Mehr Beteiligung, mehr Transparenz – und eine stärkere Rolle von Frauen

Neues Arbeitspapier für die Weltsynode: Das Unkonkrete wird konkreter

Veröffentlicht am 10.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Matthias Altmann – Lesedauer: 

Bonn ‐ Es solle nur um Synodalität an sich gehen, hieß es aus dem Vatikan zur Weltsynode. Das Arbeitspapier zur zweiten Sitzungsphase zeigt jedoch: Ohne Veränderung wird es nicht klappen. Die Vorschläge dazu bekommen nun konkretere Konturen – auch wenn die Synode nicht alle Reizthemen besprechen darf.

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Es gehe in erster Linie um den Stil in der Kirche. Um ein neues Miteinander, um die Rückbesinnung auf den gemeinsamen missionarischen Auftrag aller Getauften und wie man diesem neu gerecht werden könne. Gebetsmühlenartig haben die Verantwortlichen für den Ablauf der Weltsynode dieses Mantra seit dem offiziellen Beginn des Projekts vor knapp drei Jahren wiederholt: Es gehe letztlich gar nicht um konkrete Reformen. Das hielt die Beteiligten an den Beratungen natürlich nicht davon ab, trotzdem Themen zu setzen. Um den Stil der Beratungen geht es auch im neuen "Instrumentum laboris". Doch nicht nur. Denn auch den Synodenorganisatoren dürfte von Anfang an klar gewesen sein, dass synodales Reden alleine nicht nachhaltig genug sein wird. Oder wie es im Text heißt: "Ohne konkrete Veränderungen wird die Vision einer synodalen Kirche nicht glaubwürdig sein, und dies wird jene Mitglieder des Gottesvolkes entfremden, die aus dem synodalen Weg Kraft und Hoffnung geschöpft haben."

An dem am Dienstag vorgestellten Arbeitspapier sollen sich die Debatten der zweiten Sitzung der Weltsynode im Oktober orientieren. Der Text ruft erwartungsgemäß nicht die kirchliche Revolution aus. Insgesamt bleibt alles beim Alten: Nicht-Geweihte dürfen zwar mitreden, die letzte Entscheidungsgewalt bleibt bei den geweihten Amtsträgern. Das ist und bleibt katholisches Ekklesiologie-Verständnis. Es soll künftig jedoch klarer definierte Wege der Entscheidungsfindung geben, Laien und Gremien, die mehr als bloß beraten sollen – und die Pflicht zur Transparenz und Rechenschaft bei allen Entscheidungsträgern. Wird dies tatsächlich nach der Weltsynode durch Papst Franziskus umgesetzt, wäre das durchaus ein bedeutsamer Schritt. Manches, was von den "Machern" der Weltsynode bislang oft ziemlich unkonkret unter dem Begriff Synodalität gefasst wurde, bekommt immer mehr Konturen. Wege für Reformen zumindest in manchen Bereichen zeichnen sich langsam ab – gerade dort, wo es weltkirchlichen Konsens zu geben scheint.

Päpstliche Gesetze künftig erst nach Beratung?

"Wie wir eine synodale missionarische Kirche sein können", ist das Dokument überschrieben. Die Themen des Arbeitspapiers zur ersten Runde im vergangenen Oktober tauchen wieder auf: Beteiligung von Frauen in Leitungs- und Verantwortungspositionen, Verhältnis zwischen Geistlichen und Laien, Teilhabe ungeweihter Kirchenmitglieder und mögliche neue Ämter sowie das Thema Macht und ihre Kontrolle. Waren im Vorgängerdokument vor allem Leitfragen für die Gespräche in Rom formuliert, die sich aus den Rückmeldungen aus allen Ländern und Kontinenten ergeben haben, wird das Instrumentum laboris zur zweiten Runde konkreter, was Vorschläge für mögliche Veränderungen angeht. Andere Punkte, die noch im ersten Arbeitsdokument angesprochen wurden, wie der Umgang der Kirche mit queeren Menschen, lässt das neue hingegen aus.

Im Hinblick auf Entscheidungen in der Kirche wird festgehalten: Es soll keine einsamen Beschlüsse mehr durch Pfarrer, Bischöfe oder den Papst geben. Stattdessen sollen auf allen Ebenen synodale Beratungsstrukturen eingeführt werden. Die Mitwirkungsgremien sollen, anders als bisher im Kirchenrecht geregelt, nicht mehr eine "bloß beratende Stimme" haben. Die Letztentscheidung durch den Bischof müsse zwar gewahrt bleiben – Ziel solle jedoch eine "miteinander geteilte Entscheidung, die dem Heiligen Geist gehorcht" sein, so der Text. Dieses Prinzip soll auch für den Papst gelten: Dieser solle etwa Gesetze künftig erst nach gemeinschaftlichen Beratungen verkünden.

Papst Franziskus bei einer Ansprache
Bild: ©KNA/Romano Siciliani

Wird Papst Franziskus künftig erst nach gemeinschaftlicher Beratung Gesetze erlassen? Das regt jedenfalls das "Instrumentum laboris" an.

In diesem Zusammenhang wird gerade auf die Ortskirchen verwiesen, also die Diözesen oder die Kirche in bestimmten Ländern. Wörtlich steht im Arbeitspapier: "Es liegt an den Ortskirchen, alle Möglichkeiten, authentische synodale Entscheidungsprozesse mit Leben zu erfüllen, die den Besonderheiten der verschiedenen Kontexte entsprechen, verstärkt umzusetzen." Hier klingt das Thema "Heilsame Dezentralisierung" an, das Papst Franziskus zwar immer wieder fordert, bislang aber eher selten umgesetzt hat. Konsequenterweise wird dabei eine mögliche Stärkung der Rolle der Bischofskonferenzen angesprochen: Sie könnten als kirchliche Subjekte anerkannt werden, die mit lehrmäßiger Autorität ausgestattet sind. Das war bereits beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) thematisiert worden, wurde bislang aber noch nicht eingelöst. Papst Franziskus hat den Bischofskonferenzen in seinem Pontifikat zwar immer wieder einzelne Kompetenzen zugesprochen – etwa die Approbation liturgischer Übersetzungen – an sich kümmern sie sich aber bislang eher um pastorale Fragen. Lehramtliche Autorität hat nur der einzelne Bischof für seine eigene Diözese.

Mit der Frage nach den Entscheidungsprozessen in der Kirche geht fast automatisch die Frage einher, wie Frauen besser an diesen beteiligt werden können. Diesem Thema gibt das Dokument breiten Raum: Ihre Position müsse in allen Bereichen des kirchlichen Lebens anerkannt und gestärkt werden. Zudem erwähnt der Text, dass es weltweit Forderungen gebe, Frauen einen besseren Zugang zu verantwortlichen Positionen in Diözesen und kirchlichen Einrichtungen zu geben.

Ein Thema, das nicht nur im Rahmen der Weltsynode heiß diskutiert wird, wird nun definitiv kein Gegenstand der Debatten sein: das Diakonat der Frau. Dieses wurde im Vorfeld von Franziskus mit anderen Themen aus den weiteren Beratungen ausgegliedert. Zu dieser päpstlichen Entscheidung wurde aus einigen Teilen der Welt – auch aus Westeuropa – scharfe Kritik laut: Papst Franziskus wolle damit der Weltsynode den Wind aus den Segeln nehmen. Ein Grund für die Auslagerung könnte sein, dass die Diskussion im Rahmen der Weltsynode sich verhakt hat. "Während einige Ortskirchen die Zulassung von Frauen zum diakonischen Dienst fordern, bekräftigen andere ihre Ablehnung", heißt es dazu vielsagend im Text. "Zu dieser Frage, die nicht Gegenstand der Arbeit der Zweiten Tagung sein wird, ist es gut, dass die theologische Reflexion zu einem geeigneten Zeitpunkt und in angemessener Weise fortgesetzt wird."

Ämte und Dienste für Frauen

Dafür bringt das Arbeitspapier andere Ämter und Dienste für Frauen ins Spiel – beziehungsweise für Laien generell. Eines davon soll sich dem "Zuhören und Begleiten" von Menschen widmen, die am Rand der Kirche stehen. Aus deutscher Sicht besonders interessant: Das Dokument erinnert daran, dass es in der Kirche bereits Regelungen gebe, wonach Laien in Ausnahmesituation die Taufspendung und die Trauassistenz übernehmen können. "Es ist sinnvoll, weiter darüber nachzudenken, wie diese Ämter in einer stabileren Form den Laien anvertraut werden können", heißt es dazu. Ähnliches hatte auch der Synodalen Weg der Kirche in Deutschland gefordert. In den Bistümern Essen, Osnabrück und Rottenburg-Stuttgart wurden Frauen bereits mit der Taufspendung beauftragt.

Dass es im Vatikan in Sachen Ämter besonders für Frauen offenbar stark arbeitet, zeigt zudem eine Ankündigung, die ebenfalls am Dienstag publik wurde: Es soll vom Glaubensdikasterium und dem Synodensekretariat demnächst ein offizielles Dokument geben, das kirchenrechtliche und theologische Grundsatzfragen zum Thema "spezifische kirchliche Ämter" klären soll. Dazu gehöre auch die Frage nach der "notwendigen Beteiligung" der Frauen am Leben der Kirche – so wie an ihrer Leitung. Ob dieses dabei helfen kann, innerkirchliche Konflikte über die "Frauenfrage" abzumildern, wird sich zeigen.

Weihe Diakonin
Bild: ©KNA/Cornelis Gollhardt

Über die Weihe von Frauen zu Diakoninnen soll bei der Synode in Rom nicht debattiert werden.

Neben mehr Mitbestimmung und einer stärkeren Rolle von Frauen fordert das Arbeitspapier – und zwar sehr ausführlich – Transparenz und Rechenschaft in der Kirchenhierarchie. Hier deutet das Dokument an, dass die Kirche aus den gravierenden Fehlen der Vergangenheit gelernt hat: "In unserer Zeit ist die Forderung nach Transparenz und Rechenschaftspflicht in und durch die Kirche als Folge des Verlusts an Glaubwürdigkeit aufgrund von Finanzskandalen und insbesondere sexuellem und anderem Missbrauch von Minderjährigen und verletzlichen Menschen entstanden." Diese Prinzipien sollen künftig allerdings nicht nur im Umgang mit Fällen von Missbrauch sowie im Finanzwesen gelten, sondern auch bei Pastoralplänen und bei den kirchlichen Arbeitsverhältnissen. Rechenschaft solle es dabei in zwei Richtungen geben: Auch die unteren Ebenen sollen sie von den höheren einfordern können. Deutsche Leser werden auch das lobend quittieren.

So waren auch erste Reaktionen aus Deutschland überwiegen positiv. Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, sprach davon, dass die Kirche in Bewegung sei und in ihrem aktuellen Prozess hin zu mehr Synodalität mit der Transformation ihrer Tradition ringe. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, nannte das Papier eine gute Grundlage, mit der man arbeiten könne.

Ein Seitenhieb gegen den Synodalen Weg?

Eine Passage aus dem Arbeitspapier dürfte ihnen jedoch nicht gefallen: Es thematisiert nämlich auch, inwiefern man bei dem Wunsch nach kirchlichen Reformen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen argumentieren könne. Die Unterscheidung als geistiges Prinzip könne von dem analytischen Beitrag der verschiedenen Human- und Sozialwissenschaften nur profitieren, heißt es zwar. "Dies bedeutet nicht, dass technisches und wissenschaftliches Fachwissen das letzte Wort hat." Das bedeutet: Der Verweise auf wissenschaftliche Erkenntnisse dürfe die Debatte nicht dominieren. Das könnte man durchaus als Seitenhieb gegen den Synodalen Weg interpretieren, der gerade Forderungen nach einer Änderung der Sexualmoral immer wieder mit dem Verweis auf die Humanwissenschaften unterlegt.

Im Oktober treffen sich die Delegierten zur zweiten Runde der Weltsynode. Diese werden beraten, einen Abschlussbericht verfassen und diesen Papst Franziskus vorlegen. Das Kirchenoberhaupt wird dann ein nachsynodales Schreiben erstellen. Ob der die Beschlüsse der Synodalen aufnimmt oder nicht, ist dann allein ihm überlassen. So hat er die von der Amazonas-Synode geforderten "Viri probati" etwa abgelehnt. Tut er es diesmal doch, wird es eine Anpassung des Kirchenrechts brauchen. Die Synode ist dann zwar offiziell abgeschlossen. Aber irgendwie wird sie doch weitergehen. "Wir können eine Vertiefung des gemeinsamen Verständnisses der Synodalität, eine bessere Ausrichtung auf die Praktiken einer synodalen Kirche und sogar den Vorschlag einiger Änderungen im Kirchenrecht erwarten, aber sicherlich nicht die Antwort auf alle Fragen", heißt es in dem Text. "Auch deshalb, weil sich auf dem Weg der Umkehr und der Reform, zu dem die Zweite Sitzungsperiode die ganze Kirche auffordern wird, weitere Fragen ergeben werden." Nicht umsonst spricht das Arbeitsdokument auch die Frage an, ob es so etwas wie eine Weltsynode dauerhaft geben sollte.

Von Matthias Altmann