Standpunkt

"Cathedra Petri": Der Stuhl, an dem allenthalben gesägt wird

Veröffentlicht am 22.02.2024 um 00:01 Uhr – Von Oliver Wintzek – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Kirche begeht heute das Fest "Cathedra Petri". Doch der Stuhl päpstlicher Lehrautorität wackelt gehörig, kommentiert Oliver Wintzek. Der Kathedra könnten aber nur auf eine Art neue Beine verliehen werden.

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"Welcher Heilige hat vier Beine? – der Heilige Stuhl", so ein bekannter Kalauer. Diesen Stuhl hat das heutige Fest "Cathedra Petri" / "Petri Stuhlfeier" im Blick. Der Ursprung dieses Tages liegt in dem altrömischen Totengedenken; hier war der 22. Februar der Abschlusstag der sogenannten "Parentalia", einer Woche, in der man der verstorbenen Verwandten gedachte. Der Brauch, dabei einen Stuhl als symbolischen Platz der Verblichenen aufzustellen, wandelte sich zum Symbol päpstlicher Lehrautorität je mehr sich die römischen Bischöfe als Nachfolger Petri inszenierten – mit der Beanspruchung primatialer Macht. Der monumentale Kathedra-Altar von Bernini in der Apsis der Peterskirche in Rom kann als barocke Vollendung dieses Ideenfestes gelten: Flankiert von vier verzückten Kirchenvätern schwebt das gleißende Lehrautoritätsreliquiar aus der göttlichen Klarheit in die nach himmlischer Lehre lechzende Welt hernieder. Dass die überdimensionierte Bronzekathedra wohl den Krönungsstuhl Karls des Kahlen ummantelt, tut der wirkmächtigen Inszenierung keinen Abbruch.

Die heilige Theaterbühne, in deren Programmatik die Betrachter*innen verwickelt werden sollen, ist das eine. Das andere ist die epische Dimension, die zur kritischen Betrachtung anhält: Der Stuhl päpstlicher Lehrautorität wackelt gehörig – sägende Anfragen, souveränes Ignorieren, kopfschüttelnde Opposition, bissiges Besserwissen in Bezug auf manch unprofessionelle Überflüssigkeit oder wirrer Verworrenheit haben mittlerweile ein neues Ausmaß erreicht. Das päpstliche "Basta" wird zur Makulatur. Damit endet eine Ära – dies umso offensichtlicher, als die vormals papsttreue Phalanx der Reaktionären eifrig mitsägt. Ironie der Geschichte: Die "Indietristen" unterminieren damit ihre letzte Bastion und begeben sich nolens volens auf das Feld diskursiver Aushandlungspraxen. Hierbei werden schwerlich verzückt lehramtliche Endgültigkeiten von den päpstlichen Lippen gepflückt. Der wackelnden römischen Kathedra können nur dann neue Beine verliehen werden, so "Rom" wirklich hört und – lernt. Das wäre ein "Inoltrismus"!

Von Oliver Wintzek

Der Autor

Oliver Wintzek ist Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Katholischen Hochschule in Mainz. Zugleich ist er als Kooperator an der Jesuitenkirche in Mannheim tätig.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.