Geistlicher und Künstler hatte Bild für LGBTQ-Gruppierung gemalt

"Die Fußwaschung": Priester malt Franziskus, Jesus – und queere Paare

Veröffentlicht am 31.08.2024 um 12:05 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

New York/Albuquerque ‐ Die Kunstwerke von William Hart McNichols hängen weltweit in Kirchen und anderen Einrichtungen. Das Bild, das er kürzlich für den Jesuiten James Martin und seine "Outreach"-Konferenz geschaffen hat, lässt jetzt aber aufhorchen: Was soll hier dargestellt werden?

  • Teilen:

Jesus trägt Kapuzenpulli und Jeans. Erkennbar ist er trotzdem an seinem Heiligenschein und den Wundmalen an Füßen und Händen. Das eigentlich Brisante am Gemälde von William Hart McNichols ist aber gar nicht die Darstellung Christi. Es sind die Menschen, die um ihn herum abgebildet sind: Zwei gleichgeschlechtliche Paare sitzen umarmend neben Jesus. Gemeinsam blicken alle fünf Personen auf die Aktion, die dem Bild "The Foodwashing" ihren Namen gibt: Papst Franziskus, der in eine einfache Albe gekleidet Jesu Füße wäschst und küsst.

Geschaffen hat McNichols das Werk für die "Outreach"-Konferenz an der von Jesuiten geleiteten Georgetown Universität im Washington. Bei der Konferenz treffen sich vor allem queere Menschen, die mit der katholischen Kirche verbunden sind. Regelmäßig richtet auch Papst Franziskus ein Grußwort an die Versammlung. So sicherte er den Teilnehmenden in diesem Jahr seine geistliche Nähe zu und schrieb, er sei im Gebet mit den Anwesenden verbunden. Organisiert wird die Konferenz von "Outreach", einem Internetportal für LGBTQ-Katholikinnen und -Katholiken, das der US-amerikanische Jesuit James Martin 2022 gegründet hat.

Franziskus' Einsatz für die LGBTQ-Gemeinschaft sei bekannt

In einem Artikel auf der "Outreach"-Plattform schreibt Martin selbst über das Bild und erklärt den Hintergrund für die dargestellte Szene. Franziskus habe während seines Pontifikats an jedem Gründonnerstag einer Vielzahl von Menschen die Füße gewaschen, etwa Frauen, Geflüchteten, Gefangenen oder Muslimen. "Diese Gesten wurden weithin als Teil der Bemühungen von Papst Franziskus gesehen, auf diejenigen zuzugehen, die sich am Rande der Gesellschaft und der Kirche befinden", schreibt Martin. "Und natürlich ist Franziskus' Einsatz für die LGBTQ-Gemeinschaft wohlbekannt."

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

In eine ähnliche Richtung geht auch McNichols selbst in einer Reflektion seines Bildes am Ende von Martins Artikel. Frage man ihn nach einem Bild, dass das Pontifikat von Papst Franziskus symbolisiere, denke er sofort an die Fußwaschung. Die Idee, die Protagonisten des Bildes im Himmel schwebend darzustellen sei ihm während eines Bußgottesdienstes in der Kirche in Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexiko gekommen, wo der 75-jährige Priester und Künstler in der Seelsorge aushilft. "Dieses Gemälde ist im Kosmos angesiedelt, weil die Akzeptanz von LGBTQ-Menschen in der Gegenwart und in der Zukunft etwas bleibt, das erst noch kommt", so McNichols.

Und er weiß, wovon er spricht: Von 1983 bis 1990 arbeitete McNichols als Seelsorger im AIDS-Hospizteam in New York und sprach in zahlreichen TV-Interviews über die AIDS-Pandemie. In dieser Zeit machte er auch seine eigene Homosexualität öffentlich. Der Stress dieser Seelsorgearbeit belastete McNichols irgendwann so sehr, dass er sich mehr und mehr zurückzog und sich der Kunst widmete. Er lernte die Geschichte, Spiritualität und Technik der orthodoxen Ikonenmalerei kennen und schuf zahlreiche Werke, die weltweit in Kirchen, Universitäten oder sogar den Vatikanischen Museen hängen. Das renommierte Time Magazine adelte McNichols gar als "einen der berühmtesten Schöpfer christlicher Ikonen der Welt".

Heute vertreibt McNichols Drucke seiner Arbeiten über seine eigene Website. Viele seiner Kunstwerke lassen sich dort aber auch als Taschen, Kissen, Handyhüllen, T-Shirts oder Kaffeetassen bestellen. Neben mehr oder minder klassischen Ikonen von Jesus, Maria oder der Heiligen Familie und anderen bekannten Heiligen gibt es im Shop auch Überraschendes zu finden – unter dem Namen "Holy New Martyr Alexei Navalny" etwa ein Bildnis des kürzlich verstorbenen russischen Regimekritikers Alexei Nawalny oder eine Darstellung von Alana Chen mit der Mater Dolorosa. Chen nahm sich 2019 im Alter von 24 Jahren das Leben, nachdem sie einem Priester in der Beichte von ihrer Liebe zu Frauen erzählt hatte und zu einer Konversionstherapie genötigt wurde. Auch "The Footwashing" ist auf der Website zu finden. Das Original-Gemälde hängt inzwischen im Hauptsitz des Jesuiten-Medienhauses "America Media" in New York, zu denen auch "Outreach" gehört.

Jesuit James Martin in Rom. Im Hintergrund: der Petersdom.
Bild: ©KNA/Francesco Pistilli

"Als wir das Bild auf unserer Outreach-Konferenz ausgestellt haben, sagten alle, die mit mir darüber sprachen, dass sie es lieben", sagt Jesuit James Martin.

Als die Plattform McNichols Bild und die Texte von ihm und James Martin veröffentlichte, skandalisierten traditionalistische bis rechtsextreme Medien die Geschichte. "Schwuler Priester-Maler entwirft neue Ikone für LGBT-Event von Pater James Martin" oder "Pater James Martins LGBT-Treffen unter dem Vorsitz der respektlosen 'Ikone' eines schwulen Priesters" lauteten etwa die Titel. McNichols nimmt das gelassen: "Als Maler rechne ich immer mit etwas Negativem, egal um welches Thema es sich handelt", sagt er katholisch.de. Er neige dazu, auf das Negative zu hören. Seit seinem 75. Geburtstag im Juli lerne er aber, mehr auf die positiven Rückmeldungen zu achten, die weitaus häufiger kämen, so McNichols. Ähnlich äußert sich auch James Martin. "Als wir das Bild auf unserer Outreach-Konferenz ausgestellt haben, sagten alle, die mit mir darüber sprachen, dass sie es lieben", so der Jesuit gegenüber katholisch.de. McNichols habe das Werk auch in seiner Ansprache aufgegriffen, in der es um seinen Weg als Priester und Künstler ging.

LGBTQ-Personen wie Menschen behandeln

Den Umgang der Kirche und der Gesellschaft mit homosexuellen Menschen sieht McNichols heute noch immer kritisch. "Das Gespräch über LGBTQ-Menschen ist immer, immer, immer sexualisiert", beklagt er. Niemand denke an die vielen zärtlichen Ausdrucksformen, die diesen Menschen verboten würden. "Wenn ich die Messe feiere, gibt es verheiratete und unverheiratete Paare, die zur Kommunion gehen und sich an den Händen halten", so der Priester.

Diese zärtlichen Zuneigungen zeigen die beiden Paare in "The Footwashing" ebenfalls: Einer der Partner umarmt den anderen und legt dabei sanft eine Hand auf die Schulter. Gemeinsam schauen die Paare so auf Franziskus, der Jesus die Füße küsst. Die queeren Menschen wirken auf diese Art und Weise innig miteinander verbunden und sind gleichzeitig wichtiger Teil der Szene, sitzen sie doch Seite an Seite mit dem auferstandenen Christus. Für die Zukunft hat der Schöpfer des Gemäldes noch einen Wunsch: "Ich wünsche mir, dass LGBTQ-Personen wie Menschen und nicht wie Aliens oder Dinge behandelt werden." In seinem Gemälde scheint das schon der Fall zu sein.

Von Christoph Brüwer