Pastoraltheologe Garhammer: Papst-Literaturbrief ist eine Überraschung
Aus Sicht des emeritierten Würzburger Pastoraltheologen Erich Garhammer ist Papst Franziskus mit seinem Brief "Über die Bedeutung der Literatur in der Bildung" eine Überraschung gelungen. Der Papst sei "immer für Überraschungen gut – manchmal erfreuliche, manchmal weniger erfreuliche. Hier ist es eine erfreuliche Überraschung", schreibt Garhammer in einem Beitrag für das "Münsteraner Forum für Theologie und Kirche" (Donnerstag). "Gott sei Dank schreibt Papst Franziskus nicht nur Briefe, die für ihn verfasst wurden (wie etwa der Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland vom 29. Juni 2019), sondern auch Briefe, die von Herzen kommen", so der Pastoraltheologe. "Dieser Brief ist ihm ein Herzensanliegen."
Die Gedanken des Papstes würden auch sein eigenes Theologietreiben umschreiben, schreibt Garhammer. So fördere die Beschäftigung mit Literatur die dialogische Kompetenz, indem sie in Welten verwickele, denen man sonst aus dem Weg gehe. "Sie sensibilisiert für eine heute eminent wichtige pastorale Grundkompetenz, nämlich Milieupontifex zu sein und unterschiedliche Milieus in Austausch zu bringen." Zudem sorge Literatur dafür, die eigene Sprachkompetenz und -sensibilität zu fördern und stelle ein Identifikationsangebot zur Verfügung, das die eigene Welt reicher mache.
"Schön, dass er diese Tradition neu belebt hat"
"Die Gedanken von Papst Franziskus sind nicht neu, aber sie sind überraschend frisch", schreibt Garhammer. Schon Papst Gregor der Große habe im sechsten Jahrhundert in einer Osterpredigt Literatur als Fremdprophetie gedeutet, da das Fremde einen mehr anspreche, als das Eigene und man damit lerne, das Eigene neu zu sehen. "Papst Franziskus ist also nicht der erste Papst, der über Literatur schreibt. Papst Gregor der Große hat es längst vor ihm getan", schreibt Garhammer. "Schön, dass er diese Tradition neu belebt hat."
Am Wochenende hatte der Vatikan den knapp zehnseitigen Brief "Über die Bedeutung der Literatur in der Bildung" von Papst Franziskus in mehreren Sprachen veröffentlicht. Das Schreiben sei zunächst auf die Ausbildung von Priestern bezogen gewesen, er habe es dann aber auf die Bildung aller pastoralen Mitarbeitenden und Christinnen und Christen geweitet, schreibt der Papst darin. Im Hinblick auf Priesterseminare bemängelt das Kirchenoberhaupt eine Literaturvergessenheit und regt einen "radikalen Kurswechsel" hin zur tiefergehenden Beschäftigung mit Literatur an. Lesende könnten durch die Literatur ihr eigenes Einfühlungsvermögen stärken, und würden in die Lage versetzt, die Welt durch die Augen anderer Menschen zu betrachten und lernten so Empathie. (cbr)