Warum Italiens Synodaler Weg mit einem Knall (vorerst) endete

In keinem Land Europas leben so viele Katholiken wie in Italien. Fast 50 Millionen katholisch Getaufte in mehr als 200 Bistümern. Die Bischofskonferenz ist gut dreimal so groß wie die in Deutschland. Und obwohl der (freiwillige) Kirchenbeitrag nur 0,8 Prozent von der Steuerlast beträgt, ist die Kirche gesellschaftlich sichtbar und eine nationale Größe.
Dass sie in den Medien selten zum Thema wird, hat zwei Gründe: Zum einen ist da der Papst in Rom, der mit seiner Person und mit dem Heiligen Stuhl fast alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Zum anderen fehlt es in Italien weitgehend an aufmüpfigen Theologen und an Laienvereinigungen mit einem autoritätskritischen Selbstverständnis, wie es in Deutschland vom BDKJ, den Frauenverbänden oder vom ZdK gepflegt wird. Die landesweit verbreitete "Azione cattolica" galt bislang als hierarchie-hörig, die Ableger von "Wir sind Kirche" sind zahlenmäßig winzig.
Und so schien auch der von Papst Franziskus im Jahr 2021 ins Leben gerufene "Synodale Prozess" (auch "Synodaler Weg" genannt) eine unspektakuläre Veranstaltung zu werden. Zwar bildeten bei der Abschlussvollversammlung nicht geweihte Katholiken die Mehrheit: Von rund tausend Teilnehmern stellten sie 540, darunter 277 Frauen. Die Zahl der Bischöfe betrug hingegen nur 168.
Ein kalter Text voller Allgemeinplätze
Große Konflikte entlang der Linie "Basis gegen Hierarchie" schienen dennoch keineswegs programmiert, hatten doch die Bischöfe die teilnehmenden Laien ausgewählt. Dass es trotzdem bei den viertägigen Beratungen in der vatikanischen Audienzhalle krachte, wunderte nicht nur Beobachter in den Medien. Auch viele Teilnehmer taten sich hinterher schwer, das Geschehene zu erklären.
Schon in den Diskussionen in den mehr als 20 Arbeitsgruppen hatte sich abgezeichnet, dass etliche Delegierte, darunter auch Priester und einige Bischöfe, unzufrieden waren. Stein des Anstoßes war das vom Präsidium entworfene Abschlusspapier. Es wurde von Teilnehmern als "kalt" und "voller Allgemeinplätze" beschrieben.

Schlug die Vertagung der Beratungen vor: Kardinal Matteo Zuppi, Erzbischof von Bologna und Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz.
Die Kritiker monierten, dass es den vorausgegangenen langen Konsultationsprozess an der Basis ebenso wenig wiedergebe wie die veränderte Gesellschaft Italiens, in der sich die Kirche heute bewege. Die Textpassagen zu drei Themenfeldern wurden von Teilnehmern besonders häufig als unzureichend beschrieben.
Zusätzlich hatten zwei der größten katholischen Laien-Vereinigungen sich darauf verständigt, dem Präsidium schriftlich mitzuteilen, wo sie inhaltliche Schwachpunkte sehen. Die "Azione cattolica" mit rund 270.000 und der Pfadfinder-Dachverband Agesci mit knapp 150.000 Mitgliedern monierten, dass der "Reichtum der Debatte" der vergangenen Jahre sich nicht in dem Papier wiederfinde.
Einer der Schwachpunkte des Papiers betraf den Umgang mit sexuellen Minderheiten. Sie sind in Italien (auch ohne "Ehe für alle" in den staatlichen Gesetzen) längst eine gesellschaftliche Realität – auch in vielen katholischen Familien. Die im vorgeschlagenen Abschlusspapier enthaltene Formulierung, dass die Kirche solchen Menschen Angebote der seelsorgerischen Begleitung machen solle, wurde von vielen Teilnehmern als nicht mehr zeitgemäß empfunden. Zudem bleibe es hinter dem Anspruch von Papst Franziskus zurück, wonach die Kirche ausnahmslos allen Menschen nahe sein müsse.
Flut von Änderungsanträgen
Ein anderer Punkt betraf die Rolle von Frauen in kirchlichen Leitungsfunktionen. Hier benannte der Text nach Auskunft von Teilnehmern weder vorhandene Missstände – noch machte er konkrete Lösungsvorschläge. Und das, obwohl (von wenigen Ausnahmen in Norditalien abgesehen) Bischöfe, Monsignori und Priester noch fast überall die unangefochtenen Alleinherrscher sind, auch in den Verwaltungen der Bistümer. Frauen in Leitungsfunktionen, wie sie seit Kurzem sogar im Vatikan anzutreffen sind, fehlen auf der Leitungsebene italienischer Diözesen fast völlig.
Vor allem dieses Manko sorgte offenbar in den Vereinen der "Azione cattolica", wo auch viele Frauen aktiv sind, für Unmut. Kritik gab es aber auch an den geplanten, offenbar nicht hinreichenden Worten zum Skandal sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch Geistliche.
Diese und viele andere Unzulänglichkeiten führten zu einer Flut von Änderungsanträgen an dem 50-Punkte-Papier des Präsidiums. Anders als bei der inzwischen schon historischen Weltsynode im Vatikan (2023 und 2024) mit ihren dialogorientierten runden Tischen saß das Tagungspräsidium den rund tausend Teilnehmern frontal gegenüber. Die Spannung zwischen der Leitung und der Synode war am Schluss offenbar beträchtlich.

Versuchen konservative Kräfte in der Kirche, die Krankheit des Papstes dafür auszunutzen, die Öffnungen der vergangenen Jahre zurückzudrehen?
Ein Teilnehmer sprach von einem geistgewirkten "Erdbeben", in dem diese Spannungen sich entluden. Es war schließlich der Bischofskonferenz-Vorsitzende Matteo Zuppi, der die Gefahr eines drohenden Eklats erkannte. Er schlug kurzerhand vor, die finale Beratung auf Ende Oktober zu vertagen und bis dahin einen Text zu erarbeiten, der die vielen Eingaben ernst nimmt, die im Laufe der Vorab-Konsultation an der Basis und während der Beratungen in der Synode gemacht wurden.
Zuppis Vertagungs-Antrag wurde bei nur 20 Gegenstimmen mit einer Mehrheit von mehr als 95 Prozent angenommen. Danach folgte, wie ein Teilnehmer berichtete, langer, starker Applaus. Auch wenn das Ergebnis eindeutig ist, hat nun eine Debatte darüber begonnen, wie es dazu kam und was es bedeutet. Stimmen in der von den italienischen Bischöfen getragenen Zeitung "Avvenire" betonen, dass es sich nicht um einen Machtkampf der Basis gegen die Oberhirten gehandelt habe, sondern um ein gemeinsames Ringen mit Unterstützung des Heiligen Geistes.
Konservative Rebellion verhindert?
Eine andere Deutung hatte der Theologe Andrea Grillo von der Päpstlichen Hochschule Sant'Anselmo in Rom. Er schrieb nach der erfolgten Zurückweisung des Textentwurfs, nicht die Basis habe gegen das Präsidium rebelliert, vielmehr habe die Synode den Versuch einer konservativen Rebellion verhindert.
Der ursprüngliche Entwurf habe nicht nur keine Weiterentwicklung in wichtigen Fragen gebracht, sondern sei sogar hinter dem zurückgeblieben, was im laufenden Pontifikat bereits allgemein akzeptiert sei. Vor allem die vorgeschlagenen Passagen zum Priesterbild und zur Liturgie hätten einen Rückschritt um mehrere Jahrzehnte bedeutet, so Grillo.
Sollte diese Analyse zutreffen, würde sich das bewahrheiten, was derzeit unter Vaticanisti immer öfter diskutiert wird: dass die seit Monaten anhaltende körperliche Schwäche und Zurückgezogenheit des Papstes zu einer Art Vakuum führe, in der konservative Kräfte versuchen könnten, einige Veränderungen und Öffnungen der vergangenen Jahre wieder rückgängig zu machen. Falls das bei der italienischen Synode wirklich der Fall war, ist dieser Versuch mit lautem Knall nach hinten losgegangen.