Eskaliert der "liturgische Krieg"?
Drei Jahre nach der weitgehenden Verbannung der "Alten Messe" aus den Pfarreien erhält Papst Franziskus viel Post. Allen voran sind es prominente Künstler, Musiker und Literaten aus dem Vereinigten Königreich und den USA, die sich gegen "Traditionis custodes" und für den Erhalt der alten römischen Liturgie einsetzen. Hintergrund sind nicht abreißende Gerüchte, das Gottesdienstdikasterium wolle ein fast vollständiges Verbot durchsetzen.
Die Gerüchte, die zunächst vom gut vernetzten Online-Medium "Rorate caeli" verbreitet wurden, erhielten weiteren Auftrieb, als der progressive Liturgiewissenschaftler Andrea Grillo dem römischen Blog "Messa in Latino" ein Interview gegeben hatte. Er warf den Anhängern der alten Liturgie pauschal eine "Ideologie" vor, die unvereinbar mit der Treue zum Papst sei.
Diese Äußerungen wurden im Zusammenhang mit der Pfingstwallfahrt von Paris nach Chartres gedeutet, bei der mit über 18.000 großteils jugendlichen Pilgern ein neuer Teilnehmerrekord erreicht wurde. Anstatt das Wachstum der traditionellen Bewegung einzudämmen, hat der Gegenwind aus Rom sie offenbar gestärkt – was sich auch bei den Eintritten in traditionelle Gemeinschaften niederschlägt. Kürzlich trat beispielsweise der französische Ex-Volleyballmeister Ludovic Duee in die Abtei von Lagrasse ein. Kardinal Gerhard-Ludwig Müller, der an Pfingstmontag in Chartres das Pontifikalamt feierte, berichtete unlängst bei einer Priesterweihe in Frankreich in seiner Predigt, ein ungenannter Mitarbeiter des Gottesdienstdikasteriums habe ihm gesagt, dass die "Treue der jungen Katholiken" in Chartres keineswegs ein Grund zur Freude sei, weil dort der alte Ritus gefeiert werde. Im Dikasterium werde eine Bevorzugung des alten Ritus als Ausdruck eines sterilen Traditionalismus interpretiert, "der mehr an der Theatralik der Liturgie interessiert ist als an der lebendigen Gemeinschaft mit Gott, die sie vermittelt".
Papst Franziskus setzte hingegen in den vergangenen Monaten andere Signale. So hatte er vor allem zur Leitung der Priesterbruderschaft St. Petrus gute Beziehungen aufgebaut. Es zeichnet sich ab, dass die traditionalistischen Institute päpstlichen Rechts vom Papst in ihrem Charisma, die alte Liturgie zu bewahren, bestärkt werden. Auch das war nach "Traditionis custodes" und einmal mehr der 2022 erschienenen Apostolischen Konstitution "Desiderio desideravi" nicht von allen erwartet worden.
Insbesondere die kirchenrechtlich hochrangige Konstitution sorgte für die Erwartung weiterer Beschränkungen. Denn darin führt der Papst aus, dass die Problematik "in erster Linie ekklesiologischer Natur" sei. "Ich verstehe nicht, wie man sagen kann, dass man die Gültigkeit des Konzils anerkennt – obwohl ich mich ein wenig wundere, dass ein Katholik sich anmaßen kann, dies nicht zu tun – und nicht die Liturgiereform akzeptieren kann, die aus Sacrosanctum Concilium hervorgegangen ist und die die Realität der Liturgie in enger Verbindung mit der Vision der Kirche zum Ausdruck bringt, die in Lumen Gentium auf bewundernswerte Weise beschrieben wurde."
Hermeneutik des Bruchs – oder der Reform
Hier dürften nicht nur die Traditionalisten im engeren Sinn angesprochen sein, sondern auch die theologischen Erben von Benedikt XVI., der eine Hermeneutik des Bruchs bei der Deutung der Konzilsbeschlüsse stets ablehnte. Eine solche Bruch-Hermeneutik glaubte er in einer exzessiven Umsetzung der Liturgiereform um 1970 zu erkennen, weil sie in Teilen über die Liturgiekonstitution des 2. Vatikanischen Konzils von 1963 hinausging.
Seine Idee einer "Reform der Liturgiereform" speiste sich hieraus – um den Bruch wieder teilweise zu kitten. Ziel war laut Benedikt XVI. eine "gegenseitige Befruchtung der beiden Formen des römischen Ritus". Dieses Projekt hatte Papst Franziskus zunächst noch Kardinal Robert Sarah als Präfekt der Gottesdienstkongregation weiter verfolgen lassen, dann aber wieder verworfen. Nun aber scheint die Konstitution "Desiderio desideravi" von Franziskus einer Hermeneutik des Bruchs statt dem Gedanken der Kontinuität zu folgen.
In der Gottesdienstkongregation führt heute der aus England stammende Kurienkardinal Arthur Roche das Amt des Präfekten. Ihm geht es um eine möglichst einheitliche weltweite Durchsetzung des Missale Romanum von 2002. Die Geschäfte liegen weitgehend in der Hand des Sekretärs des Dikasteriums, Erzbischof Vittorio Francesco Viola, der ebenso wie Grillo der Benediktinerhochschule Sant Anselmo in Rom verbunden ist. Bislang wurde Viola, der den Bischofsring des Schöpfers der Liturgiereform Pauls VI., Erzbischof Annibale Bugninis, tragen soll, als Urheber der scharfen Linie gegen die "Tradis" ausgemacht. In der Kurie scheint er mächtige Unterstützer zu haben.
Dass eine positive Rezeption des aktuellen Lehramts, seiner missionarische Ausrichtung und Inspiration aus neueren geistlichen Erfahrungen auch mit der "Alten Messe" vereinbar sein könne, ist gerade in Frankreich zu beobachten. Ein Beispiel ist die Fraternité de la Miséricorde divine aus Toulon, die auch in Colmar und in Marseille pastoral tätig ist. Sie ist diözesanen Rechts, ihr Gründungscharisma besteht aus ihrer Spiritualität, der Mission vor allem auch unter Migranten – und der alten Liturgie. Letzteres wird nun zum Problem.
Vier Priesterkandidaten der Gemeinschaft stehen vor der Diakonatsweihe. Doch für diese weigert sich das Gottesdienstdikasterium in Rom, die Erlaubnis zu erteilen. Und auch der Indult für die heilige Messe im alten Ritus soll gefährdet sein – obwohl sie hier mit Genehmigung des Vatikans in einer leicht modernisierten Form (Gemeindebeteiligung zum Vaterunser, mehr Landessprache) gefeiert wird.
Bischöfe haben nur noch weit eingeschränkte Vollmachten
"Traditionis custodes" verlangte bereits, dass Bischöfe für Priester die ausdrückliche Erlaubnis des Gottesdienstdikasteriums erhalten müssten, wenn sie die "Alte Messe" gestatten wollen. Die Genehmigung wird dem Vernehmen nach äußerst selten erteilt. Dies ist ein Eingriff in die Befugnisse des Bischofs, die Liturgie in seinem Bistum zu ordnen. Unter Benedikt XVI. hatten Bischöfe mehr Freiheiten.
Drei Jahre nach der letzten Verschärfung ergibt sich ein für Befürworter und Gegner der traditionellen Liturgie gleichermaßen unbefriedigender Eindruck. Anstatt Einheit zu fördern und Ghettos vorzubeugen, führten Maßnahmen wie das Verbot der Zelebration in Pfarrkirchen zum Gegenteil. Zugleich scheint die Anziehungskraft des Alten Ritus ungebrochen. Bereits im vergangenen Jahr forderte vor diesem Hintergrund der französische Publizist Jean Bernard in "La Croix" ein "Ende des Krieges" um die Liturgie.