Menschen mit Musik begeistern
"An Ostern und Weihnachten kann ich mir ein Bett in der Kirche aufstellen", sagt Sebastian Freitag und lacht. Der hauptberufliche Kirchenmusiker arbeitet "immer dann, wenn andere Leute Feierabend haben": also besonders an Wochenenden und zu kirchlichen Feiertagen. Hinzu kommen meist abends Chorproben, der Orgelunterricht und Konzerte. Dafür habe er im Sommer den schönsten – und kühlsten – Arbeitsplatz, sagt Freitag.
Ein Faible für Musik hatte Sebastian Freitag schon in der Grundschule. Die Tochter seiner Grundschullehrerin gab ein Klavierkonzert und Sebastian Freitag war sofort fasziniert. Da war er neun. Im gleichen Jahr ging sein Cousin zur Erstkommunion. Freitag stand damals neben der Orgel und habe in diesem Moment gewusst: "Dieses Instrument begeistert mich." Mit elf Jahren bekam er Klavierunterricht. Vergleichsweise spät, wie er sagt, denn andere professionelle Musiker hätten schon im Kindergartenalter damit begonnen. Doch es dauerte nicht lang, da erhielt Freitag erstmals seinen eigenen Kirchenschlüssel. In der Kirche übte er allein und brachte sich so selbst das Orgelspiel bei. Dabei vergaß er gerne die Zeit. Erst wenn es zur Messe läutete, hörte er auf zu spielen und machte Platz für die "Profis". Bis einmal der Organist zum Gottesdienstes einfach nicht auftauchte. "Da habe ich meine erste Messe gespielt", erzählt Freitag, "völlig aus dem Nichts". Da war er zwölf Jahre alt.
Wieder mehr Nachwuchs
Wenig später bekam Freitag auch offiziell Orgelunterricht und begann, regelmäßig Gottesdienste zu spielen. So hat er sich in seiner Jugend etwas Taschengeld dazu verdient. "Das war für mich keine Arbeit", sagt der 29-Jährige, "es hat immer Spaß gemacht". Mit 16 belegte er dann den sogenannten "C-Kurs", eine zweijährige Ausbildung in Gesang und Orgelspiel. Damals war ihm schon längst klar, dass er genau das auch studieren möchte. Nach dem Zivildienst studierte er schließlich zwölf Semester lang Kirchenmusik und Orgel an der Musikhochschule Detmold.
"In meinem Semester war ich der einzige, der Kirchenmusik studiert hat", sagt er. Doch mittlerweile gebe es wieder mehr Nachwuchs, denn die Berufsaussichten seien nicht schlecht. Das liegt laut Freitag auch an der Zusammenlegung von Gemeinden: "Mehrere Gemeinden zusammen können sich wieder einen hauptamtlichen Kirchenmusiker leisten." Wenn man erstmal eine Stelle habe, sei man auch abgesichert. Zudem pflegen die Kirchenmusiker untereinander ein kollegiales Verhältnis, erklärt Freitag. Sie treffen sich, tauschen sich aus.
Kein Tag wie der andere
Privat hört Freitag meist klassische Musik, die er auf 200 Chor- und Orgel-CDs sammelt. Nur im Auto darf es auch einmal "Radio Hochstift" sein, ein regionaler Pop-Sender. In die Wiege gelegt wurde ihm die Liebe zur Musik allerdings nicht: Seine Eltern seien nicht musikalisch. Das habe jedoch auch seine Vorteile: "Der Wunsch, Musik zu machen, kam immer von mir, freiwillig. Ich wurde nie dazu gezwungen." Seine Eltern hätten diesen Wunsch aber immer unterstützt, indem sie ihn zum Beispiel regelmäßig zu Gottesdiensten und Auftritten gefahren haben.
Dossier: Berufe in der Kirche
Ob Pfarrer oder Pastoralreferent, Küster oder Kirchenmusiker: Die Berufe in der Kirche sind vielfältig – und angesichts von immer größeren Pfarreien und zurückgehenden Priesterzahlen stehen sie vor großen Herausforderungen. In unserem Dossier stellen wir die einzelnen Berufsbilder vor.Die Motivation für seinen Beruf kann Sebastian Freitag in einem Satz zusammenfassen: "Ich möchte Musik machen und die Menschen mit meiner Musik begeistern." Mit Musik könne man die Stimmung im Gottesdienst beeinflussen: Durch lebendiges Orgelspiel an einem Feiertag etwa, oder getragene Stücke zu einer Beerdigung. Freitag ist außerdem begeistert von der Möglichkeit, mit Menschen aller Altersklassen arbeiten zu dürfen: Mit dem Jugendchor, dem Pastoralteam, der Seniorengemeinschaft, mit Ordensschwestern, Professoren und Handwerkern. "Man ist außerdem viel unterwegs", sagt er. "Kein Tag gleicht dem anderen."
Seit Oktober 2013 ist Sebastian Freitag Dekanats-Kirchenmusiker im Erzbistum Paderborn. Zu diesem Beruf gehört weit mehr, als "nur" sonntags die Orgel zu spielen. Er arbeitet mit einer halben Stelle in der Pfarrei Schloss Neuhaus. Er begleitet die Gottesdienste an der Orgel und fungiert als Chorleiter. Mit der anderen Hälfte seiner Arbeitszeit ist er beim Bistum angestellt. Dort leitet er neben dem C-Kurs Fortbildungen für Organisten und Chorleiter, ist Ansprechpartner bei Fragen zur Kirchenmusik und organisiert diözesane Veranstaltungen, zum Beispiel den "Tag der Kirchenmusik". Darüber hinaus ist er Mitglied in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften, die sich mit Stimmbildung, Kinderchören oder Orgelliteratur beschäftigen. Und ab Herbst geht es neben der ganzen Arbeit noch einmal an die Hochschule: Dann belegt er in Detmold den zweijährigen Konzertexamensstudiengang, den "Doktor der Musik", wie Freitag sagt.
Jeden Morgen sitzt Sebastian Freitag zunächst drei Stunden am Computer, schreibt E-Mails, vergibt Termine, organisiert seinen Kalender. Dann braucht er täglich zwei Stunden zum Üben, denn er gibt auch regelmäßig noch Konzerte. Diese seien die Sahnehäubchen seiner Arbeit. Er hat aber auch schon bei einem Rundfunkgottesdienst gespielt, ein Konzert im Passauer Dom an der größten Kirchenorgel der Welt gegeben und eine CD mit einer Cellistin aufgenommen. Seine Tätigkeit als Solist trennt er dabei streng von der Arbeit als Kirchenmusiker: "Gottesdienst ist Gottesdienst, Konzert ist Konzert." Seinen Beruf habe er wegen der Liturgie gewählt.
Den Glauben in der Musik verkünden
Freitag hat einen hohen Anspruch an seine Tätigkeit: "Wenn ich sonntags vier oder fünf Gottesdienste spiele, muss ich den ersten genauso motiviert spielen wie den letzten." Dabei helfe ihm, dass er den Glauben, den er musikalisch verkündigt, auch lebt. "Wenn ich selbst für das brenne, was ich mache, kann ich auch andere damit überzeugen", sagt Freitag. "Ich will nicht nur 'der da oben an der Orgel' sein, sondern Teil der Gemeinde."