Hans-Christoph Berndt: Der nett wirkende katholische Rechtsextremist
Sitzt man Hans-Christoph Berndt gegenüber, man könnte ihn für einen linken Lehrer halten oder für einen - was er tatsächlich war - Ost-Berliner Mediziner mit Gerechtigkeitssinn. Seit Sonntag steht fest, dass der 68-jährige AfD-Politiker die möglicherweise einzige Oppositionspartei im Brandenburger Landtag führen wird. Die AfD, die vom Brandenburgischen Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird, konnte 29,2 Prozent der Stimmen verbuchen und liegt damit knapp hinter der siegreichen SPD (30,9 Prozent) von Ministerpräsident Dietmar Woidke.
Wer wissen will, was vom Oppositionsführer Berndt zu erwarten ist, sollte seine bisherigen Auftritte im Landtag, dem er seit 2019 angehört, und im Wahlkampf kennen. Denn vor Publikum wächst dem Mann mit der leisen Stimme, der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem geführt wird, ein zweites rhetorisches Gesicht. Die Stimme wird lauter. Kein Verschwörungs-Klischee lässt er aus. Es ist viel von "Volk", "Bevölkerungsaustausch" und der "globalistischen Elite" die Rede. Den Verfassungsschutz wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk will er in der jetzigen Form abschaffen.
Beim Spitzenkandidaten-Check im RBB-Fernsehen nannte der Katholik Berndt als seine Definition des Begriffs der christlichen Nächstenliebe: "sich um die Angehörigen des eigenen Volkes zu kümmern." Der Berliner Erzbischof Heiner Koch konterte tags darauf, Nächstenliebe gelte auch dem, "der eine andere Meinung, eine andere Überzeugung oder einen anderen Pass hat". Doch Berndt hält an seiner Definition fest und erläutert, während er beim Bäcker frühstückt: "Natürlich ist der christliche Glaube per se universalistisch, das heißt aber noch lange nicht, dass ich die Völker auflösen muss." Außerdem dürfe man die politische und geistliche Welt nicht gleichsetzen.
Die Deutsche Bischofskonferenz hatte Ende Februar einstimmig eine Erklärung beschlossen mit dem Titel "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar". Darin grenzen sich die katholischen Bischöfe ausdrücklich von der AfD ab und bezeichnen sie als für Christen nicht wählbar. Einem Engagement von Christinnen und Christen in rechtsextremen Parteien und jenen "die am Rande dieser Ideologie wuchern", erteilt das Papier eine klare Absage.
Berndt wollte Priester werden
Berndt ficht das offenbar wenig an. Als junger Mann wollte er Priester werden. In den 1970er Jahren besuchte er den Altsprachenkurs in Schöneiche bei Berlin, der Abiturienten innerhalb eines Jahres das philologische Rüstzeug für ein nachfolgendes Theologiestudium vermitteln sollte. Die Kirche in der DDR war für ihn "ein Zuhause, mein Lebensraum", sagt er. Aus der Kirche auszutreten, bringe er deshalb nicht übers Herz, wie er versichert, auch wenn er seit längerer Zeit nicht mehr zum Gottesdienst gehe. Wegen der "Zeitgeistigkeit", die dort inzwischen herrsche.
Lobend erwähnt Berndt Papst Benedikt XVI. wegen dessen "Aura", aber auch den früheren Berliner Kardinal Alfred Bengsch, den Berndt persönlich kannte, und Papst Johannes Paul II., der den Gläubigen in der DDR Mut gemacht habe. Obwohl Berndt den polnischen Katholizismus mit der betonten Marienfrömmigkeit nach eigenem Bekunden schon früh als verstörend empfand.
Dass Berndt nun in ganz anderer Mission unterwegs ist, hat mit zwei Ereignissen zu tun: mit Angelas Merkels Politik der offenen Grenzen 2015 und mit einem Flüchtlingsheim, das in Nähe seines neugewählten Zuhauses auf dem Land gebaut werden sollte. "Es hat mich ereilt", sagt Berndt, während er an der Kaffeetasse nippt.
Der Stadtflüchtling gründete 2015 den Verein "Zukunft Heimat", den der Verfassungsschutz inzwischen als "erwiesen rechtsextremistisch" einstuft, und trat bald darauf in die AfD ein – mit Nähe zu Björn Höckes berüchtigtem "Flügel". Seit 2020 hat er den AfD-Fraktionsvorsitz im Brandenburger Landtag inne. Berndt sagt, dass ihm ein AfD-Katholik wie Maximilian Krah näherstehe als Höcke. Die Richtung indes ist eindeutig.
Als im Laufe des Gesprächs in Potsdam ein Mann mittleren Alters an den Tisch kommt und Hans-Christoph Berndt um ein Selfie bittet, steht der zukünftige Oppositionsführer freundlich zur Verfügung. Als er zum Tisch zurückkommt, zwinkert er: "alles inszeniert."