Ein satirischer Wochenrückblick von Joachim Heinz

Gut gebrüllt, lieber Herr Söder!

Veröffentlicht am 28.04.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
War's das?

Bonn ‐ Das Kreuz ist ein Symbol "bayerischer Identität und Lebensart", wie wir seit dieser Woche wissen. Warum werden dort aber dann keine Maßkrüge oder Leberkäse an die Wände genagelt? Joachim Heinz weiß Bescheid.

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Fragen spuken mir im Kopf herum. Zum Beispiel diese hier: Warum eigentlich werden Bio-Gurken in Plastikfolie verpackt – ist das besser für die Umwelt? Oder: Wieso empören sich Zehntausende über die Einschläferung von Kampfhund Chico – aber wenn in Berlin am helllichten Tag ein jüdischer Mensch angegriffen wird, steht nur eine einzige Frau auf, um zu helfen? Und, bitte entschuldigen Sie: Weshalb will Bayerns Ministerpräsident Markus Söder jetzt Kreuze in den Amtsstuben anbringen, während seine Partei dem unbarmherzigen Ungarn Viktor Orban mit schöner Regelmäßigkeit den Hof macht?

Immerhin: Herr Söder hat die Begründung für sein Tun gleich mitgeliefert. Beim Kreuz handle es sich um ein grundlegendes Symbol "unserer bayerischen Identität und Lebensart". Recht so und gut gebrüllt, lieber bajuwarischer Löwe! Ein Kreuz ist zweifelsohne viel einfacher an die Wand zu nageln, als, sagen wir, eine Mass Bier. Und ein Stück Leberkäs riecht nach einer Weile doch arg streng, vor allem jetzt, da die Temperaturen wieder steigen. Es spricht also eine ganze Menge für das Kreuz, rein praktisch gesehen. Hinzu kommt dieses wohlige Gefühl, dass da ein Kümmerer den Hammer in die Hand nimmt und, zack, unter Beweis stellt, dass Politik eben doch noch etwas bewegen kann, in diesem, unserem Lande.

Nur: Gewonnen ist damit – nichts. Wollte aber nicht der, der da einst vor den Toren Jerusalems gerichtet wurde und dessen Kreuz demnächst möglicherweise in ganz, ganz vielen bayerischen Behörden hängt, eigentlich das genaue Gegenteil? Nämlich eine ziemlich radikale und dazu noch reichlich anstrengende Kehrtwende in Taten statt in Worten? Am Ende dieser Woche beschleicht mich das mulmige Gefühl, dass wir dabei schon wieder keinen Schritt weitergekommen sind. Ja, in Berlin und anderen Städten ziehen wir mit Kippa auf dem Kopf und Solidaritätsbekundungen auf den Lippen für unsere jüdischen Mitbürger durch die Straßen. Aber wird einer von uns beim nächsten Mal mit aufstehen, wenn einem Juden Prügel droht?

Stattdessen klopfen wir uns auf die Schultern. Den Musikpreis Echo haben wir abgeschafft, nachdem zwei Rapper damit ausgezeichnet worden waren, die ihren Körper mit dem von Auschwitz-Insassen verglichen. In ein paar Wochen wird vermutlich niemand mehr darüber reden, dass ein einziges Mitglied im Echo-Beirat, die katholische Vertreterin Uta Losem, gegen die beiden Reim-Eimer stimmte. Die meisten anderen zogen sich, weil's so schön bequem ist, auf die Kunstfreiheit zurück. Spätestens in diesem erbärmlichen Moment hatte sich der Preis schon selbst abgeschafft.

Mutig sollten Christen sein, wie der heilige Georg, schrieb der Limburger Bischof Georg Bätzing vor einigen Tagen zu seinem Namenstag. Es gelte, dem Guten eine Chance zu verschaffen. Und ich? Muss mal überlegen. Man soll da jetzt nichts überstürzen. Auch Georg hat ja nicht direkt einen Drachen getötet. Beim nächsten Mal kaufe ich die Gurke ohne Plastiküberzug.

Von Joachim Heinz

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"War's das?!" fragt katholisch.de in seinem satirischen Wochenrückblick. Im Wechsel lassen verschiedene Autoren freitags die zu Ende gehende Woche Revue passieren. Mit einem Augenzwinkern blicken sie auf Kurioses und Bemerkenswertes in der katholischen Welt zurück.