Papst-Biograf: Franziskus sieht Genesung als Zeichen Gottes
Der britische Papst-Biograf Austen Ivereigh glaubt nicht an einen baldigen Rücktritt von Franziskus. "Er sieht seine Genesung als ein Zeichen dafür, dass Gott glaubt, dass er noch Arbeit als Papst zu tun hat", sagte Ivereigh in einem Interview mit dem portugiesischen Internetportal "Observador" (Mittwoch). Grundsätzlich sei ein Rücktritt aber nicht ausgeschlossen, dies habe Franziskus selbst auch mehrfach betont. Der Wille Gottes und das Wohl der Kirche stünden bei dieser Entscheidung für Papst Franziskus über allem, betonte Ivereigh.
Aus seiner Sicht wird auch das Papsttum sich nun ändern. "Wir könnten es ein rekonvaleszentes Papsttum nennen", erklärte der Journalist. Vom physischen Standpunkt aus betrachtet werde das Pontifikat nun sicherlich begrenzt sein. "Für mich ist es interessant zu erfahren, was die besonderen Früchte – und ich bin sicher, dass es Früchte geben wird – dieses besonderen und überraschenden letzten Kapitels seines Pontifikats sein werden."
Entscheidungen von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. problematisch
Die körperliche Verfassung von Franziskus sei aber nicht mit der Krankheit von Papst Johannes Paul II. zu vergleichen. Dieser sei in den letzten Jahren seines Pontifikats nicht mehr in der Lage gewesen, die Kirche zu regieren. Benedikt XVI. habe daher seine Entscheidung für einen Rücktritt getroffen. Beide Entscheidungen seien rückblickend jedoch problematisch, so Ivereigh. "Johannes Paul II. blieb im Amt, obwohl er in der Praxis nicht regieren konnte; Benedikt XVI. trat zurück, weil er gebrechlich war, lebte dann aber noch zehn Jahre lang." Franziskus wolle dagegen das Papstamt ausfüllen, solange er die geistigen Fähigkeiten dazu habe.
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Ivereigh gab zu, dass er während des Krankenhausaufenthaltes des Papstes selbst über das Ende des Pontifikats und einen möglichen neuen Papst nachgedacht habe. Er sei deshalb selbst so schnell wie möglich nach Rom gereist, erklärte der Journalist. "Es ist erstaunlich, wie er es überstanden hat, es sah wirklich so aus, als würden wir ihn verlieren." In den zwei Wochen, die er in Rom verbracht habe, habe er ein "Konklavefieber" erlebt, weil sich viele Menschen bereits Gedanken über einen möglichen Nachfolger gemacht hätten.
Laut Ivereigh ist es Franziskus gelungen, die "Kultur des Vatikans" zu verändern. Bischöfe betonten nun, dass sie im Vatikan nicht mehr wie Untergebene behandelt würden, sondern Kurienmitarbeiter sie fragten, wie sie helfen könnten, erklärte der Journalist. "Es handelt sich um eine Kultur des Dienstes an der Universalkirche und nicht um die Zentrale eines multinationalen Konzerns", so Ivereigh.
Konklave künftig weniger von Europäern dominiert
In diesem Zusammenhang habe der Papst auch das Kardinalskollegium reformiert, um sicherzustellen, dass die "verschiedenen Realitäten der Welt" präsent seien, wenn im Konklave über das Profil des nächsten Papstes diskutiert werde. Ein künftiges Konklave werde jedoch weniger von einem europäischen Block dominiert werden, vermutet der Journalist. "Die Präsenz der europäischen Kardinäle und der Kurienkardinäle wird in diesem Konklave viel geringer sein als in früheren Konklaven." Auch würden die ideologischen Spaltungen zwischen progressiv und konservativ weniger eine Rolle spielen, als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen sei.
Ivereigh spekulierte im Interview bereits über das Profil eines möglichen Nachfolgers von Franziskus. "Es wird ein sehr viel pastoralerer Papst sein, der da kommen wird: ein Papst, der mit den Realitäten und Leiden dieser Welt in Berührung kommt." (cbr)