Standpunkt

Jesus darf nicht seiner jüdischen Herkunft beraubt werden

Veröffentlicht am 11.12.2024 um 00:01 Uhr – Von Agathe Lukassek – Lesedauer: 

Bonn ‐ Ein Foto von Papst Franziskus vor einer Krippe, in der das Jesuskind auf einem Palästinensertuch liegt, hat weltweit für Empörung gesorgt. Agathe Lukassek warnt davor, zu vergessen, dass Jesus ein gläubiger Jude war.

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"Denkt der Papst etwa, dass Jesus kein Jude war? Hat er überhaupt die Bibel gelesen?" So kommentierte der israelische Autor Hen Mazzig ein Foto, das Papst Franziskus vor einer Krippe zeigt. Die Besonderheit: Das Jesuskind liegt auf einer Kufiah, einer Kopfbedeckung, die seit Jassir Arafat als Palästinensertuch bekannt ist.

Die von Künstlern aus Bethlehem geschaffene Krippe ist ein Geschenk der palästinensischen PLO. Die politische Instrumentalisierung des Jesuskinds war laut Medienberichten keine Idee der Künstler: Ursprünglich soll die Krippe nicht mit der Kufiah bedeckt gewesen sein, ein Vertreter der palästinensischen Delegation habe sie kurz vor der Ankunft des Papstes dort drapiert.

Die Empörung von Juden und Israelis ist berechtigt: Von seiner Geburt und Beschneidung an ist biblisch überliefert, dass Jesus ein gesetzestreuer Jude war. Erst mehr als hundert Jahre nach seinem Tod benannten die Römer ihre Provinz Judäa in Syria Palaestina um, um den namentlichen Bezug zum jüdischen Volk zu tilgen. Der Islam entstand nochmal fünfhundert Jahre später. Seit mehr als 50 Jahren meint der Begriff Palästinenser arabischsprechende Muslime und Christen und schließt Juden aus. Im Vatikan müsste all das bekannt sein, dem Papst auch.

Und dennoch ist das der bereits dritte Vorfall innerhalb von zwei Monaten, in dem Franziskus Juden verstört: Am Jahrestag des 7.10.2023, des tödlichsten Tages für Juden nach der Shoa, schrieb der Papst einen Brief an die Katholiken in Nahost. Darin kam Israel nicht vor, das Leid wurde nur einseitig benannt. Zudem zitierte er eine antijudaistische Bibelstelle, die Juden entmenschlicht und Massaker bis in die Gegenwart begleitet hat. Wenige Wochen später sagte Franziskus in einem Buch, dass Genozid-Vorwürfe gegen Israel wegen seines Vorgehens in Gaza zu prüfen seien, erneut ohne den Terror gegen den Staat Israel zu erwähnen.

Im Oktober 2025 feiern wir 60 Jahre Nostra Aetate, der Erklärung des Zweiten Vatikanums, die den christlich-jüdischen Dialog revolutionierte. Es bleibt zu wünschen, dass dieser wichtige Termin im Zuge des Heiligen Jahres nicht untergeht. Möge sich der Papst auf die jüdischen Ursprünge des Christentums besinnen, Sensibilität für die aktuelle Situation von Juden zeigen und die Beziehungen zum Judentum intensivieren. In Zeiten, wo unter den Schlagworten Palästina-Solidarität und Israelkritik Synagogen angezündet und jüdische Menschen angegriffen werden, dürfen Christen und ihr Papst nicht noch einmal schweigen.

Von Agathe Lukassek

Die Autorin

Agathe Lukassek ist Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Hildegardis-Verein mit Sitz in Bonn.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.