Als Helfer in Erfurt: "Wir sind das Gesicht des Katholikentags"
Der Dom ist geschlossen. Um ihn herumwimmelt es von Polizisten. In einem der Mannschaftswagen wartet ein Spürhund auf seinen Einsatz. Andere Hunde sind schon in der Kathedrale. Für den Gottesdienst am Samstagmittag hat sich hoher Besuch angekündigt – daher die Sicherheitsvorkehrungen.
Vor dem Dom steht Moritz Brandt. Er ist einer von vier "Objektleitern" am Erfurter Domhügel. In dieser Aufgabe verantwortet der Ehrenamtliche mit drei weiteren Kollegen die Organisation aller Veranstaltungen im Dom, der Severikirche und der dahinterliegenden Wiese. Er ist vor Ort der Ansprechpartner für die Polizei, das Bundeskriminalamt und das Landeskriminalamt. Während Brandt beständig Informationen aus dem Dom zur Durchsuchung und zu den nächsten Arbeitsschritten durchgefunkt bekommt, koordiniert er seine ehrenamtlichen Helfer auf dem Domberg. Sein Team von insgesamt rund 35 Personen arbeitet während des Katholikentags in drei Schichten von 7 Uhr bis kurz vor Mitternacht. Er selbst ist jeden Tag über die volle Zeit im Einsatz.
1.000 Helfer im Einsatz
Brandt ist einer von rund 1.000 ehrenamtlichen Helfern beim Katholikentag. Um den Hals trägt er ihr Erkennungszeichen: ein grünes Halstuch mit der Aufschrift "Ich helfe". Die Freiwilligen kommen aus dem gesamten Bundesgebiet. Aus Erfurt selbst haben sich rund 200 Personen als Katholikentagshelfer angemeldet.
Für seinen Job beim Katholikentag wurde Brandt in mehreren Treffen vorbereitet. "Kurz vor dem Katholikentag sind alle Objektleiter nach Erfurt gekommen", sagt er. An einem Wochenende haben sie sich mit Küstern, Priestern und anderen Ansprechpartnern der Veranstaltungsorte getroffen. So konnte Brandt sich auch eine erste Ortskenntnis vom Domberg erarbeiten. "Hier oben ist fast jede Veranstaltung voll", sagt er. Gerade alte Kirchen wie der Erfurter Dom kommen dann schnell an ihre Kapazitätsgrenzen, erklärt Brandt: "Die maximale Personenanzahl hängt nämlich nicht mit der tatsächlichen Sitzplatzkapazität zusammen, sondern mit möglichen Fluchtwegen." Alte Gemäuer seien besonders kompliziert – "sie haben einfach zu wenige Türen", fügt er hinzu.
Der Domberg ist auch der Einsatzort von Andreas Holzbeck (Bild oben). Der 33-jährige ist seit 2010 als Helfer bei Kirchen- und Katholikentagen aktiv. Für seinen Einsatz an den vier Tagen bekommt er ein kostenloses Katholikentags-Ticket, Unterkunft und Verpflegung. Auch die An- und Abreise wird für die Katholikentagshelfer bezahlt. "Das ist beim evangelischen Kirchentag zum Beispiel nicht so", sagt er. Ihn reizt vor allem das Gemeinschaftserlebnis unter den Helfern und die Möglichkeit "eine Großveranstaltung zu rocken". Als erfahrener Helfer weiß er, sich am Tag nicht zu viel vorzunehmen. Neben dem sechs- bis achtstündigen Dienst bleibe sowieso schon nicht viel Zeit für gemeinsame Stunden mit alten Bekannten, gibt er zu.
Eine besondere Beobachtung
"Den Weg weisen, für Ordnung sorgen und ein frohes Gesicht für den Katholikentag sein", so beschreibt er seine Aufgabe. Oder kurz gefasst: "Wir sind das Gesicht des Katholikentags." Die Entscheidung – außer bei Veranstaltungen mit besonderen Sicherheitsanforderungen – keinen professionell-uniformierten Sicherheitsdienst einzusetzen, sorge für einen ganz anderen Eindruck bei den Katholikentagsbesuchern, erzählt er. Man versucht sich auf Augenhöhe zu begegnen.
Bei seinem Dienst in Erfurt am Dom hat Holzbeck eine Beobachtung gemacht: "Wenn Säle überfüllt sind und wir mit dem Schild 'Halle überfüllt' davorstehen, haben nicht immer alle Leute Verständnis dafür." Manche ärgerten sich, weil sie extra gekommen seien, um eine berühmte Persönlichkeit zu treffen. "Wenn wir aber vor dem Dom mit dem Schild 'Dom überfüllt' stehen, haben die Leute viel mehr Verständnis und freuen sich sogar." Wenn er mit dem "Dom-überfüllt"-Schild vor der Kathedrale steht, dauere es meist keine drei Minuten bis ihn jemand fotografieren wolle, sagt er. Insgesamt seien 99 Prozent der Besucher freundlich und entspannt, resümiert er.
In seinem Dienst trifft Holzbeck immer wieder auch bekannte Persönlichkeiten. Backstage seien die meisten ganz entspannt. "Was ich beobachte, ist, dass je höher die Person in der Hierarchie steht, desto umgänglicher ist sie", sagt Holzbeck. Gerade Personen von der "mittleren Ebene, die vielleicht noch Karriere machen wollen", könnten aber durchaus anstrengend sein, verrät er.
Koordiniert werden die Ehrenamtlichen in der Helfendenzentrale im Schatten des Doms. Sie befindet sich im Erdgeschoss der Domsporthalle, in der es jeden Tag zwei warme Mahlzeiten für die Helfer gibt. Die Helferzentrale ist auch die erste Anlaufstelle für Helfer bei Fragen und Wünschen. "Wir sind für die kleinen Probleme im Alltag da", sagt Carolin Dominka vom Team der Helfendenzentrale. Die meisten Helfer, die sie betreuen, seien Einzelpersonen, sagt sie. Anmeldungen von größeren Gruppen würden in den vergangenen Jahren immer weniger. Das sei beim evangelischen Kirchentag anders, da sei die Helfer-Organisation viel mehr in der Jugendarbeit eingebunden. Das erklärt auch den Altersdurchschnitt der Helfenden: Dominka schätzt ihn auf 45-55 Jahre.
Aufgabe der Helfendenzentrale ist es auch, die Freiwilligen bedarfs- und fähigkeitsgerecht einzusetzen. "Bei der Anmeldung können die Helfer angeben, welche Präferenzen sie haben: Wollen sie eine sitzende Tätigkeit, wollen sie organisatorisch oder aktiv an den Hallen arbeiten", sagt Dominka. Man versuche alle Wünsche zu berücksichtigen. Wenn es dann doch einmal hakt oder eine Aufgabe nicht passt, können die Helfer in die Zentrale kommen und ihren Dienst tauschen.
Präventionsschulung, Führungszeugnis und besondere Einweisungen
Die Freiwilligen wurden im Vorfeld ihrer Arbeit über die wichtigsten Regeln in einem Zoom-Call informiert. "Natürlich war auch eine Präventionsschulung Teil der Ausbildung", sagt Dominka. Wer beim Katholikentag aktiv sei, müsse zudem eine Selbstverpflichtungserklärung für den Umgang mit Kindern unterschreiben. Wer höhere "Ämter' wie eine Objektleitung anstrebe, müsse zudem ein Führungszeugnis vorlegen. Wessen Arbeit besondere Anforderungen habe – zum Beispiel im Katholikentagslager, in dem Bierbänke, Hüpfburgen und mobile Beichtstühle gelagert werden – bekomme zudem eine besondere Arbeitssicherheitsschulung. Zudem gibt es für alle ein "Helfenden-Kompass" in dem wichtige Nummern für die Helfer, Seelsorgeangebote, Informationen zu unterschiedlichen Zugangsberechtigungen und Ausweisen abgedruckt sind. Auch ein Katholikentags-Helfer-Gebet findet sich darin.
Am Helfer-Desk arbeiten am Samstagmittag mehr als acht Personen. Gefragt, wie die Stimmung unter den Helfern sei, sind sie sich einig: "Obwohl das Wetter nicht optimal ist und es einige Probleme in den Unterkünften gibt, ist die Stimmung gelöster und lockerer als beispielsweise in Stuttgart." Da fast alle Helfer zweimal am Tag zum Essen in der Turnhalle im ersten Stock an ihrer Zentrale vorbeikommen, erreichten sie immer wieder Zwischenstände über die Stimmung in der Stadt. Sie haben den Eindruck, dass es in Stuttgart nicht so viele strahlende Gesichter gegeben habe.
Vom Essen kommen gerade Schwester Stephina Ghonsalves und Schwester Jovita Rodrigues in die Helferzentrale. Die beiden 'Missionsschwestern der Königin der Apostel' helfen auch als freiwillige Ordner mit. Schwester Jovita ist zum ersten Mal beim Katholikentag – ihre Mitschwester Stephnia ist seit rund 25 Jahren als freiwillige Helferin dabei. Damals sei sie gerade neu nach Deutschland gekommen und eine Mitschwester habe sie mitgenommen. Den Schwestern ist es wichtig, bei ihrem Ordnerdienst etwas von ihrem Glauben zu erzählen. "Viele Leute sehen uns und fragen, was wir für einen Habit tragen", sagt Schwester Stephina. So komme man schnell ins Gespräch. Gefragt, ob die Katholikentagsbesucher auf die Ordensfrauen anders reagieren als auf die anderen Helfer, sagt Jovita: "Ich glaube, sie haben schon etwas mehr Respekt. Aber keine Angst."
In diesem Jahr haben die beiden von 10 bis 17 Uhr Schicht. Da bleibe leider wenig Zeit für den Besuch von Veranstaltungen, geben sie zu. Heute haben sie aber frei bekommen, um eine Veranstaltung zu Kindergärten zu besuchen – das habe ihnen ihr Objektleiter erlaubt, weil sie in ihrem Kloster in einem Kindergarten arbeiten. Ein kurzer Blick auf die Uhr – dann laufen die beiden Ordensfrauen los. Nicht, dass sie noch vor verschlossenen Türen stehen. Das würde sie ärgern.