Bischöfe beschließen Anerkennungszahlungen an Missbrauchsopfer
Die deutschen Bischöfe haben neue Regelungen für die Anerkennungszahlungen an Missbrauchsopfer beschlossen. Die bereits bei der Frühjahrsvollversammlung im März beschlossenen Grundsätze für eine Weiterentwicklung des Zahlungssystems sollen nun als überarbeitete Ordnung öffentlich gemacht werden, heißt es im Abschlussbericht der Herbstvollversammlung der Bischöfe in Fulda. Die neuen Regelungen gelten ab Beginn des kommenden Jahres und werden in allen 27 deutschen (Erz-)Bistümern gelten. Das Bistum Regensburg wird jedoch an seinem derzeitigen System festhalten, da es zu einer "Befriedung" mit den Betroffenen geführt habe.
Konkret bedeuten die Änderungen höhere Zahlungen von in der Regel bis zu 50.000 Euro. Die Höhe dieser Einmalzahlungen werden von einem unabhängigen Gremium festgelegt, das von mehrheitlich nichtkirchlichen Vertretern bestimmt wird. Eine besondere Bedeutung messen die Bischöfe der Transparenz und der Einheitlichkeit bei diesen Verfahren bei. Die Bischofskonferenz hat sich daher für eine finanzielle Unterstützung der Orden und Gemeinschaften ausgesprochen haben, die die Summe für Anerkennungszahlen nicht selbst aufbringen können. Ein konkretes Modell für dieses Vorgehen soll demnächst mit den Orden abgesprochen werden. Der geplante Betroffenenbeirat von Missbrauchsopfer bei der Bischofskonferenz wird voraussichtlich im November seine Arbeit aufnehmen. Die Konstituierung dieses Gremiums musste wegen der Corona-Pandemie verschoben werden.
In der Abschlusspressekonferenz verteidigte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, die Entscheidung, für Betroffene Zahlungen in "Anerkennung" für erlittenes Leiden und nicht Schadensersatz zu leisten. Für Schadensersatz bräuchte es klare Beweise und geordnete rechtsstaatliche Verfahren. Das sei aber oft nicht leistbar, auch um der Betroffenen selbst willen: "Wir wollen das den Betroffenen nicht zumuten", so Bätzing, da oft ein solches Beweisverfahren gar nicht möglich sei, weil Täter bereits verstorben oder Unterlagen nicht auffindbar seien.
"Aufbrechende Konflikte in aufmerksamer Weise miteinander angehen"
Mit Bezug auf den Synodalen Weg bezeichnete Bätzing es als Verantwortung der Bischöfe, "aufbrechende Konflikte in aufmerksamer Weise miteinander anzugehen". Deshalb hätten sich die deutschen Oberhirten in Fulda während eines Studienhalbtags sehr offen über ihre jeweiligen Standpunkte ausgetauscht. Man habe die "Sorgen und Bedenken der anderen aufmerksam zur Kenntnis nehmen und soweit als möglich das Gemeinsame suchen" wollen. Dabei wurde deutlich, dass die intensive Beschäftigung mit theologischen Fragen innerhalb der Bischofskonferenz "dringlich" sei. Bätzing nannte etwa die Frage nach einer Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre, das Verhältnis zwischen Theologie und Humanwissenschaften sowie die Vermittelbarkeit der kirchlichen Inhalte. Dieses Gespräch werde bei der Frühjahrsvollversammlung 2021 fortgesetzt.
Nachdem sich die Bischofskonferenz schon im Frühjahr mit dem Papier "Gemeinsam am Tisch des Herrn" des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen (ÖAK) beschäftigt hatte, war das Votum für eine Mahlgemeinschaft unter bestimmten Bedingungen und in Einzelfällen nun noch einmal Thema. Kurz vor der Vollversammlung hatte der Präfekt der Glaubenskongregation Luis Ladaria in einem Brief Einwände gegen die Argumentation des ÖAK vorgebracht. Anstelle einer inhaltlichen Bearbeitung des Themas hat sich die Bischofskonferenz darauf verständigt, ihre Kommissionen für Ökumene und Glauben mit einer "Sichtung und Würdigung der lehramtlichen Anmerkungen" zu beauftragen. Außerdem soll der ÖAK selbst eine Antwort erarbeiten.
Auch eine Beschäftigung mit der Instruktion der Kleruskongregation zu Pfarreien stand auf der Tagesordnung. Nach deren Veröffentlichung und den größtenteils kritischen bis ablehnenden Äußerungen deutscher Diözesanbischöfe hatte sich bereits der Ständige Rat damit beschäftigt. Bei der Vollversammlung zeigte sich laut Bätzing mit Blick auf den wachsenden Priestermangel und die Frage nach der Seelsorge in kleiner werdenden Kerngemeinden bei gleichzeitiger Offenheit für das gesellschaftliche Umfeld eine große Einigkeit in der Problembeschreibung, sowohl unter den versammelten Bischöfen wie mit der Kleruskongregation.
Er betonte allerdings auch, dass es bei der "tieferen Analyse" und insbesondere bei den Lösungswegen "zum Teil erhebliche Unterschiede" unter den Bischöfen gebe. Worin diese Differenzen bestehen, ging aus dem Bericht nicht hervor. Bätzing plädierte jedoch dafür, mit den zuständigen Stellen im Vatikan über pastorale Entwicklungen und missionarische Herausforderungen ins Gespräch zu kommen.
Beratung der Kirchenaustrittszahlen 2019
Thema war zudem eine erste Beratung der Kirchenaustrittszahlen. Dabei zeigte sich Bätzing wenig optimistisch: Den Trend hin zu einer deutlich kleiner werdenden Kirche müsse man annehmen. 2019 sind den im Sommer veröffentlichten Zahlen zufolge mehr als 270.000 Menschen aus der Kirche ausgetreten, so viele wie noch nie. Bätzing führte für die hohen Zahlen das Thema Missbrauch und die Auswirkungen der MHG-Studie als "von der Kirche direkt verantwortete Gründe" an. Dazu kämen allerdings auch "langfristige und übergreifende Prozesse der Säkularisierung", die zu einem gesellschaftlichen Bedeutungsverlust der Religion geführt hätten.
Auf dieser Grundlage macht Bätzing fest, wie die Kirche Bindung stärken und Begeisterung wecken könne, zugleich könne man aber auch nichts an den langfristigen Tendenzen eines Bedeutungsverlusts von Religion und Kirche ändern: "Wenn sich die beschriebenen Entwicklungen fortsetzen, werden die christlichen Kirchen zu einer Minderheit in einer mehrheitlich religiös indifferenten Umwelt werden", so Bätzing. Die Frühjahrsvollversammlung 2021 wird sich dem Thema mit einem Studientag widmen.
Die Bischöfe würdigten zudem die in vielen Bistümern und Pfarreien geplanten Initiativen zur Feier des diesjährigen Weihnachtsfestes unter Corona-Bedingungen. Gemeinsam mit der Evangelischen Kirche werde derzeit ein "öffentlich sichtbarer Impuls" zu Weihnachten vorbereitet. Während der Pandemie sei die Kirche "so gut es ging" in der Öffentlichkeit präsent gewesen. Man habe den Bischöfen "gewisse Hilfslosigkeit" angesichts der Gottesdienst-Beschränkungen vorgeworfen und die Systemrelevanz der Kirche infrage gestellt. Während der ersten Corona-Monate seien die "Formate der Verkündigung" jedoch stark reduziert gewesen, so Bätzing. Eine besondere Bedeutung komme der Unterstützung der kirchlichen Hilfswerke in den Ländern weltweit zu, in denen die Corona-Krise gesellschaftlich und gesundheitlich besonders zum Tragen komme. Der im September begangene "Weltkirchliche Sonntag des Gebets und der Solidarität" sei ein starkes Zeichen dafür.
Themen ber der Herbstvollversammlung waren außerdem die deutsche EU-Ratspräsidentschaft und die Rolle der Kirchen in der EU, aktuelle Fragen zu Flucht und Migration und die digitale Agenda der Caritas. Demnächst erscheinen wird eine Arbeitshilfe der DBK zu "Trauerfeiern und Gottesdienste nach Katastrophen", außerdem wurde ein Entwurf einer Erklärung zur Schulpastoral beraten. Im kommenden Jahr sollen die Jugendpastoralen Leitlinien überarbeitet werden, die zuletzt 1991 erneuert wurden. (rom/fxn)