Synodalität im Bistum Fulda: Sind neugierig auf das, was Gott will

Bis Ende Dezember 2026 läuft die nächste Etappe der Weltsynode: Die Ergebnisse aus dem Abschlussdokument sollen in den Ortskirchen umgesetzt und erprobt werden. Im Bistum Fulda beschäftigt sich ein Synodenteam damit, das von Annette Stechmann, der Abteilungsleiterin Kirchliches Leben, geleitet wird. Gemeinsam mit Martin Stanke, dem Generalvikar des Bistums, spricht sie im katholisch.de-Interview darüber, was Synodalität mit Sendung zu tun hat.
Frage: Heute ist in der Kirche überall die Rede von Synodalität und doch gibt es ganz unterschiedliche Ansichten darüber, was damit eigentlich gemeint ist. Frau Stechmann, Herr Stanke, sind Sie sich immer einig darüber, was Sie unter Synodalität verstehen?
Stanke: Wir haben uns darauf geeinigt, würde ich sagen (lacht).
Stechmann: Genau, wir haben tatsächlich darum gerungen. Nicht nur wir beide, sondern unser gesamtes Synodenteam hat um eine Definition gerungen.
Frage: Und wie sieht die aus?
Stechmann: Für uns bedeutet Synodalität, dass wir miteinander in einem geistlichen Prozess unterwegs sind als Volk Gottes. Das betrifft also nicht nur die Menschen in unserer engen Kirchen-Bubble, sondern auch darüber hinaus. Gemeinsam fragen wir nach dem Weg, den Gott wirklich mit seiner Kirche gehen will. Das ist ein dynamischer Weg, der sich im Hören, im Erzählen, im Deuten und auch im gemeinsamen Entscheiden entfaltet.
Frage: Man hört immer wieder von römischer Synodalität, von deutscher Synodalität, Sie haben eine Definition für Ihr Bistum erarbeitet. Ist es nicht problematisch, wenn es so unterschiedlich ist, was unter Synodalität verstanden wird?
Stechmann: Der Auftrag der Umsetzungsphase der Weltsynode, in der wir uns gerade befinden, ist ja gerade, dass jede Region schaut, was Synodalität für sie bedeutet. Es ist also im besten Sinne katholisch, dass es hier nicht eine Vorgabe für alle gibt. Es darf unterschiedlich sein – und das muss es auch.
Stanke: Und es ergänzt sich auch gut. In Rom haben wir erlebt, dass die Weltsynode sehr geistlich geprägt war und die Kernfragen, die die Weltsynode gestellt hat – nämlich wie wir als Kirche wachsen und für die Menschen relevant sein können – auch den Synodalen Weg in Deutschland beschäftigt haben. Wir wollen hier in Fulda daher die Anregungen aus beiden Prozessen nehmen, auf Basis eines geistlichen Prozesses gut zuhören und dann in die Zukunft gehen.
"Synodalität hat auch immer etwas mit Sendung zu tun", sagt Annette Stechmann. Sie leitet den Bereich Kirchliches Leben im Bistum Fulda. Außerdem ist sie die Leiterin des Synodalteams. Der Generalvikar des Bistums, Martin Stanke, betont, dass es auch Strukturveränderungen im Bistum geben werde – "aber zunächst einmal geht es um den Dialogprozess".
Frage: Seit fast genau einem Jahr liegt nun das Abschlussdokument der Weltsynode vor. Welche Impulse nehmen Sie daraus für Ihr Bistum mit?
Stechmann: Synodalität hat auch immer etwas mit Sendung zu tun. Sie ist kein Selbstzweck, sondern es geht darum, das Evangelium mit den Menschen in Beziehung zu bringen. Ich glaube, dass wir als Kirche in Deutschland manchmal der Versuchung erliegen, uns mit unseren eigenen Kreisen zufrieden zu geben. Das ist aber etwas, das am Horizont aufscheint, aber auf unserem Weg noch nicht umgesetzt ist.
Stanke: Ich sehe den weltweiten synodalen Prozess als einen Lernprozess. Bei der Weltsynode in Rom hat man sich mit den Themen der Welt beschäftigt und wir haben gemerkt, wie unterschiedlich die Themen sind. Mit dem Thema Polygamie tun wir uns in Deutschland beispielsweise eher schwer, während wir hier aufgrund unserer Missbrauchserfahrungen die Frage nach Strukturen vielleicht stärker stellen. Wir haben hier in Fulda ein sehr vielschichtiges Bistum, das sich auch stark zwischen urbanen Zentren und ländlichen Regionen unterscheidet. Hier gilt es daher, zunächst einmal zuzuhören und die Bedürfnisse wahrzunehmen. Das wollen wir mit einer großen Ernsthaftigkeit tun.
Frage: Wir sind mitten in der Umsetzungsphase der Weltsynode. Welche Schritte sind bei Ihnen im Bistum als nächstes geplant?
Stanke: Bischof Michael Gerber hat im Mai ein Synodenteam beauftragt, das aus sechs Personen besteht. Sie haben in den vergangenen Monaten intensiv gearbeitet, wofür ich sehr dankbar bin. Im September wurden uns in einem kleinen Gremium aus Bistumsleitung und Vertreterinnen und Vertretern aus allen Räten unseres Bistums die Ergebnisse vorgestellt. In einer zweiten Phase geht es nun darum, mit den Ergebnissen weiterzuarbeiten und aufbauend auf den Säulen, die dargelegt wurden, ein Konzept für unsere Diözese zu formulieren und ein Prozedere zu entwickeln, wie Themen synodal bearbeitet werden können.
Stechmann: Bei einem Treffen im März nächsten Jahres werden wir Synodalität ausprobieren, indem wir ein wichtiges Thema auf einer größeren synodalen Versammlung bearbeiten. Das Spannende an der Umsetzungsphase ist ja, dass es nicht nur bei uns im Bistum bleibt, sondern es über den Bischof und die deutsche und europäische Ebene zurück nach Rom gespielt wird. Wir müssen einen Weg für uns finden, aber wir sind nicht allein auf der Welt. Wir haben die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen, sondern wir sind Lernende und sind neugierig auf das, was Gott für die Welt und mit uns als Kirche will. Daher bin ich auch sehr gespannt auf das Treffen der Synodenteams im Herbst in Rom und den Austausch und die weltkirchlichen Impulse dort.
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Frage: Es gibt vielfach Kritik, dass Synodalität und das Reden darüber weit weg sind von dem, was die Menschen an der kirchlichen Basis eigentlich bewegt und was sie wollen. Wie wollen Sie die Menschen mitnehmen und dafür sorgen, dass es nicht nur ein abgehobener Prozess der kirchlichen Blase ist?
Stechmann: Es gab ja bereits in einer der ersten Phasen der Weltsynode eine Befragung darüber, was die Menschen vor Ort beschäftigt. Das ist hier sehr gut umgesetzt worden – und trotzdem werden sich viele Menschen heute wohl nicht mehr daran erinnern, wenn Sie sie danach fragen. Das ist eine der größten Herausforderungen. Ich glaube, wenn wir wirklich anfangen, Synodalität zu leben und aufeinander zu hören, dass es ausstrahlt und die Menschen begeistert, die es erlebt haben.
Stanke: Ein Format, das wir in einem anderen Kontext schon einmal ausprobiert haben, war ein Hearing, bei dem wir junge Menschen zu einem bestimmten Thema eingeladen haben. Der Bischof war dabei, der damalige Generalvikar und weitere Abteilungsleiter. Und wir haben erstmal gehört und wurden dann aufgefordert, zu wiederholen, was wir verstanden haben und es wurde nochmal zurückgespiegelt, ob wir das wirklich verstanden haben. Es geht darum, solche Formate zu entwickeln, mit denen wir wirklich in Kontakt kommen können. Aber wir können nur dann Zuhören, wenn Leute mit uns reden wollen. Und das betrifft nicht nur unsere Gläubigen, sondern auch Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind – oder vielleicht noch nie mit ihr in Kontakt standen. Auch da glauben wir, dass der Geist Gottes wirkt.
Frage: Neben den Ergebnissen der Weltsynode gibt es auch den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland und dessen Beschlüsse. Wie lassen sich die Ergebnisse dieser beiden teilweise sehr unterschiedlichen Prozesse bei Ihnen verbinden?
Stanke: Die beiden Prozesse stehen ja nicht in dieser Polarität nebeneinander, wie das vielfach dargestellt wird. Da gibt es einige Überschneidungen und wir versuchen gemeinsam im Unterwegs-Sein, aus beiden Wegen das zu nehmen, was für uns hier vor Ort fruchtbar ist.
Stechmann: Wir haben Engagierte aus beiden Prozessen bei uns im Synodenteam und ich kann Ihnen sagen: Das funktioniert tatsächlich sehr gut miteinander. Dafür braucht es natürlich Offenheit und keine Abgrenzung.
Frage: Am Ende geht es bei diesem Prozess auch um die Änderung von Strukturen. Wie kann das für Ihr Bistum aussehen? Gibt es dafür schon konkrete Ideen?
Stanke: Wir können nicht hinten anfangen, sondern wir müssen vorne beginnen. Deshalb lässt sich jetzt nur schwer sagen, wie sich das alles strukturell auswirken wird. Das ist für mich noch eine große Wundertüte. Es wird sicherlich etwas kommen, aber zunächst einmal geht es um den Dialogprozess.
Stechmann: Eine Eingabe unseres Workshops ist mir dazu in Erinnerung geblieben: Wir müssen nicht erst die gesamte Gremienlandschaft im Bistum verändern, um mit Synodalität zu beginnen. Jede und jeder kann dort, wo sie oder er steht, beginnen auf Gott und auf andere zu hören. Und ich glaube ganz fest daran: Auch wenn Erfolg keiner der Namen Gottes ist, wird das ins Leben kommen, was mit Gott zu tun hat.