Nach der Vorstellung des Regierungsprogramms von Union und SPD

Lob und Kritik: Kirchliche Stimmen zum Koalitionsvertrag

Veröffentlicht am 10.04.2025 um 11:11 Uhr – Lesedauer: 6 MINUTEN

Berlin ‐ Der Koalitionsvertrag, auf dessen Grundlage Union und SPD in den nächsten Jahren Politik machen wollen, ist in der Kirche auf ein geteiltes Echo gestoßen. Neben Lob gab es auch Kritik – vor allem an den Plänen für eine schärfere Migrationspolitik.

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Der am Mittwochnachmittag vorgelegte Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD ist in der katholischen Kirche auf unterschiedliche Reaktionen gestoßen. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) äußerte sich in einer Stellungnahme insgesamt positiv. ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp sieht in dem Vertrag "mehr innere Sicherheit, Wirtschaftsförderung und Investitionen in eine gerechte und vielfältige Gesellschaft". Mit dem Koalitionsvertrag würden Weichen gestellt, die weit über die anbrechende Legislaturperiode hinauswiesen. "Ich begrüße es sehr, dass CDU, CSU und SPD inmitten einer sich verschärfenden geopolitischen Krise schnell zu einer Einigung gekommen sind. Nun gilt es, zügig eine handlungsfähige Regierung zu bilden", so die Präsidentin der bundesweiten Vertretung der katholischen Laien in Deutschland.

Mit deutlichen Investitionen in die Verteidigung werde ein klares Signal für eine wehrhafte Demokratie gesetzt. "Dass die Koalitionäre dies zunächst weiter mit einer Freiwilligenarmee zu bewältigen suchen, ist ein Zeichen dafür, dass sie auf eine breite Akzeptanz ihrer Verteidigungspolitik in der Bevölkerung setzen und auch die Bedeutung eines Gesellschaftsdienstes nicht außer Acht lassen", sagte Stetter-Karp weiter. Indem zugleich ein Sicherheitsrat direkt ans Bundeskanzleramt angedockt werde, sei klar ersichtlich, dass die globale Sicherheitsarchitektur der neuen Regierung ein zentrales Anliegen sei. "Wir erwarten, dass sich die Bundesregierung für die Stärke des Völkerrechts einsetzt. Und dass sie jene, die für ein Recht des Stärkeren stehen, in die Schranken weist."

ZdK-Kritik an Plänen in der Migrationspolitik

Ebenso begrüßte die ZdK-Präsidentin, dass die drei Parteien auf Demokratieförderung und eine Ausweitung des Startchancen-Programms auf Kindergärten setzten. "Demokratieförderung erweist sich gerade jetzt auch als Förderung des europäischen Gedankens. Wir müssen Europa stärken, indem wir die Stärke der Demokratie zeigen. Das setzt sich im Koalitionspapier um." Auch dass das Entwicklungsministerium (BMZ) offenbar bestehen bleiben solle, entspreche der Forderung des ZdK.

Kritisch beurteilte Stetter-Karp dagegen die geplante Abschwächung des Lieferkettengesetzes, die Rückkehr zur Agrardiesel-Rückvergütung sowie die Pläne in der Migrationspolitik. "Der künftige Kanzler spricht von einer Rückführungsoffensive, dem Ende aller freiwilligen Aufnahmeprogramme und von einem Aussetzen des Familiennachzugs. Das sind keine Botschaften eines Einwanderungslandes. Wir als ZdK lehnen diese Pläne ab", sagte Stetter-Karp.

„Wir fordern die neue Bundesregierung auf, keine weiteren Kürzungen im Bundeshaushalt für die Entwicklungszusammenarbeit vorzunehmen und damit die existenzielle Not von Millionen von Menschen zu vergrößern.“

—  Zitat: Misereor-Hauptgeschäftsführer Andreas Frick

Das Entwicklungshilfswerk Misereor begrüßte ebenfalls den geplanten Erhalt des BMZ als eigenständiges Ministerium. "Die Entscheidung der Koalitionsparteien, Entwicklung als eigenes Politikfeld mit Ministerium und Ausschuss zu erhalten, ist ein bedeutendes Signal für Entwicklung, Frieden, Konfliktprävention und für den Einsatz zur Linderung von Hunger und Armut", erklärte Misereor-Hauptgeschäftsführer Andreas Frick. Internationale Kooperation sei angesichts der globalen Krisen und des Rückzugs anderer Staaten für Deutschland wichtiger denn je. Die Stärkung der Zivilgesellschaft in von Armut und Konflikten betroffenen Ländern habe weiter einen klaren Platz im Parlament und am Kabinettstisch. "Das ist besonders auch für die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele und des Pariser Klimaabkommens weltweit von zentraler Bedeutung."

Mit Sorge betrachtet Misereor dagegen die Ankündigung zur Absenkung der Mittel für die staatliche Entwicklungszusammenarbeit. "Wir fordern die neue Bundesregierung auf, keine weiteren Kürzungen im Bundeshaushalt für die Entwicklungszusammenarbeit vorzunehmen und damit die existenzielle Not von Millionen von Menschen zu vergrößern", sagte Frick. Schon jetzt müssten Projektmittel zur Anpassung an den Klimawandel, zur Ernährungssicherung, zu Gesundheitsprojekten oder zur Versorgung von Flüchtlingen gekürzt werden. "Weitere Mittelkürzungen würden bedeuten, dass der Kampf gegen die Klimakrise, gegen Hunger, Armut und Krankheiten massiv geschwächt würde."

Zugleich kritisierte Frick die Abschwächung des Lieferkettengesetzes durch die Abschaffung von Berichtspflichten und von Sanktionen gegen Verstöße: "Die geplante Abschwächung des Lieferkettengesetzes wäre ein Rückschlag für alle Näherinnen, Plantagenarbeiter, indigenen Gemeinschaften und Kindern, die eventuell auch unter direkter oder indirekter Beteiligung deutscher Unternehmen ausgebeutet, vertrieben oder unterdrückt werden." Wie jedes andere Gesetz brauche auch das Lieferkettengesetz Sanktionsmöglichkeiten um seine Wirkung erzielen zu können, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen und sie zu beenden.

Bild: ©picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte (Symbolbild)

Als "Desaster mit Ansage" sieht der Jesuiten-Flüchtlingsdienst die geplanten Verschärfungen in der Migrationspolitik.

Der Leiter des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (JRS) in Deutschland, Stefan Keßler, äußerte in einem Kommentar scharfe Kritik am Koalitionsvertrag. Dieser sei ein "Desaster mit Ankündigung", so der Jesuit bei domradio.de. Schon im Wahlkampf und während der Koalitionsverhandlungen sei abzusehen gewesen, dass der angekündigte Politikwechsel aus einem "massiven Abbau rechtsstaatlicher Garantien für Schutzsuchende und ansonsten aus Kraut und Rüben in der Migrationspolitik" bestehen werde. 

Mit den geplanten Kontrollen an den deutschen Grenzen werde europäisches Recht verletzt und zugleich die Inanspruchnahme des Asylrechts eingeschränkt. "Ähnliches gilt für eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsländer, die mit der menschenrechtlichen Situation in diesen Staaten nichts zu tun hat", so Keßler. Kein einziges reales Problem werde gelöst, stattdessen werde der Zusammenhalt in der Gesellschaft durch die Ausgrenzung von Flüchtlingen und Migranten aufs Spiel gesetzt. "Die Angst gerade unter den besonders vulnerablen Menschen wird noch steigen und ihre Integration behindern", kritisierte der JRS-Leiter.

GKP lobt Festhalten am Informationsfreiheitsgesetz

Die Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten Deutschlands (GKP) begrüßte in einer Stellungnahme das Festhalten der künftigen Regierung am Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Entgegen einer in den Verhandlungspapieren von Union und SPD erwogenen Streichung ist im Koalitionsvertrag nun eine Reform des IFG "mit einem Mehrwert für Bürgerinnen und Bürger und Verwaltung" vorgesehen. "Transparenz schafft Vertrauen. Deshalb steht Informationsfreiheit einem demokratischen Rechtsstaat gut an", sagte der GKP-Vorsitzende Joachim Frank. Das Informationsfreiheitsgesetz sei ein bedeutendes Instrument für die journalistische Recherche, mit dessen Hilfe schon viele Missstände aufgedeckt worden seien. "Eine Reform darf daher das geltende Gesetz nicht schwächen. Vielmehr braucht es einen Abbau bestehender Hürden für Informationsfreiheit – etwa durch den Verzicht auf Gebühren und durch verpflichtende Transparenzregelungen für Behörden", so Frank.

Standardmäßige Offenlegung statt Informationsfreiheit auf Verlangen entlaste Behörden und Auskunftssuchende, da viele Informationen nicht erst durch umständliche, langwierige Anträge ans Licht kämen. Diese Grundsätze müssen nach Ansicht der GKP auch bei der ebenfalls im Koalitionsvertrag angekündigten "Verschlankung" des Umwelt-Informationsgesetzes (UIG) zum Tragen kommen. Flankierend fordert die GKP ein Bundespressegesetz, das Auskunftsansprüche von Journalisten gegenüber Bundesbehörden und -organen klar regelt. "Das Ziel muss sein, dass eine Reform des IFG und des UIG Deutschland hinsichtlich der Informationsfreiheit endlich aus dem Keller holt", so der stellvertretende GKP-Vorsitzende Felix Neumann. Der Anspruch Deutschlands müsse es sein, bei allen Freiheitsrechten an der Spitze zu stehen. (stz)