Erzbischof Koch zur sanierten Kathedrale: "Ein Zeichen der Hoffnung"
Der Umbau der Sankt Hedwigs-Kathedrale war unter Berliner Katholiken umstritten. Wie der Berliner Erzbischof Heiner Koch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte, hat der "teilweise aggressive Widerspruch" aber nachgelassen. Gleichzeitig erreiche ihn mehr und mehr Zustimmung zur Umgestaltung. Am 24. November ist die Wiedereröffnung der Bischofskirche.
Frage: Herr Erzbischof, sechs Jahre war die Sankt Hedwigs-Kathedrale wegen Umbaus geschlossen, nun wird sie wiedereröffnet. Wie fühlen Sie sich?
Koch: Wir hatten sechs Jahre eine große Leerstelle in Berlin-Mitte: Die Kathedrale war zwar sichtbar, aber unerreichbar. Das hat mich belastet. Gut, dass wir zurückkehren und Sankt Hedwig als Ort des Gebets und des Gottesdienstes wieder nutzen können. Darauf freue ich mich, und ich weiß, dass es vielen Menschen so geht. Ich weiß aber auch: Mit dem Abschluss der Umgestaltung ist es nicht getan. Wichtiger sind die Menschen, die sich dort engagieren. Das werden wir neu aufbauen müssen.
Frage: Den Startschuss zum Umbau hat Ihr Amtsvorgänger, Kardinal Rainer Maria Woelki, gegeben, bevor er 2014 nach Köln wechselte. Von Anfang an gab es unter Berliner Katholiken auch erheblichen Widerstand gegen die Umbaupläne. Erinnern Sie sich noch an diese Zeit? Es waren Ihre Anfänge in Berlin...
Koch: Natürlich. Ich habe mich damals mit verschiedenen Verantwortlichen und Experten intensiv ausgetauscht und beraten; wir haben durchaus kontrovers diskutiert und gerungen, ob und wie wir die Kathedrale umbauen sollen. Ich habe dabei viel gelernt über Ästhetik und Wahrnehmung, aber auch wie viele Emotionen und Erinnerungen mit der Kathedrale verbunden sind. Da gibt es kein richtig oder falsch, ist aber trotzdem wichtig.
„Mit dem Abschluss der Umgestaltung ist es nicht getan. Wichtiger sind die Menschen, die sich dort engagieren.“
Frage: Ungefähr 40 Millionen Euro mussten Sie für den Umbau der Kathedrale stemmen. Wie rechtfertigt man solche Ausgaben eigentlich, da die Kirche immer weniger Gläubige hat und zum Sparen gezwungen ist?
Koch: Zunächst wiederhole ich von Herzen meinen Dank an alle, die uns unterstützen: Für die Kathedrale und das Bernhard-Lichtenberg-Haus zusammen haben wir 2016 60 Millionen Euro budgetiert. In diesem Rahmen haben die deutschen katholischen Bistümer 10 Millionen gegeben; der Bund und das Land Berlin zusammen weitere 20 Millionen Euro. Das Erzbistum Berlin hat über viele Jahre Rücklagen gebildet für die überfällige Sanierung, und während der Planungs- und Bauphase wurde alles unternommen, um die Kosten zu reduzieren, wie kostenbewusste Umplanung, Optimierung der Baumaßnahme, frühzeitig erfolgte Ausschreibungen und Controlling, nur so ist es gelungen, das für die Kathedrale vorgesehen Budget von 40 Millionen Euro annähernd einzuhalten.
Dennoch ist es eine große Summe, dessen bin ich mir bewusst. Wir haben uns auch dafür entschieden, weil wir davon ausgehen müssen, dass es für kommende Generationen eher schwieriger werden wird, ein solches Projekt zu stemmen. Und wir vernachlässigen nicht unsere anderen Schwerpunkte in Caritas und Pastoral. Wir unterstützen die Pfarreien in der Entwicklung ihrer Immobilien und kümmern uns um die Sanierung und Ertüchtigung unserer Schulen.
Frage: Wie nehmen Sie aktuell die Atmosphäre unter Berliner Katholiken wahr, wenn es um den Umbau geht?
Koch: Ich bin froh, dass der teilweise aggressive Widerspruch nachgelassen hat, man kann sich besser über den Entwurf auseinandersetzen, auch streiten, ohne sich zu verletzen. Es erreicht mich mehr und mehr Zustimmung zur Umgestaltung. Gleichzeitig bin ich mir sehr bewusst, dass keine Entscheidung auf ungeteilte Zustimmung stößt. Ich lade alle ein, auch die Gegner, der Kathedrale eine Chance zu geben und sich offen und unvoreingenommen die neue Gestaltung anzuschauen. Bei den Spendern jedenfalls kann ich keine Unterschiede nach Herkunft und Alter feststellen.
Frage: Was ist Ihr Lieblingselement in der Kathedrale?
Koch: Der Altar, schon der erste Gottesdienst zur Weihe hat mich überzeugt. Es war für mich überwältigend in der Mitte der Gemeinde dort zu zelebrieren. Um den runden Altar bilden sich die weiteren Kreise der Communio, der Gemeinschaft der Gläubigen, und füllen den Rundbau. Die Versammlung um den Altar drückt sehr schön den synodalen Charakter der Kirche aus. Eine Gemeinschaft, die sich gemeinsam um Christus versammelt, gemeinsam unterwegs ist.
Frage: Wie würden Sie die "Zielgruppe" der sanierten Sankt Hedwigs-Kathedrale definieren?
Koch: Die Zielgruppe war bunt, und sie bleibt bunt. Die Kathedrale ist die zentrale Kirche des Erzbistums. Sie ist aber auch die Kirche der katholischen Kirche in der Bundeshauptstadt. Was wichtig ist für Gottesdienste beispielsweise zur Eröffnung des Bundestags oder der Bundesversammlung. Sie ist auch die Kirche für stille Besucher, Menschen, auf die ich mich persönlich sehr freue. Immer wieder habe ich in der Vergangenheit in Sankt Hedwig Begegnungen mit Menschen gehabt, die eine Sehnsucht nach Gott haben, ohne dass sie Christen sind. Das wird sich hoffentlich fortsetzen. Auch Menschen, die nicht suchen, sondern vielleicht einfach nur für Momente der Stille durchatmen möchten, steht die Kathedrale natürlich offen. Ebenso für Touristen und Berufstätige.
Frage: In Nähe der Kathedrale tummeln sich Kulturinstitutionen wie das Humboldtforum und die Staatsoper, Justizministerium und Auswärtiges Amt sind auch nicht weit entfernt. Haben Sie diese Nachbarn eingeladen oder wollen Sie am 24. November lieber unter sich sein?
Koch: Bei den unmittelbaren Nachbarn bedanke ich mich für die Geduld, mit der sie unsere Baustelle ertragen und uns auch vielfach unterstützt haben. Natürlich haben wir die eingeladen. Wir freuen uns über Zusagen aus der Bundes- und Landespolitik, aus der Ökumene, aus Kultur und Gesellschaft. Besonders wichtig ist mir, dass auch unser Bistum bei dem Gottesdienst sich abbildet mit Vertreterinnen und Vertretern aus allen Pfarreien und aus Caritas, Orden und Verbänden.
„Auch Menschen, die nicht suchen, sondern vielleicht einfach nur für Momente der Stille durchatmen möchten, steht die Kathedrale natürlich offen.“
Frage: Kommt auch Kardinal Woelki?
Koch: Kardinal Woelki wird bereits am Sonntag konzelebrieren, am Montag ist der natürlich dabei, wenn sich der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz erstmals um den neuen Altar versammelt. Dazu werden auch weitere Bischöfe aus benachbarten und uns besonders verbundenen Bistümern kommen.
Frage: Welche Rolle wird die Kultur zukünftig bei der Nutzung der Kathedrale spielen?
Koch: Kultus und Kultur sind eng miteinander verknüpft. Das gilt zuerst für die würdige Gestaltung der Gottesdienste mit Orgel, Chören und Ensembles. Die Liturgie in der Bischofskirche soll vorbildlich für das ganze Bistum sein. Konzerte oder Lesungen kann ich mir sehr gut in der Kathedrale vorstellen. Zu Kultur gehören für mich auch Gastfreundschaft und Achtsamkeit, wir sehen auch die Menschen in Not wie Obdachlose und sie sind uns willkommen. Die Kathedrale ist ein Zeichen der Hoffnung – für alle Menschen in dieser Stadt. Wir wollen Berlin und unser ganzes Bistum damit stärken. Insofern ist die Umgestaltung auch ein Glaubenszeugnis.