Religiöse Bedürfnisse nicht so eng mit Pfarrei verbunden

Religionssoziologe: Zahl der Kirchenbesucher in Polen rückläufig

Veröffentlicht am 24.10.2025 um 11:25 Uhr – Lesedauer: 

Warschau ‐ Immer weniger Polen gehen in die Kirche, doch immer mehr empfangen die Kommunion. Warum sie nicht zu Atheisten werden, erklärt der stellvertretende Direktor des kirchlichen Statistikinstituts – und was stattdessen passiert.

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Der polnische Theologe und Religionssoziologe, Wojciech Sadłoń, ist nicht der Ansicht, dass die Polen zu Atheisten werden. Vielmehr veränderten sich ihre spirituellen Bedürfnisse, sagte er in einem Interview mit dem Portal "onet.pl" (Mittwoch). "Es ist nicht wahr, dass Menschen heute keine spirituellen Bedürfnisse mehr hätten. Sie haben sie – aber sie verwirklichen sie individueller", so Sadłoń, der als stellvertretender Direktor des Instituts für Statistik der katholischen Kirche in Polen für die sogenannte "Zählung der Gläubigen" zuständig ist. "Spirituelle und religiöse Bedürfnisse sind einfach nicht mehr so eng mit der Pfarrei verbunden wie früher." 

Die Zählung wurde erstmals 1980 eingeführt. Seitdem wird sie jährlich an einem Sonntag im Oktober oder November vorgenommen. Bei dieser Erhebung wird geprüft, wie viele Katholiken den Sonntagsgottesdienst besuchen und die Kommunion empfangen. Hauptziel sei laut Sadłoń, Selbstbewusstsein auf Grundlage von Fakten, Tendenzen und Prozessen zu schaffen. "Es zeigt uns, wo wir stehen, wie wir uns verändern und wohin wir uns bewegen", so der Theologe. 

Starker Rückgang 

1980 gingen noch rund 57 Prozent der Gläubigen in die Kirche. Die jüngste Untersuchung von 2023 zeigt jedoch nur noch 29,5 Prozent. Andererseits lag der Anteil jener, die die Kommunion empfangen haben, 1980 bei 7,8 Prozent und 2023 bei 14 Prozent. Mit einem bloßen Zeitverlauf oder einem Generationenwechsel lasse sich der starke Rückgang kaum erklären, so der Theologe. "Einige nennen die Säkularisierung als Ursache – sie betonen, dass mit der Modernisierung, also sozialem und wirtschaftlichem Fortschritt sowie wachsendem Wohlstand, die spirituellen Bedürfnisse abnehmen." 

Sadłoń neigt zu einer anderen Theorie: Die heutige Gesellschaft sei stärker individualisiert, und die Menschen seien mehr darauf ausgerichtet, ihre eigenen Bedürfnisse zu reflektieren. "Zudem haben sie immer mehr Möglichkeiten, ihr Leben individuell zu gestalten. Dadurch verändern sich viele Bindungen, Gemeinschaften und Institutionen, in denen wir früher lebten – sie erodieren oder brechen zusammen", so Sadłoń, der von einer subjektiven Wende spricht. Warum heute mehr Gläubige die Kommunion empfangen, erklärt er sich damit, dass Menschen, die ihre Bedürfnisse durch Religion verwirklichten, bewusster und engagierter die Sakramente empfingen. Ihm zufolge sei es das Ergebnis verschiedener pastoraler Programme und der Arbeit an der religiösen Bildung. (mtr)