Die Gefahr der Geschenke
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"Ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen." – Vergil verweist mit diesen Worten in der Aeneis auf das trojanische Pferd, ein zweifelsohne gefährliches Geschenk. Trojaner sind modernen Zeitgenossen eher als hochinfektiöse Dateien bekannt, die ganze Computersysteme lahmlegen oder ausspionieren können. Geschenke können Beziehungen stärken; sie können sie aber auch gefährden. Und Geschenke können verpflichten – selbst, wenn sie unerwünscht sind.
Das Dilemma des Schenkens wird in wenigen Tagen unter nicht wenigen Weihnachtsbäumen erfahren werden. Selig diejenigen, die den Kassenbon aufbewahrt haben, damit man das noch so gutgemeinte, letztlich aber "falsche" Geschenk umtauschen kann. Die Freude ist nur über das "richtige" Geschenk groß.
Wie groß die Gefahr von Geschenken ist, die man kaum zurückweisen kann, musste unlängst selbst der Papst erfahren, der eine Krippe aus Palästina überreicht bekam, in der der als Jude geborene Jesus mal eben auf eine Kufiya gelegt und so arabisch vereinnahmt wurde. Der Exklusivismus mag angesichts des Grauens in Gaza menschlich aus palästinensischer Sicht verständlich sein; gleichwohl wird Jesus, wie Agathe Lukassek an dieser Stelle zu Recht bemerkte, seiner jüdischen Herkunft beraubt. Friede also auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens? Ein andächtiger Papst vor dieser Krippe ist ein echtes Danaergeschenk, dass die Beziehung zu den jüdischen Geschwistern zu vergiften imstande ist.
Überhaupt wird die Geschenke-Metapher in der Kirche gerne verwendet, wenn Argumente nicht zur Hand sind. Dann können wahlweise Armut wie Reichtum göttliche Geschenke sein – je nach persönlichem Gusto. Auch der Zölibat wird gerne als Geschenk bezeichnet. Dabei wollen viele in der Kirche dieses Geschenk womöglich gar nicht. Gibt es Umtauschmöglichkeiten?
Es geht hier nicht um die Frage nach Sinn und Relevanz des Zölibates, sondern um Rhetorik. Wir sollten schon ehrlich miteinander reden und nicht zu Metaphern greifen, die sich als trojanische Pferde erweisen. Die nämlich säen eher Misstrauen, wo die Kirche gerade in der Gegenwart mehr denn ja ein substantielles Vertrauen braucht.
Der Autor
Dr. Werner Kleine ist Pastoralreferent im Erzbistum Köln und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.