Das noch immer große Interesse an Gänswein überrascht (nicht)
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Man staunt: Seit seinem Ende als Präfekt des Päpstlichen Hauses vor viereinhalb Jahren war Georg Gänswein im Vatikan quasi funktionslos (ausgenommen seine Tätigkeit als Sekretär des Ex-Papstes Benedikt XVI.). Dennoch ist das Interesse am deutschen Erzbischof bis heute ungebrochen. Das weiß nicht nur diese Redaktion mit Blick auf Zugriffszahlen und Social-Media-Kommentare. Das ist offensichtlich auch anderen Medien bewusst, was gleich mehrere kürzlich erschienene Interviews belegen – darunter in der "Bild"-Zeitung. Aber warum?
Fakt ist: Gänswein war eine große Nummer im Vatikan. Als deutscher Privatsekretär des deutschen Papstes hatte die deutsche Öffentlichkeit ein durchaus berechtigtes Interesse daran, wie es dem Mann aus dem Schwarzwald in Rom ergeht. Doch das liegt mehr als ein Jahrzehnt zurück. Ist es also das Nachtrauern einer vermeintlich besseren Zeit durch gewisse Kreise? Liegt der Grund darin, dass Gänswein – trotz mangelnder Ähnlichkeit – einst als "George Clooney des Vatikan" auch in säkularen Medien gehypt wurde? Oder sieht sich die eine Seite durch die wiederholten reformkritischen Aussagen des konservativen Kirchenmanns mit Vorliebe bestätigt, während sich die andere davon nur allzu gerne provozieren lässt? Gründe, dass "ein Gänswein" medial gut läuft, gibt es wohl gleich mehrere.
Zuletzt konnte der Ex-Sekretär sicherlich auch dadurch punkten, dass man nach seinem Ende im Vatikan fast Mitleid mit ihm haben musste. So ließ er in den jüngsten Interviews erneut keine Zweifel daran, dass sein unfreiwilliger Weggang nach Freiburg ins "schwierigste Jahr" seines Lebens mündete – inklusive "schmerzender Wunden", "Trostlosigkeit" und des Gefühls, "abgeparkt" worden zu sein. Diese Schlagworte ziehen und bleiben hängen. Dass er zu einem guten Teil selbst Schuld an der Entscheidung von Papst Franziskus hat und dass das Ausscheiden eines Sekretärs aus dem Vatikan nach dem Tod eines Pontifex eigentlich auch den Normalfall darstellt, fällt dabei gerne unter den Tisch. Gänswein weiß sich eben zu verkaufen.
Nun tritt "Don Giorgio" bald seine neue Stelle als Nuntius in Vilnius an. Eine Personalie, die – bei allem Respekt für das Baltikum – normalerweise kaum interessiert hätte. Dass es dann still um Georg Gänswein wird, ist jedoch nicht zu befürchten.
Der Autor
Tobias Glenz ist Redakteur bei katholisch.de.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.