Pfarrer: Ich werde mich in meinen Predigten ganz sicher nicht mäßigen
Mit kritischen Aussagen gegen die AfD und deren Bundessprecherin Alice Weidel in seiner Silvesterpredigt hat der Erdinger Stadtpfarrer Martin Garmaier den Zorn eines pensionierten Polizisten auf sich gezogen. Dieser zeigte den Geistlichen nach Neujahr an. Im Interview mit katholisch.de spricht Garmaier über die Auswirkungen der Anzeige und die Reaktionen, die in bisher erreicht haben. Außerdem äußert er sich zu der ewigen Streitfrage, wie politisch eine Predigt sein darf.
Frage: Pfarrer Garmaier, wie geht es Ihnen mit Blick auf die Anzeige gegen Sie?
Garmaier: Das bewegt mich und natürlich beunruhigt es mich auch ein wenig. Vor allem aber fordert mich die ganze Sache zeitlich heraus, weil ich deswegen momentan sehr viele Anrufe und E-Mails bekomme. Die Reaktionen, die mich erreichen, sind aber weitgehend positiv, und das ist natürlich eine schöne Bestärkung. Inzwischen haben sich auch schon mehrere Juristen bei mir gemeldet und mir gesagt, dass ich mir keine Sorgen machen muss, weil bei der Anzeige nichts rauskommen wird. Insofern sehe ich dem Ganzen doch einigermaßen gelassen entgegen.
Frage: Haben Sie sich wegen der Anzeige denn schon selbst anwaltliche Unterstützung geholt?
Garmaier: Nein, weil ich weder von der Staatsanwaltschaft noch vom Kläger bislang irgendetwas Offizielles bekomme habe. Dass es die Anzeige gibt, habe ich nur aus der Presse erfahren.
„Die Kritik, die mich bislang erreicht hat, war überwiegend unter der Gürtellinie. Verbale Angriffe, die teilweise sehr verletzend waren.“
Frage: Kennen Sie den Mann, der Sie angezeigt hat, persönlich?
Garmaier: Nein, persönlich nicht. Ich hatte allerdings schon mit ihm zu tun. Er ist hier bei uns als sehr aktiver Leserbriefschreiber bekannt, der auch schon damit gedroht hat, andere Personen des öffentlichen Lebens vor Gericht zerren zu wollen. Ich hatte zum ersten Mal nach meiner Silvesterpredigt 2023 einen Disput mit ihm, weil er von mir eine Richtigstellung wegen einer Antwort von mir auf einen Leserbrief von ihm zu einem Bericht über die Predigt in unserer lokalen Zeitung forderte. Als ich das verweigerte, hat er mir auch damals schon mit einer Anzeige wegen übler Nachrede gedroht – daraufhin kam aber nichts.
Frage: Sie haben gesagt, dass Sie in den vergangenen Tagen viele positive und bestärkende Reaktionen erreicht haben. Gab es denn auch Kritik?
Garmaier: Die Kritik, die mich bislang erreicht hat, war überwiegend unter der Gürtellinie. Verbale Angriffe, die teilweise sehr verletzend waren. Aber das war, Gott sei Dank, die Ausnahme.
Frage: Rechnen Sie damit, dass auch die AfD oder sogar Frau Weidel persönlich in dieser Sache noch aktiv werden – zum Beispiel in Form einer eigenen Anzeige gegen Sie?
Garmaier: Damit rechne ich nicht. Ich habe bislang auch nichts in dieser Richtung mitbekommen.
Frage: Ihr Fall wirft eine ewige Streifrage neu auf: Wie politisch dürfen oder sollen Predigten sein?
Garmaier: Als Prediger ist es unsere Aufgabe, das Wort Gottes zu verkünden. Um das angemessen tun zu können, müssen wir oftmals auch politisch sein, weil wir als Kirche nicht im luftleeren Raum agieren, sondern Teil der Gesellschaft sind. Für uns als Kirche muss es darum gehen, bestimmte Werte zu vertreten, die dem Christentum entspringen. Dazu gehören ganz zentral auch die Menschenrechte, also der Respekt vor jedem Menschen – egal, woher er kommt und was er ist. Und aus dieser Perspektive heraus sehe ich bei der AfD und speziell auch bei Frau Weidel viel Kritikwürdiges.
Frage: In wenigen Wochen findet die Bundestagswahl statt, bei der ein starkes Ergebnis der AfD erwartet wird. Das könnte wieder ein Anlass für Sie sein, sich politisch zu äußern. Oder werden Sie sich nach der Anzeige diesbezüglich jetzt erstmal ein bisschen mäßigen?
Garmaier: Weder noch. Ich werde mich in meinen Predigten ganz sicher nicht mäßigen, es ist aber auch nicht per se meine Aufgabe, mich in einer Predigt zu Wahlergebnissen zu äußern. Wenn es mir inhaltlich angemessen erscheint, werde ich aber ganz sicher auch wieder zu politischen Themen etwas sagen.