Was wir spirituell aus der Corona-Pandemie lernen können
Vor über einem Jahr begann die Corona-Pandemie und traf damit auch unser Kloster mit ungeahnten Maßnahmen. "Unser Kloster", das ist das 2018 von Heiligenkreuz gegründete Zisterzienserpriorat in Neuzelle. Wir sind dort sechs Mönche und aktuell ein Postulant (jemand, der neu in das Kloster eingetreten ist) und bereiten einen Klosterneubau vor.
Als unser Klosterleben mit der Wucht der ersten Maßnahmen getroffen wurde, war das für uns eine sehr ungewohnte Erfahrung: Ein Großteil unserer pastoralen Tätigkeiten wurde verunmöglicht oder musste auf Livestreams umgestellt werden. Aber ein Jahr danach können wir sagen, dass uns die Corona-Pandemie viel gelehrt hat, was wir auch in dieser Fastenzeit wieder neu erfahren dürfen.
Pandemie und Gott
Viel zu selten wird die Frage nach Gott in der Pandemie gestellt. Die Grunderfahrung dieser Pandemie ist einerseits die, dass der Mensch nicht der Herr aller Dinge ist, aber andererseits instinktiv auch die Frage: Wo ist Gott? Als Christen wissen wir, dass Gott nie einer war, der sein Volk absolut von Leid verschont hat – weder im Alten Testament das große jüdische Volk, noch seinen Sohn Jesus Christus. In Jesus Christus ist uns aber auch geoffenbart worden, dass Gott kein strafender Gott ist. Er schlägt nicht drein, da eine solche Strafe reine Sanktion ist und keine Pädagogik ermöglicht. Gott ist vielmehr Pädagoge, er ist Lehrer und geliebter Vater seiner Kinder. Das lässt uns in der Pandemie nicht fragen "Warum lässt Gott das zu?", sondern vielmehr "Was will Gott uns damit sagen?". Das Zweite Vatikanum hat das "die Zeichen der Zeit erkennen" (Gaudium et Spes 4) genannt. Genau diese Frage prägt meine und unsere Fastenzeit im Kloster: Was will Gott mir und uns als Gemeinschaft mit der Pandemie sagen?
Was trägt in der Pandemie?
Papst Franziskus sagt: "In Prüfungen des Lebens offenbarst Du dein eigenes Herz: wie stabil es ist, wie barmherzig, wie groß oder wie klein. Normale Zeiten sind wie formale Veranstaltungen: Man muss sich selbst niemals zeigen. Du lächelst, du sagst die richtigen Dinge, und du überstehst das alles unbeschadet, ohne jemals zeigen zu müssen, wer du wirklich bist. Wenn Du aber in einer Krise bist, ist es das genaue Gegenteil. Du musst wählen. Und in deiner Wahl zeigst Du Dein Herz." In der Pandemie wird uns vor Augen geführt, was uns trägt und was nicht.
Im Kloster waren und sind wir da in einer privilegierten Situation. Von Anfang an war uns klar, dass wir unser Gebet nicht aussetzen werden und es war uns, als ein Hausstand, immer möglich, die Heilige Messe gemeinsam zu feiern und den Leib und das Blut Jesu Christi zu empfangen. Natürlich haben wir auch einen Livestream angeboten. Dennoch war da auf einmal die Erfahrung, dass unser Chorgebet (drei Stunden am Tag) und die Heilige Messe nicht zuallererst eine pastorale Veranstaltung sind, sondern auch mein Ort der Gotteserfahrung als Mönch und Priester. Christus ist wahrhaft und wesenhaft gegenwärtig in der Eucharistie. Sie ist Quelle und Höhepunkt unseres Lebens. Viele haben die Heilige Messe über Livestream verfolgt und auch dort die Nähe Christi erfahren.
Ich habe von einer Familie hier in Neuzelle erfahren, dass es für sie eine unglaublich berührende Erfahrung war, die Osternacht als Familie mit Kerzen und Gebet im Wohnzimmer zu begehen – zusammen im Livestream der Osternacht aus Heiligenkreuz. Es trägt uns im Glauben zuallererst die Begegnung mit Christus, der sein Kreuz mit uns trägt und uns seine Nähe schenkt. Es war wirklich schön zu sehen, wie viele Menschen zur stillen Anbetung in die Kirche kamen oder am Karfreitag als Familie den Kreuzweg im Freien beteten.
Was können wir für diese Fastenzeit lernen?
In dieser zweiten "Corona-Fastenzeit" können wir spirituell viel aus der Pandemie lernen. Die Fastenzeit hat immer ein Ziel: Die Begegnung mit Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Als Christen wollen wir nicht "leer werden", um des Leer-Werdens willen, sondern um der Fülle Christi zu begegnen. Deshalb schenkt uns die Kirche drei gute Trainingsorte: Das Fasten, das Gebet und die Nächstenliebe. Das Fasten hat immer das Ziel, frei von unseren Anhänglichkeiten frei für Gott zu werden. Im Fasten üben wir Verzicht aus Liebe zu Gott, um uns mehr auf seine Gegenwart konzentrieren zu können. In dieser Fastenzeit müssen wir auf viele Sachen und Dinge verzichten, die uns sonst beschäftigen. Auch das kann eine Chance werden, wenn wir die Situationen wirklich annehmen und sie Gott schenken:
- Jesus, ich nehme diese Situation, die ich nicht ändern kann, an!
- Jesus, ich danke dir für diese Situation!
- Jesus, verherrliche du dich darin! Zeig deine Macht und Herrlichkeit genau in dieser Situation!
So wird das Unvermeidbare durch unser Vertrauen auf Gott erfüllt mit seiner Gegenwart.
Damit sind wir schon beim Gebet. Das Gebet ist eine wunderbare Chance, frei zu werden und die Türen aufzureißen für Christus. Beim einen ermöglicht die Pandemie mehr Zeit zum Gebet, Beim anderen, der etwa mit Kindern im Homeoffice ist, ist das schwieriger. Letztendlich aber fordert die Pandemie von uns mehr Gebet:
- Gebet, das Gott auch die eigenen Zweifel entgegenschreit: "Herr, was willst Du mir damit sagen? Hilf mir! Herr komm in mein Leben! Lass mich auf dich vertrauen!"
- Gebet, für die Verstorbenen der Pandemie (es reicht nicht "ihrer zu Gedenken", wir müssen für sie beten): "Herr nimm sie auf in Deine Herrlichkeit! Jesus verzeihe allen, die unversöhnt gestorben sind! Jesus, steh allen Trauernden bei!"
- Gebet für alle, die vereinsamt sind: "Jesus zeige dich ihnen in ihrer Einsamkeit und offenbare deine Realität!"
Diese Corona-Fastenzeit ermöglicht aber auch viele neue Formen der Nächstenliebe für uns alle: Hier dürfen wir ebenso kreativ sein wie im Fasten und im Gebet.
Der Autor
Pater Isaak Maria Käfferlein ist Mönch und Priester im Zisterzienserkloster Neuzelle.