Woche Zwei der Weltsynode: Schritte hin zum Kulturwandel in der Kirche
Mit einer großen Überraschung ist die Weltsynode in ihre zweite Sitzungswoche gestartet: Am Sonntag verkündete Papst Franziskus nach dem traditionellen Angelus-Gebet auf dem Petersplatz, dass er 21 Männer zu Kardinälen erheben wird. Unter den neuen Purpurträgern, die beim Konsistorium am 7. Dezember vom Papst das Kardinalsbirett überreicht bekommen werden, befinden sich insgesamt neun Mitglieder der Synode. Bei einer Pressekonferenz des Vatikan äußerten sich drei der designierten Kardinäle und Synodenväter zur ihrer Ernennung. Der Tokioer Erzbischof Tarcisio Isao Kikuchi sieht aufgrund der Herkunft der 21 neuen Kardinäle eine weitere Verschiebung des Zentrums der Weltkirche: "Wenn der Heilige Vater von Peripherien spricht, dann denke ich, dass die Peripherien sich bewegen", sagte Kikuchi. "Vielleicht bewegen sich die Peripherien auf Europa zu." Auch der Vorsitzende des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM, Erzbischof Jaime Spengler von Porto Alegre in Brasilien, und der Erzbischof von Abidjan (Elfenbeinküste) Ignace Bessi Dogbo äußerten sich ähnlich.
Geistlicher Begleiter der Synode bald Kardinal
Besonders die Kardinalsernennung des Engländers Timothy Radcliffe ließ aufhorchen. Denn Radcliffe ist als geistlicher Begleiter bei der Synode mit seinen spirituellen Vorträgen ein wichtiger Impulsgeber für die Synodalen – und könnte das nun auch für die Kardinalsversammlungen im Vorfeld eines möglichen künftigen Konklaves nach dem Ende des Pontifikats von Papst Franziskus werden. Am Donnerstagnachmittag jedenfalls warnte der Dominikaner vor unrealistischen Erwartungen an die Synode: "Viele Menschen wünschen sich von dieser Synode ein sofortiges Ja oder Nein zu verschiedenen Themen! Aber das ist nicht die Art und Weise, wie die Kirche in das tiefe Geheimnis der göttlichen Liebe vordringt." Auf die schwierigen Fragen zum zukünftigen Kurs der Kirche seien keine allzu schnellen Antworten zu erwarten. Gleichzeitig dürfe die Kirche vor den unbequemen Anfragen nicht davonlaufen, sondern müsse zuhören – "nicht um zu antworten, sondern um zu lernen".
Dass die Kirche lernfähig ist, versucht die Synode nun bei der Frage nach dem Frauendiakonat aufzuzeigen: In den kommenden Monaten haben die Mitglieder und theologischen Berater der Weltsynode die Möglichkeit, Stellungnahmen und Beiträge zum Thema beim Glaubensdikasterium einzureichen. Bei der Synodensitzung am 18. Oktober würden zudem zwei Theologen zur Verfügung stehen, um schriftliche oder mündliche Vorschläge entgegenzunehmen, verkündete der Generalsekretär der Weltsynode, Kardinal Mario Grech, am Mittwoch. Vorausgegangen war großer Unmut unter den Synodenmitgliedern, nachdem in der vergangenen Woche die von Papst Franziskus eingerichteten Kommissionen zu strittigen Fragen ihre Zwischenberichte vorgestellt hatten.
Vor allem der Zwischenbericht der Studiengruppe 5 zu theologischen und kirchenrechtlichen Fragen zu diversen Ämtern – auch für Frauen – in der Kirche, die vom Präfekten des Glaubensdikasteriums, Kardinal Víctor Manuel Fernández, geleitet wird, hatte für Kritik in der Synodalaula gesorgt. Doch gerade bei der Frauenfrage habe die Synode "eine Art Rechenschaft verlangt", erklärte die Schweizer Delegierte Helena Jeppesen-Spuhler die angespannte Situation. Am kommenden Freitag müssen sich die Koordinatoren der Studiengruppen in einer Aussprache den Fragen der Synodenmitglieder stellen. "Ein päpstliches 'no basta' wird von vielen nicht mehr akzeptiert", so Jeppesen-Spuhler über den erfolgreichen Protest der Synode, die sich von der Kirchenleitung anscheinend nicht mehr alles gefallen lässt.
Das könnte ein erster Schritt hin zum Kulturwandel in der Kirche sein, den Kardinal Jean-Claude Hollerich aus Luxemburg in der Synode angemahnt hat. Der als Generalrelator für die inhaltliche Themensetzung der Weltsynode zuständige Luxemburger Kardinal bezog sich dabei zu Beginn des dritten Arbeitsabschnitts der Synode am Donnerstagnachmittag auf das Arbeitspapier der Versammlung. Das Instrumentum laboris empfehle "einen Kulturwandel in der Kirche", der einer vollständigen Haltungsänderung gleichkomme. Es gehe darum zu begreifen, dass die Beurteilung der Leistung von Verantwortungsträgern nützlich sei, etwa um aus Erfahrungen zu lernen, so Hollerich. Auch forderte er neue Wege bei der gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung in der Kirche. Zwar werde die Autorität derer, die diese im Namen Jesu ausüben, nicht infrage gestellt – aber sie sei keineswegs absolut. Die Mitberatung durch das Volk Gottes dürfe nicht als bloße Formalität gesehen werden. Die pyramidenförmig aufgebauten Machtstrukturen in der Kirche müssten durch Alternativen ersetzt werden, hatte Hollerich bereits am Montag zu Beginn der zweiten Sitzungswoche gesagt. Dabei gehe es um die Frage, "was zu tun ist, um die Beziehungen in der Kirche transparenter und harmonischer zu gestalten, damit unser Zeugnis glaubwürdiger wird".
Ähnlich äußerte sich auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, der am beratungsfreien Sonntag die Messfeier in der römischen Kirche Santa Maria dell'Anima feierte, die als frühere Nationalkirche für die Einwohner des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation noch heute eine Anlaufstelle für deutschsprachige Pilger in Rom ist. Er wolle sich bei der Synode für die Änderung von Machtstrukturen im Kirchenrecht einsetzen, so Bätzing in seiner Predigt. "Es geht um eine neue Kultur in der kirchlichen Gemeinschaft, und es braucht langen Atem, die zu erlernen."
62.000 Euro von der Synode für Kriegsopfer in Nahost
Ob die Synode zur Synodalität einen bedeutenden Beitrag zu diesem Kulturwandel leisten wird, hängt wohl maßgeblich auch vom Abschlussdokument der Versammlung ab. Zwar ist der Papst in der Umsetzung der Beschlüsse der Synodalen frei, dennoch besitzen ihre gesammelten Erkenntnisse und Forderungen eine gewisse Strahlkraft für die gesamte Kirche. In dieser Woche nun wurden die Mitglieder der Kommission gewählt, die das Abschlussdokument schreibt. Insgesamt 14 Personen – darunter zwei Frauen – widmen sich dieser Arbeit und legen damit den genauen Wortlaut des Papiers fest, das am Ende des 2021 von Franziskus ins Leben gerufenen weltweiten synodalen Prozesses stehen wird. Sieben "kontinentale Vertreter" wählte die Synode; Europa wird wie im vergangenen Jahr von Kardinal Jean-Marc Aveline aus Marseille vertreten. Drei Mitglieder bestimmte der Papst. Die restlichen vier Personen der Kommission gehören zur Synodenleitung. Den Vorsitz der Gruppe hat Generalrelator Hollerich inne. Am 26. Oktober, zum Ende der Synode, wird das Abschlussdokument vorgestellt. Bis dahin muss die Synode aber noch einen weiten Weg zurücklegen.
Papst Franziskus ist es wichtig, dass die Kirche sich auf diesem Weg nicht nur mit den zweifellos wichtigen Fragen nach ihrer Struktur und der Bedeutung von Synodalität beschäftigt – und sich damit um sich selbst dreht. Das Kirchenoberhaupt fordert den Blick in die Welt und hat die Synodalen deshalb am ersten Jahrestag des Terror-Überfalls der Hamas auf Israel zu einer Kollekte für die Opfer des Kriegs im Gaza-Streifen aufgerufen. Insgesamt kamen 32.000 Euro zusammen, die vom päpstlichen Almosenmeister Kardinal Konrad Krajewski um weitere 30.000 Euro ergänzt wurden. Krajewski selbst stand mit einem großen Spendenkorb am Eingang der Synodalaula. Franziskus rief zudem einen Tag des Gebets und des Fastens für den Frieden in der Welt aus, zu dem er nicht nur die Mitglieder der Synode einlud.