Für barockes Ritual erklimmt Pfarrer Daniel Lerch schwindelnde Höhen

Petrusfigur in Münchner Stadtpfarrkirche Sankt Peter Krone abgenommen

Veröffentlicht am 27.04.2025 um 15:20 Uhr – Von Barbara Just (KNA) – Lesedauer: 5 MINUTEN

München ‐ Ob Papst Franziskus im Himmel von Petrus empfangen wurde? Der Pfarrer des Alten Peters in München jedenfalls traf den Heiligen am Sonntag hoch oben im Altar von Angesicht zu Angesicht. Der Grund: ein barocker Brauch.

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Von mächtigen Säulen umgeben sitzt Petrus in Münchens ältester Stadtpfarrkirche Sankt Peter weit oben auf seinem gold funkelnden Thron. Doch wer zum Hochaltar hinaufblickt, sieht gleich, dass an diesem Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit etwas anders ist. Fünf Sprossen einer Metallleiter sind erkennbar, die hinter dem Kruzifix über dem Tabernakel hinaufragen zum Apostelfürsten. In wenigen Minuten wird er Besuch bekommen von Pfarrer Daniel Lerch. Einem alten Brauch aus der Barockzeit folgend nimmt er ihm die Krone ab - als Zeichen dafür, dass durch den Tod von Franziskus die katholische Kirche derzeit kein Oberhaupt hat.

Wann dieses heilige Theater erstmals für einen verstorbenen Papst praktiziert wurde, hat sich aus den Annalen bisher nicht erschließen lassen, wie der Geistliche sagt. Aber es gehört zu den Gepflogenheiten dieser traditionsbewussten Pfarrei, daran festzuhalten. Der seit 1987 im Alten Peter tätige Stadtpfarrmesner Peter Anton Zobel hat Erfahrung damit. Schon zweimal war er derjenige, der für diese feierliche Zeremonie in den Kirchenhimmel hinaufgestiegen ist. In den Gefilden hinter dem prächtigen Altar kennt sich der Mann aus, muss er doch regelmäßig mit dem Staubwedel für bleibenden Glanz von Engeln und Heiligen sorgen.

Begeisterter Bergsteiger

Dieses Mal wollte indes der 51-jährige Pfarrer, ein begeisterter Bergsteiger, die Aufgabe übernehmen. Aber es ist ein Unterschied, ob man einen Gipfel mit Bergstiefeln und Sportkleidung erklimmt oder im Talar samt schwarzen, eleganten Schuhen. Wie gut, dass sein Mesner einige Tipps für ihn parat hatte, und so schürzte er den Rock des Gewands halt etwas höher. Das mag nicht ganz so fein ausschauen, aber Sicherheit geht vor. Denn gerade das Herabsteigen hat es in sich. Dann drückt Lerch mit der linken Hand ganz fest die Tiara an den Körper, während er mit der rechten die Leiter umklammert und vorsichtig Sprosse für Sprosse nimmt.

Um in den insgesamt 20 Meter hohen Altar zu gelangen, muss der Geistliche erst im hinteren Bereich eine sechs Meter hohe Leiter hochsteigen. Diese gilt es am Ende zu verlassen und den Fuß auf die sichere Empore zu setzen, auf der die Kirchenväter Augustinus, Hieronymus, Gregor und Ambrosius den Gast willkommen heißen. In ihrer Mitte wartet die nächste vier Meter hohe Leiter, um endgültig auf Augenhöhe mit Petrus zu gelangen.

Hochaltar der Münchner Kirche St. Peter
Bild: ©picture alliance/imageBROKER/Egon Bömsch

Blick auf den Hochaltar der Münchner Kirche St. Peter.

1492 schuf der Bildhauer Erasmus Grasser die gotische Holzfigur mit dem dichten Rauschebart und lockigen Haarkranz. Die mächtige Tiara bekam Petrus am 10. September 1733 aufgesetzt. Der Münchner Goldschmied Johann Michael Ernst schuf die Papstkrone, die ein stattliches Gewicht aufbringt. Da der Heilige einen leicht nach vorn geneigten Kopf hat, muss sie in der Rückwand verankert werden, um ihm nicht übers Gesicht zu rutschen. Besonders wertvoll sei das Stück nicht, fügt Kenner Zobel hinzu: aus Kupfer gefertigt, vergoldet, falsche Edelsteine.

Die echte, im Mittelalter gefertigte Krone dagegen schon. Sie sollte die Universalmacht des Papstes demonstrieren, der als "Stellvertreter Christi auf Erden" sowie als "Vater der Fürsten und Könige" und als "Lenker der Welt" angesehen wurde. Inzwischen kommt die "Tiara" nur noch in Kreuzworträtseln vor. Paul VI. war der letzte Papst, der mit ihr 1963 gekrönt wurde. Ein Jahr später legte er sie ab. Demonstrativ schenkte das Kirchenoberhaupt seine Tiara den US-Katholiken als Dank für ihre großherzigen Spenden zu Gunsten der Armen. Seither wird diese in der Washingtoner Kathedrale "National Shrine" aufbewahrt.

Prozessionszug durch Kirche

Unter meditativen Chorklängen bringt Pfarrer Lerch an diesem Sonntag die Papstkrone gut auf den Boden und trägt sie danach in einem feierlichen Prozessionszug durch die Kirche. Am Ende findet die Kopfbedeckung, die für ein echtes Menschenhaupt viel zu groß wäre, ihren Platz auf einem mit rotem Brokatstoff überzogenen Tischchen neben dem Marienaltar. Darüber hängt das vatikanische Wappen und ein Bild von Franziskus mit Trauerflor.

Erst wenn in Rom der Ruf "Habemus papam" erklungen ist, bekommt auch der Münchner Petrus wieder seine Krone aufgesetzt. Solange aber muss sich der Apostelfürst in Geduld üben und barhäuptig zu den Gläubigen hinunterblicken. Diese ruft der im Anschluss die Messe zelebrierende Münchner Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg auf, derweil des verstorbenen Franziskus zu gedenken und für einen guten Nachfolger zu beten.

Von Barbara Just (KNA)