Rot, Lila oder Rosa – Welche Farbe haben die Kerzen am Adventskranz?
In Blumenläden sieht man schon Adventskränze. Auch in den Pfarreien sind die Vorbereitungen für den Advent bereits im Gang. Gottesdienste werden geplant, ihre musikalische Gestaltung, die Einbindung von Familien, die Rorate-Messen, vielleicht auch eine geistliche Einführung zur Advents- und Weihnachtsliturgie. Vor allem aber wird der Adventskranz für die Kirchen und für zu Hause besorgt, teilweise selbst gebunden. Da stellt sich die Frage: Welche Farben sollten die Kerzen für den Adventskranz haben?
Der Adventskranz geht auf den evangelischen Pastor Johann Hinrich Wichern zurück, der von 1808 bis 1881 in Hamburg lebte. 1839 kam ihm die Idee, die beständige Frage der Kinder im Hamburger Rauhen-Haus, wie lange es noch bis Weihnachten dauere, auf ganz anschauliche Weise zu beantworten: Er hing ein Wagenrad mit Kerzen für jeden Tag des Advents auf: Vier dicke weiße für die Sonntage und rote kleine für die Werktage. Je nach Beginn des Advents – der erste Sonntag ist immer jener, der dem 30. November am nächsten kommt – konnte dieser Kranz zwischen 22 und 28 Kerzen haben. Ab 1860 wurde das Rad mit grünen Zweigen umwickelt. Der Adventskranz verbreitete sich zunächst unter evangelischen Christen, wobei man der Einfachheit halber nur vier Kerzen für die Sonntage aufsteckte.
1925 ist der Adventskranz mit vier Kerzen zuerst in einer katholischen Kirche in Köln bezeugt. Gefördert durch die Jugendbewegung Quickborn verbreitete sich der Brauch auch in katholischen Kirchen und bei den Gläubigen zu Hause. Pius Parsch, der von 1884 bis 1954 lebte und Augustiner Chorherr in Klosterneuburg bei Wien war und der in der Liturgischen Bewegung eine wichtige Rolle spielte, erwähnte den Adventskranz zuerst 1927 beiläufig in seinem Liturgiekalender. Im Buch "Adventabend. Vorlagen und Winke für Heimabende" aus dem Jahr 1932 ermunterte er und Maria Salamon, einen Adventskranz für die Kirche und für zu Hause zu binden und am Vorabend des ersten Advent in der Kirche segnen zu lassen. Zu den Farben der Kerzen äußerten sie sich allerdings nicht. Für das Aufhängen des Adventskranzes empfahlen sie grün-violette Bänder. In einer überarbeiteten Auflage von 1958 ist von roten oder gelben Kerzen die Rede. Durch den hohen Bienenwachsanteil waren sie gelb und diese Kerzen waren daher besonders kostbar. Rot als Farbe der Liebe wird wohl vorherrschend gewesen sein, wie auch das Kinderlied "Dicke rote Kerzen" von Rolf Krenzer, der von 1936 bis 2007 lebte, nahelegt.
Vermehrt sieht man in Deutschland Adventskränze mit Kerzen in den liturgischen Farben: Das heißt, es sind meist drei violette und eine rosa Kerze, die für den dritten Adventssonntag Gaudete steht, um damit die Freude am Herrn auch am Adventskranz deutlich zu machen. Den Ursprung der rosa Kerze kann man genau zurückverfolgen: Sie geht auf die Liturgische Bewegung in den USA zurück, die stark von Deutschland beeinflusst war. Denn die Rezeption und Verbreitung des Adventskranzes in Amerika verdankten sich besonders einer Frau aus Köln: Das war Therese Mueller, die von 1905 bis 2002 lebte. Sie war wie ihr Ehemann von der Jugendbewegung, dem Theologen Romano Guardini und der benediktinischen Spiritualität der Abtei Maria Laach geprägt und hat in Volkswirtschaft promoviert.
Als ihr Mann wegen der Nationalsozialisten nicht mehr an der Universität Köln lehren durfte, emigrierte die Familie 1937 in die USA. Therese Mueller engagierte sich nun in der dortigen liturgischen Bewegung. Auf einer Veranstaltung, der National Liturgical Week, bei der liturgisch interessierte Menschen jährlich zusammenkamen, berichtete die vierfache Mutter 1941 in einem Referat ausführlich vom Brauch des Adventskranzes. Sie sagte dort, dass es eine gute Möglichkeit sei, die frohe Erwartung auf Weihnachten in der Familie zu begehen. Pfarrer Martin Hellriegel, der von 1890 bis 1981 lebte, und der als Jugendlicher aus Heppenheim in Baden-Württemberg auch nach Amerika auswanderte, bestand damals darauf, die deutschen roten Kerzen durch violette beziehungsweise rosa Kerzen zu ersetzen, um so den liturgischen Farben zu entsprechen. Diese Farbwahl für Adventskerzen ist in den USA bis heute allgemeine Praxis. Wenn in Deutschland für den adventlichen Schmuck eher Kerzen in violett und rosa gewählt werden, scheint das ein Reimport aus Amerika zu sein.
Es gibt liturgischerseits keine Vorschrift, welche Farben die Kerzen am Adventskrankz haben sollen. Doch sie können, glaube ich, eine Botschaft haben: Das zunehmende Licht verweist auf Christus, das Licht der Welt, das in der Finsternis leuchtet. Dazu passt die Bibelstelle in Johannes 1,5 oder Johannes 8,12. Rote Kerzen können auf die Liebe hinweisen, bienenwachsfarbene auf die Kostbarkeit des Advents als Zeit freudiger Erwartung und violette auf die liturgische Farbe der Vorbereitung. Die rosa Kerze deutet auf die Freude hin, wie sie der Apostel Paulus in seinem Brief an die Philipper ausdrückt: "Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Der Herr ist nahe". Das ist der Advent.
Veranstaltungshinweis für den Advent
Am Samstag, den 30. November 2024, gestaltet von 9.30 Uhr bis 13 Uhr der Liturgiewissenschaftler Marco Benini eine geistliche Einführung zur Liturgie der Advents- und Weihnachtszeit zum Thema "Gott wird Mensch". Die Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz lädt sowohl Kirchengemeinden und Interessierte dazu ein, online oder vor Ort an der Veranstaltung teilzunehmen. Anmeldung und Programm finden Sie hier www.lebendig-akademisch.de/weihnachten.