlung immer wieder Fragen, die eng mit der Einrichtung eines Synodalen Rates in Deutschland zusammenhängen. So soll laut dem Papier die kirchliche Entscheidungsfindung "in differenzierter Mitverantwortung" besprochen werden. Es hält fest, dass im Hinblick auf Formen der Dezentralisierung ein gemeinsamer Rahmen gefunden werden müsse, "in dem alle beteiligten Akteure und ihre Rollen bestimmt werden". Dabei sei die Beteiligung den verschiedenen Rollen nach zugestalten. Damit spielt das Papier auf die spezifische, von Geschlecht und Stand abhängige Art und Weise des Handelns in der Kirche an. Dieses Konzept ist der Kern der amtlichen Synodalitätsvorstellung.
Die Bischöfe – so schlägt es das Dokument vor – sollen "die Beteiligung 'aller' Gläubigen dank des Beitrags 'einiger', die direkter in die Unterscheidungs- und Entscheidungsprozesse eingebunden sind (Gremien der Beteiligung und Leitung)" fördern. Hierbei geht es um Konsultationsgremien, deren Beratung in der Regel jedoch keine Bindekraft für Kleriker haben. Folglich hält das Synthesepapier fest, dass stets zwischen dem "Beitrag aller Mitglieder des Volkes Gottes zur Entscheidungsfindung und der spezifischen Aufgabe der Bischöfe zu unterscheiden" sei. An anderer Stelle schlägt das Synthesedokument allerdings explizit rechtlich festgelegte Rechenschaftspflichten der Bischöfe über ihre Handlungen vor.
Bringt die Weltsynode Kirchenrechtsänderung?
Eine explizite Kirchenrechtsänderung spricht das Synthese-Papier der Weltsynode mit Blick auf die Beteiligung von Frauen an: "Es ist dringend notwendig, dafür zu sorgen, dass Frauen an Entscheidungsprozessen teilnehmen und verantwortungsvolle Aufgaben in der Pastoral und im Dienst übernehmen können. Der Heilige Vater hat die Zahl der Frauen in verantwortlichen Positionen in der Römischen Kurie deutlich erhöht. Das Gleiche sollte auf anderen Ebenen des kirchlichen Lebens geschehen. Das Kirchenrecht muss entsprechend angepasst werden."
Am Montag betonte Bischof Bätzing in Augsburg, man plane in Deutschland nichts, was dem Kirchenrecht widerspreche. Doch die Spielräume für laikale Partizipation sind mit dem derzeit geltenden Kirchenrecht eng. Die jüngsten Einlassungen Kardinal Schönborns zur sakramentalen Rolle des Bischofs zeigen, wie dick die Bretter sind, die Bätzing sich vorgenommen hat. Es ist nichts weniger als die Quadratur des Kreises.