Standpunkt

Ein kleinerer Katholikentag muss nicht Selbstbespiegelung bedeuten

Veröffentlicht am 03.06.2024 um 00:01 Uhr – Von Stefan Orth – Lesedauer: 

Bonn ‐ Der Katholikentag wird kleiner. Stefan Orth sieht darin durchaus eine Gefahr. Doch Erfurt hat bewiesen, dass das Treffen selbst mit der Hälfte an Teilnehmern nicht nur Selbstbespiegelung sein muss – im Gegenteil, kommentiert er.

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Ob es in diesem Jahr nur am Wahlkampf für das Europäische Parlament oder auch für die anderen Wahlen lag? Die Ausgangsposition war jedenfalls eine ganz andere als noch vor zwei Jahren in Stuttgart, als nicht nur hinter vorgehaltener Hand über die Katholikentagsmüdigkeit der Politprominenz geklagt wurde. Nicht zuletzt wegen des Missbrauchsskandals schien es seinerzeit nicht mehr opportun zu sein, sich auf einer solchen Veranstaltung der katholischen Kirche in Deutschland zu zeigen.

Beim Katholikentag in Erfurt war das anders. Von den Regierungsparteien nutzen vor allem die SPD wie die Grünen die Veranstaltung als Bühne. Wo gibt es das schon, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und Vizekanzler Robert Habeck parallel auftreten? Vom Linken-Politiker und Ministerpräsidenten von Thüringen, Bodo Ramelow, war ohnehin zu erwarten, dass er als bekennender Fan des Formats Kirchentag den Besuch der Katholiken in der Landeshauptstadt begrüßen wird. Friedrich Merz ist immerhin am Beginn präsent gewesen und hat eine Abendveranstaltung für eine Grundsatzrede genutzt. Sie waren keinesfalls die einzigen.

Natürlich wird der Katholikentag kleiner, was in diesem Jahr zu einer spürbaren Straffung des Programms geführt hat. Er steht damit zunehmend in der Gefahr, nur zum Treffpunkt von Haupt- und besonders engagierten Ehrenamtlichen zu werden.

Der Katholikentag in Erfurt hat allerdings bewiesen, dass selbst Großtreffen auch mit der Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht nur Selbstbespiegelung sein müssten. Im Gegenteil: Selten haben so viele Politiker, die persönlich andere Überzeugungen haben mögen als viele der Besucher, die Veranstaltung gelobt. Weil sie wissen, dass es wenig Vergleichbares gibt, wo gesellschaftliche und ethische Fragen in einer – in der Regel – sehr sachlichen Atmosphäre konstruktiv diskutiert werden. Angesichts weiterhin absehbarer Schrumpfungsprozesse der beiden großen Kirchen ist das eine der guten Nachrichten aus Erfurt.

Von Stefan Orth

Der Autor

Dr. Stefan Orth ist Chefredakteur der Herder Korrespondenz.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.