Fortsetzung folgt
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Eine unaufgeregte Institution des Vatikans ist aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und hat sich zu einem Medien-Hype emporgeschwungen. Es scheint als wäre aus einer behäbigen Zusammenkunft von kirchlichen Würdenträgern ein weltweites Großereignis mit Thriller-Qualitäten geworden.
Brisante Themen, raffinierte Intrigen
Fans der US-amerikanischen Fernsehserie "24" könnten auf die Idee kommen, die Drehbuchautoren des spannungsgeladenen TV-Events hätten am Verlauf der Synode mitgeschrieben. "24" faszinierte die Zuschauer durch ein innovatives Konzept. Die Serie war als Drama in Echtzeit angelegt, spielte in der politischen Entscheidungsebene Washingtons, behandelte brisante Themen, zeigte raffinierte Intrigen auf, konfrontierte die Protagonisten mit moralischen Dilemmas und überraschte durch immer neue Wendungen. So mancher Vergleich der erfolgreichen Fernsehserie mit der hochrangigen Versammlung in der Synodenaula des Vatikans mag sich aufdrängen. Aber darf man solche Vergleiche wagen? Man darf – mit Einschränkungen!
Die Bischofssynode war 1965 von Papst Paul VI. errichtet worden, als Ausdruck einer nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil sinnvoll erscheinenden Institution der Hilfe und des Dienstes der Ortsoberhirten zum Wohle der Gesamtkirche. Paul VI. sah in der Bischofssynode ein Beratungsgremium, keine Entscheidungsinstanz. Aber mit der Zeit meldeten sich lautstarke Stimmen, die von der Synode mehr forderten. Ihnen musste der Papst beim sonntäglichen Angelusgebet vom 22. September 1974 in Erinnerung rufen, dass die Synode eine kirchliche Einrichtung sei, die mit "Blick auf die Zeichen der Zeit" und "mit dem Ziel, die Einheit und Zusammenarbeit der Bischöfe der ganzen Welt mit dem Apostolischen Stuhl durch gemeinsames Studium … zu fördern", geschaffen worden sei. Der Pontifex betonte: "Sie ist kein Konzil, kein Parlament."
Gut vierzig Jahre später hat Papst Franziskus bei seiner Predigt zur Eröffnung der Sondersynode am 5. Oktober die Aussagen seines Vorgängers aufgenommen und weitergeführt: "Die Synoden sind nicht dazu da, schöne und originelle Ideen zu diskutieren oder zu sehen, wer intelligenter ist. Sie sind dazu da, den Weinberg des Herrn besser zu pflegen und zu hüten, an seinem Traum, seinem Plan der Liebe für sein Volk mitzuarbeiten."
Synode als eine "Schlacht"?
Die Synode ist ein Instrument, über das der Papst frei verfügen kann. Er setzt deren Kompetenzen fest; er kann sie beschneiden, aber auch erweitern. Nach ihren bisherigen Statuten gibt sie dem Bischof von Rom in seinem petrinischen Amt Hilfestellungen, steht aber selber nicht in direkter Verantwortung. Dies jedoch scheint zu wenig, zu ungenügend in der Öffentlichkeit, aber auch innerkirchlich vermittelt worden zu sein. Ein Manko, das sowohl Hoffnungen als auch Befürchtungen hat aufkommen lassen, die in der vorgesehenen Realität der Arbeit einer Bischofssynode ihre gesetzten Grenzen haben.
Die Arbeit auf der nun zu Ende gegangenen Synode konnte so in den Augen mancher Teilnehmer und einem Großteil der öffentlichen Meinung als "Schlacht" begriffen werden, die es für die eigene Position zu gewinnen galt. Vor allem das breite Spektrum der Medien wurde als "Waffenpotential" genutzt. Meldungen, Berichte und Meinungen wurden lanciert – zum Nutzen der einen Seite und zum Schaden der anderen.
Die Versuche, Einfluss auf den Verlauf einer Synode zu nehmen, sind kein Novum; sie gab es immer. Aber sie hatten früher eine andere Qualität, und wurden als normal, menschlich angesehen, nicht als kämpferische Attacken. 1969 war im Vatikan eine Synode zusammengetreten, die unter dem Eindruck der ein Jahr zuvor erlassenen Enzyklika Humanae Vitae stand. So manche Bischofskonferenz hatte sich in Opposition zu dem päpstlichen Rundschreiben gestellt, und in Rom befürchtete man eine Fortsetzung dieser Haltung vor den Augen und Ohren des Papstes. Dann aber tauchte schon bei den ersten Sitzungen der Versammlung das Gerücht auf, bald würde ein Konsistorium zur Erhebung neuer Kardinäle einberufen werden. Augenblicklich verstummte jede offene und auf ihre Urheber zurückzuführende Kritik an Humanae Vitae.
Soldaten mussten die Kontrahenten trennen
Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil waren mit Zorn geführte Streitgespräche, scharfe Worte und sogar Beleidigungen zu vernehmen. Bei den ersten großen Konzilien der Kirchengeschichte mussten Soldaten des Kaisers die Kontrahenden voneinander trennen; sogar von blutenden Köpfen und manch anderen Wunden berichteten die Chronisten.
Körperlich Verletzte waren auf der diesjährigen Bischofssynode nicht zu beklagen, aber die auseinanderdrifftenden Positionen der Teilnehmer waren so scharf umrissen, dass sich der ein oder andere an diesen Kanten und Spitzen innerliche Verletzungen zuzog. Die einen befürchteten eine fatale Erstarrung im Althergebrachten, ein schroffes Nein zur Fortentwicklung von Lehre und Pastoral, die anderen sprachen vom Verrat am Evangelium, einem Aufgeben fundamentaler Wahrheiten und Werte des Glaubens. Die Streitigkeiten wurden durch die Medien, auf Internetportalen, via Twitter und nicht zuletzt durch einige Synodenteilnehmer nach "draussen" getragen. Ein fragwürdiger Tribut an die sozialen Netzwerke.
Man kann und darf es nicht leugnen, innerkirchliche Ränkespiele und manipulatives Gebaren waren auf der Synode auszumachen. Von allen Seiten. Dies sollte man nicht verschweigen und mit frommen Worten übertünchen, auch nicht in den Meldungen kirchlicher Medien. Aber ebenso gilt es einer unverantwortlichen Panikmache entgegenzuwirken, die die Kirche auf einem apokalyptischen Schlachtfeld sieht. Es dürfte jedoch unbestritten sein, dass Vorkommnisse auf und rund um die Synode so inszeniert wurden, dass sie gläubige Menschen verwirrten und in eine seelische Unruhe versetzten. Bekanntlich machten nicht einmal vor der Schwelle des Gästehauses Santa Marta Verleumdungen und Manipulationen halt. So musste man mit Entschiedenheit gegen die Behauptung einer Tumorerkrankung des Papstes vorgehen.
Im alten Rom kannte man den senatus consultum ultimum. War der Staat Bedrohungen ausgesetzt, forderte das Führungsgremium der römischen Republik die Konsuln auf zu handeln: "Ut videant consules, ne quid detrimenti capiat res publica – Mögen die Konsuln darauf sehen, dass der Staat keinen Schaden erleidet." Für die heutige Zeit aktualisiert, eine Aufforderung an die Bischöfe, Schaden von der Kirche abzuwenden! Vornehmlich durch Besonnenheit und medialem Takt. Sachlichkeit und echtes Glaubenswissen sind vonnöten. Nicht zuletzt täte allen, die an der Synode mitwirkten oder sich von ihr angesprochen fühlen, ein wenig mehr Gottvertrauen gut, und etwas mehr Agieren im Gebet. Papst Franziskus hat darauf immer wieder und mit Nachdruck hingewiesen.
Neues Ministerium als Meilenstein
Schon jetzt ein abschließendes Fazit der Bischofssynode zu ziehen, wäre unseriös. Darunter fällt auch eine Bewertung zur Abstimmung über das Schlussdokument. Es gilt die Ansprachen, Redemeldungen und Dokumente der Versammlung in Ruhe und mit Ernsthaftigkeit zu studieren, um verstehen zu können, wie begehbare Brücken zu den unterschiedlichen Positionen geschlagen werden können. Sexuelle Orientierungen, Ehe und eheähnliche Gemeinschaften, Familie – das sind Themen, die das Leben der Kirche, ihre Rolle in der Welt existentiell berühren. Auf sie muss eine Antwort gegeben werden: in pastoraler Sorge und in der Treue zum Glauben. Bei allen Unzulänglichkeiten der vergangenen Wochen war die vom Papst für die Bischofssynode geforderte freie Rede und offene Diskussion ein wichtiger Schritt. Ein echter Meilenstein ist die angekündigte Errichtung eines päpstlichen Ministeriums für Laien, Familie und Lebensschutz.
Auch eine Bischofsynode mit Thriller-Qualitäten kann, wie es ihr die Serie "24" vorgemacht hat, am Ende mit Positivem und Hoffnung aufwarten. Zumindest bis zur nächsten Staffel respektive Synode.