Bischof Bätzing: Veränderungen müssen an der Basis spürbar sein
Wie geht es weiter mit der Debatte über Reformen in der katholischen Kirche? Der Synodale Ausschuss sucht nach Antworten darauf. Am Samstag endete in Mainz das zweite Treffen des Gremiums. Im Interview zieht der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, eine Zwischenbilanz. Und er erklärt, wie er mit Vorbehalten aus dem Vatikan umgeht.
Frage: Bischof Bätzing, Sie werden in Kürze den Vatikan über die zweite Sitzung des Synodalen Ausschusses informieren. Was werden Sie bei dieser Gelegenheit sagen?
Bätzing: Dass wir ganz schnell zu einer arbeitsfähigen Atmosphäre gefunden haben, weil hier Menschen zusammenkommen, denen die Zukunft der Kirche unter schwierigsten Bedingungen ein Herzensanliegen ist. Hier ist die Power, etwas nach vorne zu bringen. Davon werde ich gern berichten.
Frage: Die Atmosphäre ist das eine – es gibt aber nun auch weiterhin starke Vorbehalte im Vatikan gegenüber einem Synodalen Rat, dessen Einrichtung der Synodale Ausschuss vorantreiben soll.
Bätzing: Ich denke, die wichtige Aufgabe für uns wird sein, in der Zukunft gut miteinander zu kommunizieren, was wir wollen, was möglich ist und was wir miteinander vereinbaren. Grundsätzlich glaube ich daran, dass die Rolle der Laien in der Kirche eine Aufwertung erfahren soll.
Frage: Trotzdem bleibt die katholische Kirche eine hierarchische Institution. Die Bischöfe haben das letzte Wort.
Bätzing: Wir wollen ja nicht die Verfassung der Kirche ändern!
Frage: Sondern?
Bätzing: Wir wollen das Zweite Vatikanische Konzil in der Weise stärker umsetzen, dass alle Getauften und Gefirmten teilhaben an dem, was in der Kirche entschieden und beraten wird. Wir sind nicht so hochmütig, zu sagen, wir wüssten schon die Lösungen, sondern wir wollen unsere Erfahrungen, unsere Bitten, unsere Bedürfnisse der Weltkirche zur Verfügung stellen. Vieles entspricht meiner Ansicht nach dem, was auf der von Papst Franziskus einberufenen Weltsynode diskutiert wird. Und wir haben in unserer Kirche in Deutschland ja schon gute Formate, in denen Bischöfe und Laien miteinander beraten.
Frage: Zum Beispiel?
Bätzing: Die Diözesanräte. In acht Jahren als Bischof von Limburg habe ich noch nie eine Beschlussempfehlung meines Diözesanrates nicht mittragen können. Ich bringe mich ein, ich bringe unter Umständen auch meine Vorbehalte ein. Und dann finden wir gemeinsame Lösungen, die der Bischof am Ende umsetzt.
Frage: Der Vatikan hat unlängst ein Papier zur Stellung des Papstamtes veröffentlicht. Wird das Dokument Auswirkungen haben auf die im Synodalen Ausschuss anstehenden Debatten um Macht und Machtverteilung in der Kirche?
Bätzing: Ich halte das Papier für ein ganz wichtiges Dokument. Was ich daran erstaunlich finde: Am Ende ist auch von einer Selbstbegrenzung des Papstamtes die Rede, die seit dem Ersten Vatikanischen Konzil immer wieder mal ins Gespräch gebracht wird. Wenn wir vor Kurzem von der Selbstbindung der Bischöfe an Vereinbarungen mit Laien gesprochen haben, hat man uns gesagt: Dann gebt ihr im Grunde das Amt auf. Jetzt wird dasselbe Argument mit Blick auf das Papstamt in – wie ich finde – guter Weise angeführt.
„In acht Jahren als Bischof von Limburg habe ich noch nie eine Beschlussempfehlung meines Diözesanrates nicht mittragen können. Ich bringe mich ein, ich bringe unter Umständen auch meine Vorbehalte ein.“
Frage: Was folgt daraus?
Bätzing: Wenn der Papst seine Macht nicht in der ihm kirchenrechtlich voll und ganz zustehenden Weise ausübt, wenn er sich selbst beschränkt, um seinen Dienst an der Einheit der Kirche auszuüben – warum sollen das Bischöfe in ihrem Amt nicht auch tun können?
Frage: Ihre Mitbrüder aus Köln, Regensburg, Eichstätt und Passau nehmen nicht am Synodalen Ausschuss teil. Wie erklären sie denen, was in dem Gremium passiert?
Bätzing: Da muss ich nichts erklären. Es ist ja alles öffentlich einsehbar. Heißt: Wenn sie Interesse haben, sind meine Mitbrüder gut in der Lage, sich selbst zu informieren.
Frage: Während der Debatten im Synodalen Ausschuss gab es grob gesagt zwei Gruppen. Ein Team Zurückhaltung, das Rom nicht durch Beschlüsse verärgern will, und ein Team Zuversicht, dass dafür plädiert, neue Räume zu öffnen und nach vorn zu gehen. Wo ordnen Sie sich ein?
Bätzing: Ich bin eindeutig Team Zuversicht. Ich will, dass wir uns verändern. Wir müssen uns verändern. Das ist der Anspruch, den 96 Prozent der Katholikinnen und Katholiken an uns stellen. Und es ist der innere Anspruch, der aus dem Skandal des Missbrauchs hervorgewachsen ist. Die Kirche muss in bestimmten Teilen systemisch so verändert werden, dass dies nicht mehr geschieht. Und das geht über Beteiligung, das geht über Rechenschaft, das geht über Transparenz.
Frage: An der Basis werden die Menschen vermutlich trotzdem den teils hochtheologischen Debatten im Synodalen Ausschuss kaum folgen können.
Bätzing: Das muss auch gar nicht sein. Aber die kirchliche Öffentlichkeit muss spüren, dass wir etwas verändern. Und dazu sind die Beratungen im Ausschuss notwendig. Sonst können wir keine Beschlüsse treffen. Die müssen allerdings an der Basis deutlich spürbar werden, etwa indem sich die Beratungskultur in einer Pfarrei, in einem Bistum und in unserem Land verändert. Das spüren die Menschen.