Das "Let it flow" der Weltsynode – Versöhnlicher Abschluss ohne Ende
Ein flauschiges Kissen der Harmonie bettete das Ende eines gewagten Papst-Experiments weich. Der Ausgang der Weltsynode stimmte selbst viele bisweilen sehr kritische Westkirchen-Vertreter versöhnlich und vorsichtig optimistisch. Zwei Mal für jeweils vier Wochen traten Katholiken zu intensiven Beratungen im Vatikan zusammen. Ihre Aufgabe: Wege eines anderen Miteinanders in der katholischen Kirche und mehr Beteiligung aller Gläubigen zu finden. Herausfordernd war dabei schon die Methodik: Zuhören, Schweigen und Beten. Konkrete Reformen? Nicht geplant.
Die Methode selbst brauchte zunächst Übung, lief aber in der finalen Beratungsrunde fast reibungslos. Und auch inhaltlich schien weitgehend Konsens unter den rund 360 Teilnehmer zu herrschen. Keiner der 155 Abstimmungspunkte des Abschlussdokuments fiel durch. Doch dürfte die Rezeption des Gesamtkunstwerks Weltsynode unterschiedlich ausfallen.
Schlussdokument als leere Hülle
Das mit einem unklaren kirchenrechtlichen Status veröffentlichte Abschlussdokument ist noch eine leere Hülle, die nun mit Leben gefüllt werden muss. Wer das wie genau tun wird, ist ebenfalls in der Schwebe. "Interpretationsoffen", nannte das der Passauer Bischof Stefan Oster.
Doch sind es nicht nur die noch umzusetzenden Vorschläge, die das Experiment hervorgebracht hat. Vielmehr ergab sich erstmals im 21. Jahrhundert eine umfassende Zustandsbeschreibung der katholischen Weltkirche.
Selbstbewusst und meist konservativ stachen vor allem die afrikanischen Vertreter auf der Versammlung hervor. Sie gaben auch jenen Teilnehmern eine Stimme, die sich von Bedürfnissen und Ansichten des globalen Nordens abgrenzen wollten – ganz gleich, wo sie sich auf der geographischen Landkarte befinden. Sie übernahmen die Führungsrolle, die einst Lateinamerikas Bischöfe ausfüllten.
Doch auch Letztere profitierten mit ihrem starken Verbund, dem Lateinamerikanische Bischofsrat CELAM. Während es kontinentale Bischofsverbände ebenso für Afrika und Asien gibt – und ein Austausch unter all diesen Gremiem stattfindet – kommt der europäische Kontinent eher blass daher. Es fehlt an gemeinsamer Vision für einen starken Team-Auftritt.
Süd-Nord-Gefälle
Zudem verschiebt sich das Machtgefälle in der katholischen Welt: Die Ortskirchen des globalen Nordens mögen (noch) reicher an Geld sein, doch in ihren stark säkularisierten Ländern ärmer an Mitgliedern und Priesternachwuchs. "Die Kirche geht Richtung Süden", beschrieb der Wiener Kardinal Christoph Schönborn die Entwicklung.
So hat man auf der einen Seite um vollständigen Bedeutungsverlust bangende Kirchenvertreter. Die hoffen, mit konkreten Reformen und gesellschaftspolitischer Anpassung wenigstens ein paar ihrer Schäfchen in der Herde zu halten.
Auf der anderen Seite stehen stolze Vertreter einer wachsenden Kirche im globalen Süden. Die scheuen wiederum allzu radikale Veränderungen vor allem aus westlicher Feder, die ihre – auch gesellschaftliche – Macht einschränken würden. Beteiligte beider "Lager" schienen dem Vernehmen nach gewisse Schwierigkeiten mit dem Verständnis für den jeweils anderen zu haben.
Zwischen all diesen steht der Papst. Er muss sich qua Amt um die Einheit in seiner Kirche bemühen. Ein Indiz dafür, dass ihm das nicht leicht fällt, dürfte seine Entscheidung sein, kein eigenes postsynodales Lehrschreiben zu verfassen. In jedem Fall unterstreicht sein überraschender Schritt das neue synodale "Let it flow"-Gefühl – mehr Geist, mehr nebeneinander stehen lassen, weniger Entscheidung.
Gestärkte Laien
Ist daher außer vieler Spesen kaum etwas gewesen? Die Rolle der Laien unter den Versammlungsteilnehmern hat Franziskus jedenfalls deutlich gestärkt – und damit wohl dem ein oder anderen Bischof das Absteigen vom klerikalen Ross erleichtert. Zugleich führte er die Gesprächskultur weg von einem allzu akademischen Austausch von Argumenten hin zu echtem Zuhören. Zudem hat er die Weite der Weltkirche sichtbar gemacht – mit all ihren Baustellen und Befindlichkeiten. Es wurde klar: Niemand in dieser Kirche hat derzeit keine Probleme.
Nun sind die vielzitierten Türen geöffnet, um weiter voneinander zu lernen, einen kleinen Samen des Verständnisses keimen lassen und die "Einheit in der Verschiedenheit" oder "Harmonie in der Vielfalt" zu üben. Abzuwarten bleibt, wann die Frucht derlei Erkenntnisse in der gesamten Weltkirche reif zur Ernte ist.