Standpunkt

Corona-Aufarbeitung: Es braucht einen neuen Runden Tisch

Veröffentlicht am 11.10.2024 um 00:01 Uhr – Von Thomas Arnold – Lesedauer: 

Dresden ‐ Die Corona-Pandemie ist noch nicht aufgearbeitet, viele Menschen triggert allein das Wort "Corona" weiter ungemein. Nach Ansicht von Thomas Arnold braucht es einen Runden Tisch. Und bei dem könnten die Kirchen eine wichtige Rolle spielen.

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Kerzen und Blumenkränze in der Mitte, rundherum Menschen in schwarzer Kleidung und im Hintergrund Staatsfahnen. Das war die Kulisse der Gedenkveranstaltung, zu der 2021 der Bundespräsident geladen hatte, um an die Opfer der Corona-Pandemie zu erinnern. Frank-Walter Steinmeier beendete seine Rede mit dem Wunsch "Bleiben wir beieinander, und geben wir acht aufeinander".

Doch was ist davon geblieben? Während die einen wieder in ihrem postpandemischen Alltag angekommen sind, triggert die anderen allein das Wort "Corona" ungemein. Zu viele haben die Konsequenzen aus den Freiheitseinschränkungen als so schwerwiegend empfunden, dass sie sie noch heute als Ursache gesellschaftlichen Leidens ausmachen. Es müssen zumindest so viele sein, dass es für Parteien im Wahlkampf in Sachsen und Thüringen verlockend war, im Ringen um Stimmen eine Forderung nach Aufklärung zu formulieren und nun, so kurz nach Konstituierung der Landtage, sofort Anträge für Untersuchungsausschüsse einbringen. Der Riss dürfte jedoch zu groß sein, als dass Untersuchungsausschüsse die angemessene Methode der Reflexion sind.

Doch auch die Zielsetzung ist fragwürdig. Denn sie wollen Versäumnisse und Schuldige benennen, natürlich immer unter dem Vorwand, um für künftige Pandemien zu lernen. Dabei wird kein neuer pandemischer Ausbruch einer Infektionskrankheit genau so verlaufen wie der letzte. Wer vermeidbare Fehler von damals benennen will und verspricht, damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, meint eigentlich die Benennung von Sündenböcken und fördert die Polarisierung des Landes.

35 Jahre nach der Friedlichen Revolution ist es Zeit für einen neuen Runden Tisch. Seine Aufgabe wird nicht sein, Schuldige zu suchen, sondern bei der Bewältigung der Folgen der Pandemie zu helfen. Ein solcher Runder Tisch bietet die Möglichkeit, über die Grenzen von Regierung und Opposition hinweg zusammenzuführen. Das Handeln seiner Teilnehmenden bietet die Chance, eine Wahrheits- und Versöhnungskommission für die Zukunft Deutschlands zu werden.

Eine solche Idee ist auf die Initiation durch Parlamente angewiesen. Davon unabhängige Vorsitzende könnten zu entscheidenden Brückenbauern werden. In der Pandemie sind die Kirchen in den öffentlichen Debatten nicht damit aufgefallen, Menschen Raum für Klage und Bitte zu bieten. Es wäre in den kommenden Debatten ihre Chance, in der pluralen Gesellschaft ihre Erfahrung für Vergebung und Versöhnung einzubringen.

Von Thomas Arnold

Der Autor

Dr. Thomas Arnold baut im Leitungsstab des Sächsischen Staatsministeriums des Innern den Bereich strategische Planung, Organisationsentwicklung und Controlling auf. Zuvor leitete er von 2016 bis 2024 die Katholische Akademie des Bistums Dresden-Meißen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.