Schwartz auf Weiß – Der Blog aus der Aula der Weltsynode: Teil 6/2024

Von einem "Vorfall" bei der Weltsynode und dem Schweigen der Kirche

Veröffentlicht am 11.10.2024 um 11:24 Uhr – Von Thomas Schwartz – Lesedauer: 

Bonn ‐ Für die Logistik im Vatikan bei der Weltsynode findet Thomas Schwartz lobende Worte. In seinem neuen Blog-Beitrag berichtet er jedoch auch von einem "Vorfall", der sich am Donnerstag ereignete: Schweigen, Stille, kein Mucks in der Synodenaula.

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Was mich als Teilnehmer der Weltsynode im Vatikan, der ja bekanntlich zwar ein eigener souveräner Staat ist, aber nur wenig größer als 40 Fußballfelder mitten in Rom und also in italienischen Gefilden liegt, wundert, ist die Tatsache, dass bislang die Organisation dieser Versammlung wie am Schnürchen funktioniert hat.

Für jeden gibt es in der Synodenaula ein eigenes Fach, in dem sich ebenso wichtige Informationen wie Postwurfsendungen finden. An jedem Platz gibt es ein funktionierendes Tablet, das alle jeweils aktuellen Tagesordnungspunkte und auch die offiziellen Beiträge des Sekretariats papierlos vorhält. Auch die eher leiblichen Bedürfnisse sind aufs Beste befriedigt – wenn man nicht wie zum Gedenken des 7. Oktober zum Gebet und zum Fasten aufruft. Der Transport zu den mitunter etwas weiter entfernten Unterkünften ist bestens organisiert. Auch die Simultan-Übersetzungen aller im Plenum gesprochenen Beiträge klappen prima. Wehmütig und demütig denke ich da an so manche deutsche Dysfunktionalität während der Fußball-Europameisterschaft oder bei anderen Gelegenheiten, auch wenn hier natürlich nur etwa 360 Menschen zusammenkommen. Aber man muss der Organisation einer solchen Veranstaltung schon einmal Respekt zollen.

Bei allem Lob der Logistik im Vatikan kam es gestern doch (endlich, denkt sich das leidgeprüfte deutsche Herz beinahe) zu einem "Vorfall".

Während der Generalversammlung in Anwesenheit des Papstes war der zum Kardinal ernannte englische Dominikaner Timothy Radcliffe zu einer geistlichen Einführung in das dritte Modul des "Instrumentum Laboris", also des Arbeitspapiers der Synode, ans Mikrofon getreten. Er deutete ausgehend von Mt 15,21-28 die Begegnung Jesu mit einer kanaanitischen Frau, wo es wörtlich heißt: "Jesus aber gab ihr keine Antwort" (Vers 23) dergestalt aus, dass in der Kirche das Schweigen ein wichtiger Schritt zu wichtigen Entscheidungen sei. Und genau in diesem Augenblick versagte die Übersetzungstechnik. Schweigen, Stille. Kein Mucks in der Synodenaula. Denn wenn auch viele Mitglieder der Synode Englisch sprechen, so ist es dennoch nicht unbedingt die Mehrheit. Man braucht die Übersetzungsarbeit, um verstehen zu können.

Und manchen wurde klar: Es braucht auch Übersetzungsarbeit für das, was auf dieser Synode geschieht. Es ist nicht allen einsichtig, ob und wie die Kirche sich bewegt, verändert. Viele verstehen nicht mehr, was in der Kirche passiert. Manche fühlen sich gerade vom Schweigen der Kirche zu Fragen, die ihr Leben als Christ und Christin betreffen, nicht angenommen, fühlen sich ausgegrenzt und wenden sich ab.

Als dann nach knapp fünf Minuten die Übersetzungstechnik wieder funktionierte, ging Radcliffe in geradezu prophetischer Ausdeutung genau darauf ein und machte zur Diskussion um die Rolle der Frau in der Kirche und eine wirkliche Gleichberechtigung in allen Bereichen auf den Mut der kanaanitischen Frau aufmerksam. Sie habe sich weder von der Ablehnung der Jünger noch vom Schweigen Jesu von ihrem Ziel abbringen lassen, für ihr krankes Kind Heilung zu erbitten. Manchmal sei das Schweigen der Kirche die Weise, wie sie im Umgang mit einem Thema, das auf den Nägeln brenne, nach vorne gehe, weil im Schweigen auch der Raum zum Suchen und Hören des Willens Gottes gegeben sei, so Radcliffe sinngemäß. Ich hoffe, ich habe ihn richtig verstanden.

Von Thomas Schwartz

Hinweis

Pfarrer Thomas Schwartz ist Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerk Renovabis und Teilnehmer bei der Weltsynode in Rom. In seinem Blog schreibt er in regelmäßigen Abständen über seine Erlebnisse und Eindrücke. – Renovabis hat seit 1993 zur Erneuerung von Kirchen und Gesellschaften in 29 Ländern Mittel- und Südost- Osteuropas beigetragen. Bis heute wurden dabei mit rund 870 Millionen Euro mehr als 26.000 Projekte von Partnerorganisationen vor Ort unterstützt.