Die Kirche kämpft weiter gegen Extremismus – mit verschiedenen Mitteln
"Wie hältst du es mit der AfD?" Das ist die Gretchenfrage des Jahres 2025, jedenfalls für die Unionsparteien. Die Kirche hat diese Frage bereits Ende Februar 2024 für sich beantwortet. Doch seitdem die deutschen Bischöfe die Erklärung "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar" präsentiert haben, ist viel passiert. "Das Dokument hat an Aktualität nichts verloren, im Gegenteil: Es ist heute – auch am Vorabend der Bundestagswahl – wichtiger denn je", sagte zuletzt die DBK-Generalsekretärin Beate Gilles. Zeit für einen Blick auf die praktischen Folgen.
Die Erklärung sparte nicht an starken Worten: "Nach mehreren Radikalisierungsschüben dominiert inzwischen vor allem in der Partei 'Alternative für Deutschland' (AfD) eine völkisch-nationalistische Gesinnung. Die AfD changiert zwischen einem echten Rechtsextremismus, den der Verfassungsschutz einigen Landesverbänden und der Jugendorganisation der Partei attestiert, und einem Rechtspopulismus, der weniger radikal und grundsätzlich daherkommt", heißt es da. Die Bischöfe sagten "mit aller Klarheit: Völkischer Nationalismus ist mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar. Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein und sind auch nicht wählbar. Die Verbreitung rechtsextremer Parolen – dazu gehören insbesondere Rassismus und Antisemitismus – ist überdies mit einem haupt- oder ehrenamtlichen Dienst in der Kirche unvereinbar."
Engagement in der AfD sollte also ein Ausschlusskriterium für kirchliches Engagement sein, haupt- wie ehrenamtlich. Im September folgten dann "Erläuterungen zum Umgang mit extremistischen Positionen, die im Widerspruch zu tragenden Grundsätzen der katholischen Kirche stehen". Die DBK argumentierte darin, dass das Engagement für die AfD und andere extremistischen Parteien eine kirchenfeindliche Betätigung darstellten. Sie bezog sich auf die "Grundordnung des kirchlichen Dienstes". Laut dieser genüge zwar nicht die bloße Mitgliedschaft in einer extremistischen Partei. Allerdings liege eine kirchenfeindliche Betätigung etwa dann vor, "wenn – unabhängig von der Mitgliedschaft oder Betätigung in einer Partei oder Organisation – Fremdenhass propagiert wird, also öffentlich fremdenfeindliche, rassistische oder antisemitische Äußerungen getätigt werden". Eine Handlung werde dann als öffentlich wahrnehmbar eingestuft, "wenn eine Person sich aktiv politisch in einer extremistischen Partei oder Organisation betätigt".
Zwei Fälle schnell bekannt
Bald wurden zwei Fälle bekannt, in denen die beiden Papiere Folgen für die Praxis hatten: Im Erzbistum Paderborn schloss ein Pfarrer den Büroleiter der AfD-Ratsfraktion in Hamm, Julian-Bert Schäfer, von seinen kirchlichen Ehrenämtern aus. Er war Messdiener und Lektor. Das Erzbistum bestätigte die Entscheidung des Pfarrers. Im Bistum Trier wurde der stellvertretende saarländische AfD-Fraktionsvorsitzende Christoph Schaufert aus dem Verwaltungsrat seiner Kirchengemeinde entlassen. Er darf nicht mehr in den Verwaltungs- oder Gemeinderat einer Kirchengemeinde gewählt werden. Schaufert beschwerte sich beim Vatikan, man wartet in Trier auf Antwort aus Rom.

Die AfD changiert zwischen einem echten Rechtsextremismus, den der Verfassungsschutz einigen Landesverbänden und der Jugendorganisation der Partei attestiert, und einem Rechtspopulismus, der weniger radikal und grundsätzlich daherkommt", heißt es in der DBK-Erklärung.
Auch abseits der beiden Fälle, die überregional für Aufsehen sorgten, hat die DBK-Erklärung für Wirbel gesorgt – und das zweigeteilt. "In der Regel gab es ein positives Echo, aber auch kritische Stimmen, wenn die auch vor allem von außerhalb des Bistums kamen", sagt etwa der Trierer Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg. "Manche haben inhaltlich argumentiert, wenn sie auch nicht besonders dialogbereit waren. Andere haben lediglich mit Beleidigungen und Polemik um sich geworfen." Das beobachtet auch die Vorsitzende des Katholikenrats im Bistum Dresden-Meißen, Martina Breyer. Einerseits hätten viele Menschen das Papier als Orientierung wertgeschätzt. "Denn vorher wurden von manchen etwa bei Themenfeldern wie Familie oder Lebensschutz durchaus Schnittmengen mit der AfD-Programmatik hergestellt. Das wurde aber klargestellt, dass das nicht vereinbar ist." Andere hingehen hätten sie abgelehnt mit der Begründung, dass damit Menschen ausgeschlossen würden und die Kirche dies nicht tun dürfe. Sie zitiert aus einer Diskussion: "'Wer die DDR erlebt hat, will sich nicht mehr vorschreiben lassen, was er zu denken und zu wählen hat.' Da gab es ganz klaren Widerstand."
Was das Papier auf jeden Fall bewirkt habe: Dass über diese Themen gesprochen werde, sagt der Erfurter Generalvikar Dominik Trost: "In ländlichen Gegenden, wo die Leute sich auf dem Dorffest treffen, sprechen sie dort auch darüber, wie sie mit rechtsextremen Positionen und Populismus umgehen sollen. Denn da fallen nach dem dritten Bier auch mal unpassende Sätze. Das wühlt die Menschen auf." Das hat nicht zuletzt mit dem geänderten Auftreten der AfD zu tun, sagt von Plettenberg. Er berichtet von einer Visitation im Raum Hermeskeil, wo es sowohl eine KZ-Gedenkstätte wie auch eine Erstaufnahmeeinrichtung gibt – und wo die AfD bei der vergangenen Kommunalwahl Stimmenzuwächse verzeichnen konnte. "Von einem Bürgermeister dort habe ich erfahren, dass die Hemmschwellen von AfD-Anhängern geringer werden, sich zu ihrer Wahlentscheidung zu bekennen."
Pfarreien sollen Auge auf Kandidaten haben
Alle Befragten setzen in dieser Situation auf Dialog, vor allem an der Basis. "Wir verlassen uns darauf, dass die Pfarreien ein Auge auf ihre Kandidaten haben, denn die kennen die Leute am besten", sagt Trost. Dazu komme der Dialog mit denen, die gegen die Erklärung seien oder extremistische Standpunkte vertreten. "Wir erleben, dass Pfarrer in ihre Pfarreien Bildungsreferenten zu Bildungsveranstaltungen einladen und so über Extremismus und Populismus aufklären." Außerdem positionierten sich viele in ihren Predigten, so Trost. Sie wiesen auf den "Wert der christlichen Botschaft hin, die jeden Menschen achtet und den menschenfeindlichen Positionen der AfD etwas entgegenzusetzen hat". Das sorge durchaus für kontroverse Diskussionen, nicht zuletzt über Politik in der Kirche generell – denn es gebe durchaus Leute, die eine entpolitisierte Kirche wollten.

Bei den Gremienwahlen im Bistum Erfurt werde es eine "Selbstverpflichtungserklärung geben, die von allen Kandidat:innen zu unterzeichnen ist und sich auf das demokratische Selbstverständnis bezieht", heißt es vom Bistum.
Doch neben den allgemeinen Appellen zum Dialog hatte das Papier auch ganz praktische Folgen, etwa in Erfurt und Dresden. Wer bei der Dresdner Ortskirchenratswahl im vergangenen November antreten wollte, musste eine "Einverständniserklärung" unterschreiben. Darin heißt es: "Mir ist bekannt, dass kirchenfeindliche Betätigungen, die nach den konkreten Umständen objektiv geeignet sind, die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen, mir der Mitwirkung in kirchlichen Gremien nicht vereinbar sind." Als Beispiele werden extremistische Äußerungen und eine entsprechende Parteimitgliedschaft angeführt. Auf diese Unterschrift haben Interessenten ganz verschieden reagiert, erzählt Breyer: "Für die einen war das selbstverständlich, andere haben das mit Murren unterschrieben und manche haben deswegen nicht kandidiert. Das hat zu Unruhe geführt." Auch das Bistum Erfurt plant einen solchen Mechanismus. Bei den Gremienwahlen im März werde es eine "Selbstverpflichtungserklärung geben, die von allen Kandidat:innen zu unterzeichnen ist und sich auf das demokratische Selbstverständnis bezieht", heißt es vom Bistum auf seiner Internetseite. Auch in Erfurt bedeutete das Unruhe, sagt Trost: "Das haben manche als Gesinnungsprüfung aufgefasst und hatten Bedenken wegen ihrer Meinungsfreiheit. Nicht zuletzt auch, weil das Erinnerung an die DDR-Zeit wachgerufen hat." In Trier gibt es keine Pläne in diese Richtung – ganz bewusst: "Wir machen keine 'Gesinnungsprüfungen', das widerstrebt mir", sagt von Plettenberg. "Bei den nächsten Pfarrgemeinderatswahlen wird es für das Thema gesteigerte Aufmerksamkeit geben, eine Art Treueeid oder Ähnliches steht für uns nicht zur Debatte."
Neben diesen "kleinen" Wahlen steht nun auch die Bundestagswahl vor der Tür. Dafür sind die kollektiven Ressourcen fast aufgebraucht, beobachtet Breyer: "Wir spüren nach dem relativ hohen Einsatz vor der Landtagswahl im September, wo alle wach und aktiv waren, eine große Erschöpfung." Schrumpfende Kirchenmitgliederzahlen, Kirchenschließungen – das alles geht an der Kirche nicht spurlos vorbei. Trost beobachtet tiefer gewordene Gräben: "Die Polarisierungen sind groß, auch unter den Gläubigen." Es liege nun an jedem Einzelnen, eine verantwortungsvolle politische Entscheidung zu treffen. "Wir als Institution sollten uns kurz vor der Wahl da etwas zurücknehmen und uns darauf konzentrieren, die Menschen zusammenzubringen." Er freut sich deshalb über "Initiativen, die politische Themen auf niedrigschwelliger Ebene in die Kirche einbringen und den Dialog mit Einzelnen suchen, anstatt gleich auf eine Demo zu gehen." In Trier hat man sich für ein Mittelding entschieden: "Wir laden im Vorfeld der Bundestagswahl an vielen Orten im Bistum zu einem 'offenen Singen und Beten' ein, wo Chöre und Gemeinden bewusst für Demokratie, Freiheit und die gleiche Menschenwürde für alle Flagge zeigen", so von Plettenberg. Zwischen Singen und Dialog, Demonstration und Selbstverpflichtungen – die politische Spaltung wird auch die Kirche weiter beschäftigen.