10 Thesen gegen Franziskus: Zweifelhafte Datenbasis bei Kardinal-O-Mat

Der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung hat ein Genre begründet: Mit der Zustimmung oder Ablehnung zu ausgewählten Thesen wird längst nicht mehr nur die Nähe zu Parteien berechnet. Kein Wunder, dass es auch für das anstehende Konklave eine Entscheidungshilfe gibt. Der "Kardinal-O-Mat" nutzt die Datenbasis des "College of Cardinals Report", um die Position von vermeintlich oder tatsächlich aussichtsreichen Papst-Kandidaten zu bestimmen – und damit auch die Auswahl der Fragen, die von dieser "Gruppe von internationalen und unabhängigen Journalisten und Forschern" zusammengestellt wurde.
Der "Kardinal-O-Mat" selbst ist kein Projekt dieser Gruppe. Der Programmierer, der auf dem Diskussionsforendienst Reddit unter dem Namen "Imbecillus" Auskunft über seine Test-Seite gibt, bezeichnet es als "Projekt eines Atheisten mit Meinungen". Er habe es am Montag, dem Todestag des Papstes, in knapp vier Stunden "zusammengebastelt".
Dass der Macher des Kardinal-O-Mats eine kirchenpolitische Agenda hat, ist damit unwahrscheinlich. Sicher ist es dagegen beim "College of Cardinals Report". Die Gruppe von "unabhängigen" Experten wird angeführt von dem Journalisten Edward Pentin, Senior-Korrespondent beim US-amerikanischen "National Catholic Register", das zu dem US-Medien-Netzwerk EWTN gehört, und der Journalistin Diane Montagna, Rom Korrespondentin für den britischen "Catholic Herald", die zuvor unter anderem für "LifeSiteNews" und ebenfalls das Register geschrieben hat. EWTN ist weltweit ein wichtiger Medienakteur und war dem Pontifikat von Franziskus immer ausgesprochen kritisch gegenüber eingestellt; so sehr, dass Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin 2022 die Sendergruppe öffentlich zur Einheit mit dem Papst gemahnt hat. 2023 verbot ein spanischer Bischof seinen diözesanen Medien die Verwendung von EWTN-Material, um die Einheit mit dem Papst zu stärken.
Service für ein Kardinalskollegium, das sich nicht kennt
Beteiligt am Report sind der US-amerikanische Verlag "Sophia Institute Press" und das französische Cardinalis-Magazin. "Cardinalis" versteht sich als Zeitschrift für die Kardinäle: Ausgewählte Kirchenfürsten werden porträtiert, damit sich das Kollegium besser kennenlernen kann. Wer genau dahintersteckt, ist nicht klar. Zu den Bestsellern des Sophia-Institute-Verlags gehört ein Gebetsbild zum eucharistischen Herzen Jesu für einen "Sühnekreuzzug" mit einem Gebet des kasachischen Weihbischofs Athanasius Schneider, einem ausgemachten Gegner der Agenda von Papst Franziskus. Ziel des Sühnekreuzzugs ist unter anderem eine Rehabilitierung der vorkonziliaren Liturgie in der Kirche.

Kardinal Burke feiert die vorkonziliare Liturgie gerne – und nicht nur da ist er mit Franziskus über Kreuz. Beim Cardinal College Report gilt er als "papabile".
Der "College of Cardinals Report" beschreibt sein Ziel als Dienstleistung für die Weltkirche und insbesondere das Kardinalskollegium: Viele der Papstwähler kennen sich nicht, da Papst Franziskus Bischöfe aus der Peripherie zu Kardinälen ernannt hat, das Kollegium aber ausgesprochen selten zusammengerufen hat. Seit 2014 hat er kein reguläres Konsistorium einberufen.
Dazu stellt der Report Porträts aller Kardinäle zur Verfügung, die biographische Hintergründe und Einstellungen der Kirchenmänner dokumentieren. Zu 41 von ihnen gibt es Tiefenporträts, 22 von ihnen werden als "papabile" geführt, also realistische Kandidaten für das Papstamt. Zu jedem Kardinal liegt so ein Dossier vor, das laut den Machern eine faktenzentrierte Übersicht bieten soll.
Zehn Thesen arbeiten sich an Franziskus ab
Die Daten für den Kardinal-O-Maten stammen aus einer Positionierung zu zehn aus Sicht der Macher des Reports zentralen Thesen: die Weihe von Diakoninnen, Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare, Aufhebung des Pflichtzölibats, Einschränkung der vorkonziliaren Liturgie, die Verträge zwischen China und dem Heiligen Stuhl, das Eintreten für eine "Synodale Kirche" (in Anführungszeichen), einen Fokus auf Klimawandel, eine Neubewertung der Enzyklika Humanae Vitae, mit der sich Papst Paul VI. unter anderem zu Verhütungsmethoden geäußert hat, Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene und den deutschen "Synodalen Weg".

Kardinal Gerhard Ludwig Müller verlässt die Audienzhalle während der Weltsynode. Über die Jahre hat er sich immer mehr von Papst Franziskus entfremdet. Auch er gilt als "papabile".
Für die Einstufung in die Kategorien "dafür", "dagegen", "mehrdeutige Äußerungen" und "unbekannt" werden jeweils detailliert Belege anhand von Medienberichten und Publikationen angeführt. Die Auswahl der Kategorien zeigt bereits die Stoßrichtung: Durchweg wurden besonders polarisierende Themen aus dem Pontifikat von Franziskus angeführt. Sozialethische Fragen und Ökumene spielen keine Rolle. Komplexe Fragen zur Kirchenverfassung, etwa zur Rolle von Bischofskonferenzen, werden bestenfalls pauschal unter das Schlagwort der "synodalen Kirche" zusammengefasst.
In den Erläuterungen, die den zehn Themen beigegeben werden, zeigen sich die Grenzen des scheinbar objektiven Vorgehens. So wird etwa bei der Erläuterung zur Diakoninnen-These behauptet, Papst Johannes Paul II. habe mit seiner Erklärung "Ordinatio Sacerdotalis" 1994 definitiv erklärt, dass nur getaufte Männer die Diakonen-, Priester- und Bischofsweihe empfangen könnten. Tatsächlich befasst sie die Erklärung ausdrücklich nur mit der Weihe zum Priester ("sacerdos" bedeutet Priester, umfasst aber Priester und Bischöfe). Die Diakonenweihe spart sie völlig aus. Der verpflichtende Zölibat wird seit dem Beispiel Jesu als "immerwährende" ("perennial") Tradition bezeichnet, obwohl er erst 1139 auf dem zweiten Lateran-Konzil festgeschrieben wurde und bis heute nicht zur Tradition der meisten katholischen Ostkirchen gehört.
Papabile Papstkritiker
Größtenteils werden die Thesen vom Pontifikat von Franziskus aus dargestellt und seinen Kritikern breiten Raum eingeräumt, etwa wenn auf Kritiker der Weltsynode verwiesen wird, die angebliche "Manipulationen" beklagen oder auf Bischöfe, die ein Engagement gegen den Klimawandel ablehnen, weil sie dessen Wissenschaftlichkeit bezweifeln.
Während die Thesen erläutert und die Einschätzungen der Positionen der Kardinäle dazu belegt werden, ist weniger klar, nach welchen Kategorien Kardinäle ein ausführliches Porträt erhalten und welche Kardinäle als "papabile" eingestuft werden. Bei der Auswahl seien "Vatikan-Experten und andere" zur Beratung herangezogen worden, es handle sich um die Kandidaten, "die am meisten in Rom und anderswo" diskutiert würden.

Jean-Claude Hollerich war ein Vertrauter von Papst Franziskus und Generalrelator der Weltsynode. Unter die "papabile" wird er hier nicht gezählt.
Dadurch finden sich Kardinäle, die tatsächlich häufig genannt werden wie der Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin neben Kandidaten, die wohl nur in der Wunschvorstellung der Macher Aussicht auf Erfolg haben wie der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der in den vergangenen Jahren immer schärfere Kritik an Franziskus geäußert hatte und vor verschwörungsideologischen Aussagen nicht zurückgeschreckte. Der liberale Luxemburger Erzbischof Jean-Claude Hollerich, der eine Schlüsselrolle bei der Weltsynode gespielt hat, erhält zwar ein ausführliches Portrait, als "papabile" gilt er im Gegensatz zu Kardinal Raymond Leo Burke aber nicht. Burke lag mit Franziskus bei vielen Themen über Kreuz: Er gehörte zu den Autoren von "Dubia", kritischen Anfragen zur Vereinbarkeit von Papstentscheidungen mit der Lehre der Kirche, sowohl zum nachsynodalen Schreiben "Amoris Laetitia" als auch zur Weltsynode. Ein Effekt dieser Auswahl ist, dass konservative Kandidaten im Vergleich zu den Extremen deutlich weiter in der Mitte des Kollegiums zu stehen scheinen.
Der Kardinal-O-Mat wertet nur die 22 angeblichen Papabile aus, nicht die 41 Kardinäle, zu denen Positionen zu den zehn Thesen vorliegen. Entsprechend verzerrt ist das Ergebnis – mehr als eine Spielerei ist er damit nicht. Repräsentativ und objektiv wird das Kardinalskollegium damit nicht abgebildet. Immerhin hat das Tool eine realistische Einschätzung seiner Bedeutung: Es will ausdrücklich keine Wahlentscheidung sein. "Die Chancen stehen ohnehin nicht sehr gut, dass Sie wahlberechtigt sind", heißt es auf der Seite. Beim "College of Cardinals Report" ist es anders: Die Zielgruppe sind die Papstwähler, der Report ist Teil einer seit Jahre laufenden Kampagne, das auf Franziskus folgende Pontifikat zu gestalten – in eine Richtung, die wesentliche Entscheidungen des verstorbenen Papstes zurückdrehen will.