Ein Ordensmann zwischen Pfarrgemeinde, Instagram und Ziegenstall
Wer das spätgotische Bauwerk der Wallfahrtskirche Klausen mit seinen hohen spitzen Fenstern von außen bewundern will, wird bereits auf dem Weg vom Besucherplatz zum Kirchportal von Hühnergackern und meckernden Ziegen begleitet. Eine hohe Mauer, die zwar die Kirche nicht verbirgt, aber den Klostergarten vor der Hauptstraße schützt, verdeckt auch den Blick auf die direkt neben der Kirche lebenden Tiere. "Padres kreuzen" warnt ein humoristisches Schild vor der Eingangstür zum Pfarrhaus, in dem der Dominikanerpater Albert Seul mit einem Mitbruder lebt. Hier lebt und arbeitet der Ordensmann, der als Pfarrer der Wallfahrtskirche mit zahlreichen Projekten versucht, den kleinen Eifelort zukunftsfähig zu machen.
Früher gab es hier einmal bis zu 50 Dominikaner, berichtet der Mittfünfziger, heute sind sie nur noch zu zweit. Auch er wünsche sich oft eine etwas größere Gemeinschaft hier und ist dankbar, mit wenigstens einem Bruder in Gemeinschaft die Traditionen und Gebete des Ordens gemeinsam leben zu können. Aber immer noch sprudelt der Gebäudekomplex aus Kirche, Ordenshaus und Gärten voller Leben. Während er voller Begeisterung von seiner Gemeinde erzählt, bespricht er sich zwischendurch kurz mit der Pfarrsekretärin, nimmt Anrufe entgegen und begrüßt seine Mutter, die vom Einkauf zurückkommt.
Instagram und YouTube als "moderne Kanzeln"
Dann beschließt er: "Erst mal einen Kaffee!" In dem gemütlichen Esszimmer ist nur wenig Platz: ein Stuhl ist dauerhaft von dem schwarz-weißen Kater Don Camillo belegt, der nicht beim Vormittagsschläfchen gestört werden darf. Stolz präsentiert Pater Albert die an den Wänden hängenden Bilder von sich mit Günther Jauch und Willi Weitzel, die ihn im Rahmen des Kulturprogramms zur Klausener Wallfahrt besucht haben. Ein Herzensprojekt des Paters, das er als Chance sieht, "Kirche zu verheutigen und nicht in alte Zeiten zu verfallen".
Auch sonst bemüht sich der gebürtige Kölner darum, das Angebot seiner Gemeinde und der Wallfahrtskirche modern zu gestalten. In seinem Arbeitszimmer ist auf seinem übervollen Schreibtisch auch ein Stativ, Handylicht und ein moderner Rechner zu finden. Das Filmen und Schneiden seiner "Filmchen", wie er seine YouTube- und Instagram-Videos nennt, bereite ihm viel Freude. Nicht nur für die Wallfahrtskirche Klausen produziert er Podcasts und Filme aus seinem Alltag, auch für die deutsche Provinz des Dominikanerordens ist er Beauftragter für Digitale Verkündigung. Eine große Ehre, wie er betont. Die Tradition des Predigerordens ist ihm wichtig und, "dass wir Wege der Verkündigung suchen und beschreiten". Die Arbeit auf diesen "modernen Kanzeln" ist für ihn wichtiger Teil seiner Berufung.
Die tierische Unterstützung in Klausen hilft, dass Pater Alberts zahlreiche Aufgaben nicht Überhand nehmen: "Meine Katzen sind Hüter der Work-Life-Balance", betont Pater, während er seine zweite Katze Trinchen streichelt. Sie schläft am liebsten auf dem glucksenden Aquarium im Büro. "Wenn ich zu lang am Computer sitze, dann stellt sie sich vor den Monitor. Dann ist Schluss", sagt er und lacht.
Die Liebe Gottes zum Menschen entdecken
Bevor er im Anschluss die Wallfahrtskirche betritt, präsentiert Pater Albert noch eines der Wappen am Hauptportal. "Das ist für mich ein Zeichen, dass schon die Erbauer an den Camillo gedacht haben", scherzt er über das Katzenemblem. Sein Lieblingsort in der Kirche ist aber die kleine Marienkapelle, die den Ursprung des Gebäudes bildet. 1440 nahm hier die Wallfahrt mit der Verehrung einer kleinen Marienstatue in einem hohlen Baum ihren Anfang. "Ich freue mich schon, wenn wir im Sommer hier wieder Gottesdienste feiern können." Denn erst nach dem Einläuten der Wallfahrtssaison mit zahlreichen Gottesdiensten und einer sehr beliebten Motorrad-Wallfahrt wird die Heilige Messe wieder in der Kapelle gefeiert.
Einen Moment hält er an der Pietá inne und betrachtet die Gottesmutter mit den strengen Gesichtszügen. Erst nach und nach waren Klostergebäude, Chorgestühl und dann die große Kirche in Klausen im 15. Jahrhundert errichtet worden. Am Ursprungspunkt des Wallfahrtsortes wird Pater Albert nachdenklich. Zu den ganzen "heißen Eisen" in der Kirche stelle er sich oft die Frage: "Ist das wirklich ein Zukunftsthema?" Viel wichtiger sei ihm eine glaubwürdige Spiritualität. "Eucharistische Anbetung ist mir sehr wichtig und Herz-Jesu-Frömmigkeit." Hier zeige sich für ihn besonders die Liebe Gottes zum Menschen und zur ganzen Schöpfung. In vielen Details der Wallfahrtskirche findet Pater Albert diesen Glaubenssatz dargestellt, besonders auf einem Tabernakel in der Sakristei.
Die farbenfrohe Darstellung der Planeten auf dunkelblauen Grund wurde ursprünglich für ein Gefängnis gestaltet und fand über einen dort arbeitenden Seelsorger seinen Weg in die Klostersakristei. Pater Albert deutet auf die mit Gold gestalteten Umlaufbahnen der Planeten, die im Zentrum des Bildes zusammenlaufen: "Wenn wir uns alle Linien anschauen, die Mitte des Weltalls ist das Herz, ist die Liebe."
Ordensmann mit Leib und Seele
Diese Gewissheit und ein tiefer Glaube waren für den begeisterten Ministranten schon seit seiner Kindheit die Basis, die ihm Ruhe und Zuversicht spendete - und Trost in schwierigen Zeiten. Als Pater Albert noch Michael heißt und 17 ist, erkrankt sein Vater an Krebs. Sein Glaube hat ihm in dieser Zeit und vor allem nach dem Tod des Vaters Halt gegeben: "Ich weiß, dass er an einem besseren Ort ist." Schon in dieser Zeit ist ihm klar, dass er Theologie studieren und Priester werden will. In den Freistunden während der Oberstufe geht er gerne in eine theologische Buchhandlung. Hier fällt ihm ein Buch über den Kirchenlehrer Albertus Magnus in die Hände und fasziniert ihn. Weil dieser Dominikaner war, informiert er sich über den heiligen Dominikus und sucht dann Kontakt zu anderen Dominikanern. Obwohl die Ordensmänner hier nicht gezwungen sind, einen Ordensnamen anzunehmen, wählt sich Pater Albert einen aus – passend zu dem Mann, der ihn bis hierher begleitet hat.
Zum Mittagessen geht es zurück ins Pfarrhaus, aber bevor Pater Albert das Tischgebet für sich und seine Mutter spricht, werden die Katzen gefüttert. Sein Mitbruder arbeitet als Seelsorger im Krankenhaus und oft schaffen die beiden vielbeschäftigten Ordensleute nur ein gemeinsames Frühstück. Über die Gesellschaft seiner Mutter, die erst vor Kurzem nach Klausen gezogen ist, freut sich Pater Albert umso mehr. Und die hat sich nicht nur in der Gemeinde gut eingelebt, sondern erfreut sich ebenso an den tierischen Mitbewohnern.
Ihr persönlicher Liebling ist Entendame Julchen, weil sie "eine Kämpferin ist". Als einzige Ente hat sie einen Fuchsangriff in ihrem vorherigen zu Hause überlebt. Seitdem humpelt sie beim Laufen. "Ein bisschen wie ich", scherzt die nicht mehr ganz so fitte Dame. Auf den besonderen Lebensweg ihres Sohnes angesprochen zeigt sie sich stolz: "Ich stehe voll und ganz dahinter, es ist seins. Was er ist, ist er, ich habe nichts dazu getan."
Trotz eines beeindruckenden Pilgerstroms zur Wallfahrtskirche steht auch die Gemeinde im beschaulichen Klausen vor den typischen Herausforderungen deutscher Pfarreien. "St. Maria und St. Vinzenz" heißt die neue Großpfarrei, von der sich Pater Albert erhofft, "dass es diese neue Struktur ermöglicht, gute Traditionen zu erhalten und Neuland zu beschreiten". Dafür hat er schon einiges vorbereitet. Am Abend ist Wahl für den neuen gemeinsamen Verwaltungsrat.
Zusammenlegungen kennt Pater Albert auch von seinem Orden. Seit 2024 sind die Dominikaner in Deutschland, Österreich und Ungarn eine Provinz. Aber so wie in der Spiritualität, sieht Pater Albert auch in diesen beiden Fällen statt Herausforderungen Chancen: "Wir sind einer der wenigen Orden in der Kirche, die sich niemals geteilt haben. Man sagt immer fünf Dominikaner, zehn Meinungen, aber das zeichnet uns auch aus: Einheit in Vielfalt."
Seine Tiere geben ihm Kraft – und helfen bei der Seelsorge
Anschließend wird es Zeit für einen Spaziergang mit Ziege Karla. Seit "Mönch" Oskar – so nennt man einen kastrierten Ziegenbock – sich von einer schweren OP im Ziegenstall an der Kirchmauer erholt, geht Pater Albert täglich mit ihr an der Leine wie mit einem Hund spazieren. Oft wird er unterwegs von Passanten als Seelsorger angesprochen: "Die Menschen in der Umgebung kennen mich. Dadurch ist man natürlich auch schnell bei religiösen Themen."
Und auch sonst helfen seine Tiere ihm, Menschen den Zugang zu Religion zu erleichtern, denn: "die Kommunionkinder lieben die Hühner!" Die entdecken wir dann auf dem Rückweg zum Stall – auf der falschen Seite des Tors. "Das ist ein kleiner Hühnerexpeditionskorps", lacht Pater Albert über das ausgebrochene Federvieh, das den Kreuzweg, dessen Zielpunkt eine Herz-Jesu-Darstellung ist, nach Würmern absucht. Und nicht nur hier findet sich in Klausen eine vielleicht auf den ersten Blick ungewöhnlich anmutende Verbindung von christlicher Spiritualität und Pater Alberts Tieren. Egal ob Ziegenwanderung, Katzenmeditation oder Einladung zur Tiersegnungen vor der Wallfahrtskirche: Der Dominikaner schafft Raum für kreative und naturnahe Zugänge zum Glauben.
Manchmal vermisst er aber die größeren Gemeinschaften seines Ordens, wie er sie unter anderem während seines Theologiestudiums in den USA erlebt hatte, erzählt Pater Albert. Oft klingt in den Gesprächen mit ihm durch, dass der Dominikaner sich das Ordensleben auch gerade wegen des gemeinschaftlichen Lebens ausgesucht hat. Diese Gemeinschaft findet er jetzt aber nicht nur in dem gemeinsamen Leben mit seinem Mitbruder und seiner Mutter. Den ganzen Tag über klingelt das Telefon im Pfarrbüro, die Nachbarn grüßen ihn an der Wallfahrtskirche beim Ziegenspaziergang und seine tierischen Freunde wollen versorgt werden.
Die Aufgabe als Pfarrer des beschaulichen Klausen erfüllt ihn – und das Feiern der besonderen Gottesdienste rund um die Wallfahrtskirche bereitet ihm große Freude. Das Einzige, wovon er noch mehr haben könnte, ist Zeit. "Vieles müsste noch mehr durchdacht und bearbeitet werden. Mein Tag bräuchte eigentlich 48 Stunden!"