Vize-Ministerpräsident Stamp ruft Kirchen jedoch zu Liturgie-Verzicht auf

Nordrhein-Westfalen erlaubt weiterhin Weihnachtsgottesdienste

Veröffentlicht am 22.12.2020 um 12:50 Uhr – Lesedauer: 

Düsseldorf ‐ In der Diskussion um öffentliche Weihnachtsgottesdienste in Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung eingelenkt: Die liturgischen Feiern seien grundsätzlich möglich. Doch Vize-Ministerpräsident Stamp richtete eine eindringliche Bitte an die Kirchen.

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In Nordrhein-Westfalen sind Weihnachtsgottesdienste unter strengen Corona-Auflagen weiterhin grundsätzlich möglich. "Es bleibt dabei, dass die Landesregierung, wie das auch in anderen Ländern passiert, keine Gottesdienste untersagen wird", sagte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Dienstag in der Landespressekonferenz in Düsseldorf. Er habe mit Präses Manfred Rekowski von der rheinischen Landeskirche und dem Erzbischof von Köln, Kardinal Rainer Maria Woelki, sowie weiteren Kirchenvertretern gesprochen. "Es gibt in den Diözesen des Landes eine unterschiedliche Handhabung", so Laschet. Er sprach von großem Verantwortungsgefühl.

Gemäß der Bund-Länder-Absprache müssen Gottesdienstbesucher Abstand halten, Maske tragen und sich anmelden, wie Laschet weiter erläuterte. Zudem sei Gemeindegesang untersagt. Er persönlich werde am 24. Dezember nun doch keine Christmette besuchen, sagte der bekennende Katholik. "Ich habe aber Respekt für die, die unter ganz strengen Sicherheitsvorkehrungen an Gottesdiensten teilnehmen." Heiligabend werde er im Familienkreis mit seinen drei erwachsenen Kindern verbringen. Sein Vater, der üblicherweise auch an Weihnachten zu Besuch komme, werde wegen der Corona-Regeln bei einem seiner Brüder feiern.

Der stellvertretende NRW-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) rief die Kirchen unterdessen am Dienstag auf, Präsenzgottesdienste über Weihnachten abzusagen. "Ist es nicht gerade die Verantwortung von Christen, alles dafür zu tun, vermeidbares Sterben zu verhindern?", schrieb er auf Facebook. "Ist es nicht ein Gebot der Nächstenliebe, das Zusammentreffen vieler Menschen in einer undurchsichtigen Ansteckungssituation zu verhindern?" Als praktizierender Christ falle ihm sein Appell schwer. Er schlug Online-Gottesdienste und telefonische Seelsorge für Einsame vor.

Unterschiedliche Haltungen der Kirchen zu öffentlichen Weihnachtsgottesdiensten

Die katholische und die evangelische Kirche in NRW haben eine unterschiedliche Haltung zu öffentlichen Weihnachtsgottesdiensten. Unter den katholischen Bischöfen hat allein Essens Oberhirte Franz-Josef Overbeck seinen Pfarreien explizit freigestellt, auf Präsenzgottesdienste zu verzichten. Nach Medieninformationen haben bereits mehr als die Hälfte der 42 Pfarreien im Bistum Essen ihre Feiern abgesagt. Die übrigen Bistümer und Erzbistümer - Köln, Paderborn, Aachen und Münster - wollen an Gottesdiensten mit Teilnehmern festhalten.

Auch die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) lässt die Gemeinden selbst über Weihnachtsgottesdienste entscheiden, allerdings sind dort 80 bis 90 Prozent der geplanten Feiern bereits abgesagt. In Westfalen und Lippe liegt der Anteil noch höher. Dort haben die evangelischen Kirchen ihren Gemeinden ausdrücklich empfohlen, auf öffentliche Gottesdienste bis zum 10. Januar zu verzichten. NRW war während des ersten Lockdown das einzige Bundesland, das öffentliche Gottesdienste nicht generell untersagt hatte. Stattdessen hatten die Kirchen von sich aus darauf verzichtet.

Mundschutz im Weihnachtsschmuck
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Bei den Weihnachtsgottesdiensten in diesem Jahr sind neben dem Tragen von Masken auch andere Regeln zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus einzuhalten.

Unterdessen kritisierte Caritas-Präsident Peter Neher die sozusagen Last-Minute-Forderungen nach pauschalen Absagen von Weihnachtsgottesdiensten. "Jetzt noch bis kurz vor Heiligabend die Debatte zu schüren, wonach Gottesdienste unsicher seien, das ist einfach unredlich", sagte Neher am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Freiburg. Ihm gehe es keineswegs um ein Sonderrecht der Kirchen, sondern darum, "dass Menschen gerade in dieser schwierigen Zeit in den Gottesdiensten Trost und Kraft finden". Die Eucharistiefeiern und Gottesdienste seien kein bloßes Zusammensein. "Sondern sie sind für viele Menschen eine wichtige Kraftquelle, die Hoffnung spenden kann."

Neher betonte, die katholischen und die evangelischen Gemeinden setzten mit großer Sorgfalt Hygienekonzepte um. Auch Abstandsregeln und die Maskenpflicht würden penibel eingehalten: "Mich ärgert, wenn dies nun immer wieder in Frage gestellt wird." Zugleich sagte Neher, bei regional extrem hohen Neuansteckungsraten sollten Präsenz-Gottesdienste abgesagt werden. Hierzu gebe es klare Regeln, etwa bei Inzidenzen über 300.

Auch habe er Verständnis für jeden, der sich in diesem Jahr dafür entscheide, Gottesdienste über Internet oder Fernsehen zu verfolgen, so Neher. "Aber es ist dringend nötig, dass wir für die da sind, die das Bedürfnis haben, vor Ort Gottesdienst zu feiern. Und dies werde auch ich, wie viele andere Priester, an den Orten tun, an denen ich zugesagt habe, einen Gottesdienst zu feiern."

Bischof Kohlgraf antwortet auf Kritik von Politiker Lauterbach

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf verteidigte Weihnachtsgottesdienste in Corona-Zeiten. "Viele haben in den derzeitigen Debatten die üblichen übervollen Kirchen am Heiligabend im Kopf. Das wird nicht der Fall sein", schrieb Kohlgraf am Montag auf Facebook. Die Christmetten würden klein sein und streng alle Hygienevorschriften beachten.

Zur Kritik des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach am Wochenende, die Kirchen müssten mehr für die Corona-Bekämpfung beitragen und FFP2-Masken verteilen, entgegnete der Bischof: "Die Versorgung mit Masken scheint mir immer noch die Aufgabe der Regierung zu sein." Kohlgraf ergänzte: "Seit Monaten leisten Haupt- und Ehrenamtliche zermürbende Arbeit, um die Hygienekonzepte umzusetzen und in guter Zusammenarbeit mit den Landesregierungen Gottesdienste zu ermöglichen. Jetzt müssen sie sich anhören, es sei kein hilfreicher Beitrag gekommen. Ich darf das als Ohrfeige für viele Engagierte werten.

Das Bistum Speyer teilte unterdessen mit, man wolle "mit äußerster Vorsicht" Weihnachtsgottesdienste feiern. Generalvikar Andreas Sturm empfahl den Pfarreien, sich bei hohen Inzidenzwerten mit den Behörden abzustimmen. Zwischen 27. Dezember und 10. Januar verzichtet das Bistum auf öffentliche Gottesdienste. Die katholischen Innenstadtkirchen in Erfurt stellen aufgrund der Pandemie ab sofort sämtliche öffentlichen Präsenz-Gottesdienste bis zum 10. Januar ein. Eine Ausnahme bildet nur der Domberg: An Heiligabend finden Christmetten im Dom und in Sankt Severi statt, ebenso das "Nächtliche Weihnachtslob" im Dom. (rom/KNA)